Mac P. Lorne

„Geschichte an sich ist spannend genug“

12.2016 Die Histo-Couch im Interview mit Mac P. Lorne über Francis Drake, eigene Segelkenntnisse und die Jungfräulichkeit Ihrer Majestät.

Histo-Couch: Herr Lorne, wie sind Sie auf das Thema Francis Drake gestoßen?

Mac P. Lorne: Die erste Geschichte über Drake habe ich sage und schreibe vor mehr als vierzig Jahren während des Abiturs geschrieben. Das handschriftliche Manuskript ist sogar noch vorhanden. Sie war natürlich ganz anders als das, was der Leser jetzt mit dem „Piraten“ vorliegen hat, aber immerhin. Seitdem lässt mich das Thema nicht mehr los, und da ich immer wieder auf seinen Spuren gewandelt bin, war die Zeit irgendwann einmal reif für einen Roman.

Histo-Couch: Ihre bisherigen Romane haben Robin Hood zum Thema, „Der Pirat“ ist ein Roman über Francis Drake. Was haben die beiden gemeinsam, und was unterscheidet sie?

Mac P. Lorne: Nun, zuerst einmal waren beide Räuber und sind bis heute legendäre Gestalten. Da hören die Gemeinsamkeiten aber auch schon auf. Während man wohl davon ausgehen kann, dass Robin Hood  mehr in das Land der Fabeln gehört, auch wenn ich ihn bewusst wie eine reale Gestalt darstelle, ist Drake ja eine verbürgte historische Person. In den Maispielen und Theaterstücken über Robin Hood, die gerade zu Drakes Zeiten Hochkonjunktur hatten, wird der berühmte Geächtete als jemand geschildert, der den Reichen nahm, um den Armen zu geben. Drake hingegen hatte vor allem das Ziel, selbst wohlhabend zu werden. Was ich ihm nicht verdenken kann, wenn man seine Herkunft aus sehr ärmlichen Verhältnissen bedenkt. Andererseits konnte auch er äußerst großzügig sein, und es ist belegt, dass er Gefangene oft reich beschenkt entließ und den während der Armada-Schlacht von ihm gefangen genommenen spanischen Kapitän Pedro de Valdéz während dessen sechsjähriger Haft im Tower finanziell unterstützte.  Grausam hingegen, wie man es von anderen Räubern weiß, waren allerdings wohl beide nicht.

Histo-Couch: Francis Drake tut alles für seine Königin, Elizabeth I. Wie eng war deren Verhältnis?

Mac P. Lorne: Darüber streiten sich die Gelehrten, ebenso wie darüber, ob Elizabeth wirklich eine „jungfräuliche Königin“ war oder ob man das nicht allzu wörtlich nehmen sollte. Ich denke eher letzteres. Allerdings passte Drake nicht so recht in ihr Beuteschema, obwohl da immer wieder etwas gemunkelt wurde. Zu alt, zu klein, etwas untersetzt so ganz anders als ihre anderen Favoriten, wenn man den Bildern in der National Portrait Gallery in London glauben darf. Allerdings wurde er des Öfteren zu Privataudienzen empfangen, und es ist bekannt, dass die Königin an seinen Lippen hing, wenn er von seinen Reisen und Abenteuern berichtete.

Histo-Couch: Wie verbürgt ist die Geschichte, die Sie erzählen?

Mac P. Lorne: Ich versuche immer so dicht an der Geschichte zu bleiben, wie nur irgend möglich.  Das war bei den vier „Löwen-Bänden“ so, wo es u.a. um den Investiturstreit zwischen den deutschen Kaisern und den Päpsten, den dritten Kreuzzug, die Magna Carta und die Katharerkriege ging, und natürlich erst recht bei dem „Piraten“.  Drake hat mir allerdings den Gefallen getan, nach seinen Raubzügen meist einige Zeit von der Bildfläche zu verschwinden.  Einmal soll er z.B. ein paar Monate in Hamburg gewesen sein. So hatte ich ein bisschen Spielraum, meine eigene Fantasie schweifen zu lassen, und schließlich ist es ja auch ein Roman und kein Sachbuch. Aber wo die Faktenlage eindeutig ist, da halte ich mich vollumfänglich daran.  Von Geschichtsverfälschungen aus – wie oft gesagt wird – dramatischen Gründen, halte ich gar nichts. Die Geschichte an sich ist spannend genug. Da sind Dinge passiert, die kann man sich gar nicht ausdenken.

Histo-Couch: Wie steht es um die Quellenlage um Francis Drake?

Mac P. Lorne: Eigentlich recht gut, bis auf die Lücken in seinem Lebenslauf, wo man ihm wohl angeraten hat, sich nicht blicken zu lassen. Allerdings muss man bei seinem Bild etwas differenzieren. Beim Hochadel der damaligen Zeit – außer bei Elizabeth – war er nicht gerade beliebt, was aber auch nicht verwunderlich ist. Da kommt einer, stammt aus niederen bäuerlichen Verhältnissen, lässt den geforderten Respekt vermissen, tritt mit großem Selbstvertrauen auf und arbeitet sich aus eigener Kraft zum wohl reichsten Mann Englands empor. Dass das Neider auf den Plan rief, die ihm Arroganz, Überheblichkeit und was sonst noch alles Nachsagten, ist nachvollziehbar. Anders sieht es aus, wenn man die Archive der Marine zu Rate zieht. Da werden sein enormes nautisches Können, seine seemännischen Kenntnisse, sein Geschick, sein Mut und auch seine Menschlichkeit hervorgehoben. So hatte er zumindest ab 1570 ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu den Cimarrones, verbot jedwede Übergriffe auf die amerikanischen Ureinwohner, selbst nach dem er durch einen indianischen Pfeilschuss verletzt wurde, und überhaupt alle Arten von Grausamkeiten.  Er blieb sich allerdings auch Zeit seines Lebens treu und war immer eher Kaperkapitän, Pirat, als begnadeter Flottenkommandant. Selbst in der Armada-Schlacht brachte er als einziger ein spanisches Schatzschiff auf, was Elizabeth zu der Frage veranlasste, warum nicht auch andere Kapitäne mit ähnlich reicher Beute heimgekommen waren.

Histo-Couch: Wieviel Zeit haben Sie zu Recherchen vor Ort verbracht, und wo waren Sie überall?

Mac P. Lorne: Wenn man es genau nimmt, bin ich ja, wenn natürlich auch mit Unterbrechungen, seit vierzig Jahren an dem Stoff dran. Da kommen schon einige Laufmeter an Literatur zum Thema zusammen. Es braucht Zeit, bis sich in meinem Kopf ein Bild entwickelt, dass ich dann zu Papier bringen kann. Und ich muss die Orte, die ich beschreibe, sehen. Ob es die geheimen Gänge im Dogenpalast sind, Buckland Abbey, Drakes Wohnsitz, der Nachkommen seiner Familie bis 1946 gehörte, oder die Befestigungen und Klippen von Santo Domingo. Ich lasse meine Leser gern mittels Fotoserien auf Facebook daran teilhaben. Das beeindruckendste Erlebnis war für mich allerdings, auf den Planken der Golden Hind stehen zu dürfen, wenn auch nur auf denen einer nahezu baugleichen Replik, die allerdings mehr Seemeilen auf den Ozeanen zurückgelegt hat, als ihre berühmte Namensgeberin.  Man hat mir dankenswerter Weise viel Zeit zur Verfügung gestellt, damit ich sie vom Marstopp bis zum Kielschwein, von der Back bis zu Drakes Poop, besichtigen und untersuchen konnte.

Histo-Couch: Wie steht es um Ihre eigenen Segelkenntnisse? Sind Sie seetüchtig?

Mac P. Lorne: Glücklicherweise bin ich da wenig anfällig und standfest. Für den „Piraten“ habe ich zum Beispiel den Segelschein gemacht, um vor allem in der Seemannsprache mitreden zu können.  Mein Lehrer war mal auf der Kieler Förde Europameister geworden und hat mich nicht geschont.

Histo-Couch: Ein wichtiger Aspekt in dem Roman sind die zahlreichen Kanonen. Wie behält man da den Überblick?

Mac P. Lorne: Das war gar nicht so schlimm. Die Engländer haben relativ bald die Kaliber vereinheitlicht und nur noch selten die ganz großen Geschütze benutzt. Bei den Spaniern hingegen herrschte diesbezüglich das reine Chaos, was ihre Artillerie ausgesprochen ineffizient machte.

Histo-Couch: Ist Joachim Gans, der Bronzegiesser, eine verbürgte Figur?

Mac P. Lorne: Ja, das ist er. Er kam auch 1581 nach England. Wie, ist nicht restlos geklärt, da habe ich meiner Phantasie freien Lauf lassen können. Er war allerdings in erster Linie Metallurge, und seine Methode zur Läuterung von Kupfer war damals – nun, heute würde man vielleicht sagen – eine Weltsensation. Auch traf er verbürgt auf Drake, der ihn aus Roanoke zurückbrachte, nachdem Gans gehofft hatte, dort sein Glück zu machen und Raleighs Versprechungen auf den Leim gegangen war. Er gilt bis heute als erster Jude in Nordamerika.

Histo-Couch: Wenn ihr Roman verfilmt werden könnte, wer wäre Francis Drake? Errol Flynn oder Mac P. Lorne?

Mac P. Lorne: Also ich sicher nicht. Flynn aber auch nicht, der war zu schön und könnte eher einen Höfling Elizabeths geben. Das müsste Hollywood casten, und wenn sie an der Realität bleiben wollen, einen mittelgroßen, untersetzten, aber äußerst agilen Akteur mit großer Ausstrahlung nehmen.

Histo-Couch: Wären Sie gerne mit Drake mit an Bord gewesen?

Mac P. Lorne: Nur als Geist. Ich war auf der Golden Hind II in seiner Kajüte und habe auf seiner Koje gelegen. Für damalige Verhältnisse war das Luxus pur, wir heute können nur die Nase rümpfen. Ich gebe zu, spätestens nach einem halben Tag würde ich modernen Komfort vermissen, z.B. so profane Dinge wie Toilettenpapier.

Histo-Couch: Wenn Sie die Möglichkeit hätten, einen Tag mit dabei gewesen zu sein – was würden Sie wählen?

Mac P. Lorne: Den Branderangriff auf die Armada im Hafen von Calais. Das muss ein gigantischer, aber auch furchterregender Anblick gewesen sein.

Histo-Couch: Wie sieht ein Arbeitstag an Ihrem Schreibtisch aus?

Mac P. Lorne: Wir betreiben seit mehr als zwanzig Jahren einen kleinen Familienbetrieb mit Ferienwohnungen und Pferden. Der nimmt mich weitestgehend tagsüber in Anspruch. Zum Schreiben komme ich abends, wenn rings um mich Ruhe eingezogen ist. Die Bedeutung von Schlaf wird eindeutig überschätzt. :D

Histo-Couch: Dürfen Sie schon etwas über Ihre künftigen Projekte verraten?

Mac P. Lorne: Da sie schon auf der Vorschauseite des Verlages stehen, ja. Im Sommer 2017 erscheint mein neuer Roman, in dem ich etwa 150 Jahre in der Geschichte zurückgehe und versuche, einen Mythos in den historischen Kontext zu stellen. Im Mittelpunkt steht wieder eine historische Figur, die auf eine gar nicht so heilige Jungfrau trifft. Und dann haben auch meine „Löwen“ bei Knaur eine neue Heimat gefunden. Es wird einen abschließenden fünften Band geben, an dem ich gegenwärtig arbeite. Parallel dazu recherchiere ich über eine äußerst interessante Person, die vor vielen hundert Jahren in Aquitanien gelebt hat und daran beteiligt war, die Geschichte Europas grundlegend zu verändern. Ich denke kaum, dass mir in den nächsten zwanzig Jahren der Stoff ausgeht. Es gibt so unendlich viel zu erzählen.

Das Interview führte Carsten Jaehner.

Zeitpunkt.
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