Angeline Bauer

„Heimat ist kein rosagefärbtes Traumschloss“

05.2013 Die Histo-Couch im Interview mit Angeline Bauer über Heimatromane, Recherchen und ihre Bösewichte.

Histo-Couch: Frau Bauer, was bedeutet Heimat für Sie?

Angeline Bauer: Um zu dem Begriff Heimat einen Bezug zu bekommen, musste ich im Ausland leben. Erst da habe ich gespürt, dass Heimat etwas tief in mir verwurzeltes ist, das zu tun hat mit geborgen sein in Sprache, Traditionen, Vertrautheit und auch Familie. Wobei Heimat für mich kein rosarotgefärbtes Traumschloss ist. Man kann seine Heimat auch kritisch und kontrovers sehen und doch eine Verbundenheit spüren.

Histo-Couch: Sie haben schon mehrere historische Heimatromane geschrieben, weshalb dieses Genre?

Angeline Bauer: Ich finde es interessant und spannend, tief in die Zeit einzutauchen, aus der unsere Ahnen kommen und zu hinterfragen, wie sie gelebt haben, was sie für uns getan und entwickelt haben. Aber ich habe ja auch viele zeitgenössische Romane geschrieben …also ich bin da nicht so festgelegt.

Histo-Couch: Haben Sie nie befürchtet, durch die Ausrichtung auf die Heimatromane in eine falsche Ecke, konkret in die Ecke von Groschen-Romanen, geschoben zu werden?

Angeline Bauer: Tatsächlich ist die Gefahr groß, in die Schublade Kitsch gestopft zu werden, aber das ist ja leider auch so, wenn man Liebesromane schreibt. Dabei haben ja auch Goethe und Shakespeare und viele andere Klassiker über die Verwicklungen der Liebe geschrieben. Und was gibt es für tolle Heimatromane und -filme! Schlafes Bruder zum Beispiel, Die Schwabenkinder und viele, viele mehr. Aber ja, sag Heimatroman, und viele Leute rümpfen die Nase. Ich nenne meine drei letzten Romane auch nicht Heimatromane, sondern historische Romane, die eben in Bayern auf dem Land spielen. Da wird gemordet, geliebt und intrigiert – genauso wie bei Hofe, nur ist alles viel lebensnaher.

Ich habe eine Statistik gelesen, nach der waren noch im 19. Jahrhundert 70 – 80 % der Bevölkerung Bauern, 10-20% andere Angehörige der unteren Schichten (Arbeiter, Handwerker, Bettler), 10 % Bürger, 1% Adel. Und trotzdem befassen sich die meisten historischen Romane wenn nicht mit Kriegen dann mit Adel und Bürgern. Dabei stammen wir fast ausnahmslos von Bauern ab – bei mir sagt es sogar der Name. Irgendwie ist das doch eine Schieflage, oder?

Histo-Couch: Ihre historischen Heimatromane leben von ihrer sehr starken Atmosphäre. Das bedingt aber auch, dass Sie viel über das gesellschaftliche Leben in kleinen Dörfern wissen. Aus welcher Quelle können Sie da schöpfen?

Angeline Bauer: Ich habe sehr, sehr viel recherchiert. Ich lese alte Romane in alter Schrift, alte Tagebücher, Sachbücher, und natürlich forsche ich auch in den üblichen Quellen von Lexika bis Internet.

Histo-Couch: Ihre Heimatromane spielen in den Alpen. Können Menschen, die die Bergwelt nicht kennen, sich genügend in die Geschichten hinein fühlen?

Angeline Bauer: Ich schreibe ja nicht auf Bayrisch, sondern hoffentlich in gutem Deutsch. Meine Bücher sind für Leser aus anderen Regionen vielleicht sogar ein Ausflug in eine andere Welt, und das Fremde ist immer interessant und anziehend. Zudem war das Leben irgendwo in der Heide oder in Sachsen auf dem Land ähnlich schwer, so groß sind die Unterschiede nicht. Hier haben wir halt die Berge, die droben im Norden haben die See.

Histo-Couch: Bevor sie sich dem historischen Heimatroman zugewendet haben, erschienen von Ihnen Romane, die im 16. und 17. Jahrhundert in Frankreich spielen – welche Epoche liegt Ihnen persönlich näher?

Angeline Bauer: Interessant finde ich alles. Das 19. Jahrhundert ist spannend, weil da unsere Urgroßeltern noch gelebt haben.

Histo-Couch: Waren Sie eine gute Geschichtsschülerin? Oder umgekehrt: Hatten Sie einen guten Geschichtslehrer?

Angeline Bauer: Neiiiiin! Ich fand es ein schreckliches Fach, und auch der Lehrer war schrecklich. Er hieß Herr Gischinski und hat sooo furchtbar langweilig unterrichtet. Man musste Jahreszahlen und Kriege auswendig lernen, das fand ich richtig öde.

Histo-Couch: Was hat Ihr Interesse an historischen Romanen geweckt?

Angeline Bauer: Ich empfand es als Herausforderung über eine andere Zeit zu schreiben. Und tatsächlich ist es ein schweres Fach. Es gibt für meinen Geschmack zu viele historische Romane, in denen vor allem Frauen aus unserer Zeit einfach in mittelalterliche oder barocke Kostüme gesteckt wurden, und dann denken und handeln sie wie wir das heute tun würden. Das geht gar nicht. Eine junge Frau im 17. oder 18. Jahrhundert war einfach anders konditioniert. Das habe ich besonders in ´Wolfstraum´ herausgearbeitet. Zuerst fügt sich Annelie, duckt sich und nimmt alles hin, dann passiert etwas, das ihren Widerspruch weckt. Und sie macht eine Entwicklung durch und wird am Ende eine starke Frau sein. Allerdings muss sie dafür auch alles aufgeben, was ihr Schutz bot und lieb war.

Histo-Couch: Welchen Prozess erleben Sie, wenn Sie sich an die Umsetzung eines Projekts machen: Wissen Sie von Beginn weg, wie die Geschichte sich entwickeln wird, oder machen Sie diese Entwicklung im Laufe des Schreibens mit?

Angeline Bauer: Eine Mischung aus beidem. Man muss schon wissen, wohin man will. Aber die Personen werden mit dem Schreiben lebendig und brauchen ein bisschen Platz und Freiheit. Ich nehme meine Protagonisten an die Hand und sie nehmen mich an der Hand. In ´Wolfstraum´ war der geistig behinderte Bruder meiner Protagonistin erst mal nur eine spontane Eingebung und hat sich bald zu einem von mir sehr geliebten zweiten Protagonisten entwickelt, der für den ganzen Roman sehr wichtig war.

Histo-Couch: In ihren Romanen kommen stets auch kantige Persönlichkeiten vor. In „Im dunklen Tal“ beispielsweise der halbwüchsige Vitus …Gibt es Momente, in denen Sie eine Ihrer Figuren nicht mögen? Für Vitus legen Sie ja im Laufe des Romans „ein gutes Wort“ ein …

Angeline Bauer: Natürlich gibt es die ganz bösen Bösewichte, die Täter aus Habgier und Rachsucht, die bleiben unsympathisch. Daneben gibt es die Schattenfiguren. Sie zeigen unsere eigenen dunklen Seiten. Im Grunde sind wir doch alle gut und böse gleichzeitig, und das arbeite ich bei einigen Figuren heraus. Wir haben ein Schicksal und entwickeln uns, und wer sich nicht entwickelt, der wird nie bei sich ankommen. Also Figuren wie Vitus sind für mich spannend, und ich mag sie trotz allem. In ´Die Seifensiederin´ war es eine Gefängnisleiterin, die den Protagonisten eingesperrt und festgehalten hat. Sie hat sich am Schluss das Leben genommen. Das habe ich nicht so geschrieben, um sie zu bestrafen sondern um zu zeigen, dass sie sich hoffnungslos verloren hatte. Man darf als Autor auch nie vergessen, am Ende ALLE wieder ins Boot zu holen, denn der Leser nimmt ja hoffentlich auch am Schicksal der Nebenfiguren Anteil und möchte wissen, wie es ihnen am Ende ergeht.

Histo-Couch: Die Liebesgeschichte fehlt natürlich auch in Ihren historischen Heimatromanen nicht – jede Liebesgeschichte ist aber ganz anders konzipiert und nicht alle enden glücklich …Wieso legen Sie den Liebenden so viele Steine in den Weg?

Angeline Bauer: Man darf es seinen Romanfiguren nie zu leicht machen, sonst langweilt sich der Leser. Außerdem lernen wir von unseren Romanhelden etwas ganz Wichtiges: Gib nicht auf, glaube an dich, halte durch, du schaffst das! In meiner therapeutischen Ausbildung habe ich gelernt, dass die Vorstellung von etwas dieselbe Kraft hat wie das tatsächliche Erleben. Wenn ich mir immer wieder vorstelle, ich bin ein Versager, werde ich ein Versager sein, wenn ich mir immer wieder vorstelle: Ich kann das schaffen!, dann werde ich stark und mutig. Das ist keine Behauptung von mir, sondern wissenschaftlich erwiesen.

Histo-Couch: Würden Sie sich selber als Happy-End-Schreiberin bezeichnen?

Angeline Bauer: Es gibt immer ein Happyend in meinen Romanen, nur nicht immer das Klischee-Happyend. Aber nie lasse ich den Leser am Ende im Regen stehen.

Histo-Couch: Welches Thema würde Sie reizen, ohne dass sie sich der Herausforderung bisher stellen konnten?

Angeline Bauer: Hm …fällt mir im Moment nichts ein. Ich habe vom Reiseführer über diverse Ratgeber und heiter-freche Frauenromane bis hin zum Krimi alles geschrieben. Sogar ein Theaterstück.

Histo-Couch: Wie viel von Ihrer eigenen Persönlichkeit und Ihrem Umfeld finden sich in Ihren Romanen wieder?

Angeline Bauer: Alles und nichts. Ich kann nur denken, was ich kenne, also kann ich nur schreiben was ich kenne, und also schreibe ich was ich bin. Und auch wieder nicht. Natürlich habe ich im wahren Leben nie gemordet – aber ein latenter Mörder steckt in jedem von uns, auch in mir. Manchmal lasse ich eigene Erlebnisse einfließen, aber das meiste ist doch Phantasie. Könnte ich nicht aus meinen Tiefen schöpfen, könnte ich in den 30 Jahren meiner beruflichen Laufbahn nicht 42 Bücher und gut 900 Kurzgeschichten für Zeitschriften geschrieben haben.

Histo-Couch: Werden Sie dem historischen Heimatroman treu bleiben? Gibt es weitere Projekte?

Angeline Bauer: Ich weiß noch nicht, wie mein nächstes großes Projekt aussieht. Ich werde den Verlag wechseln. In welche Richtung ich weitergehe muss sich noch zeigen. Bei meinem E-Book Verlag erscheint in den nächsten Wochen ein Karibik-Reiseführer, einige kurze heiter-freche Frauenromane liegen dort vor.

Histo-Couch: Lesen Sie selber? Welches Buch liegt derzeit auf Ihrem Nachttisch?

Angeline Bauer: Ich lese sehr viel Recherchematerial, da bleibt nur wenig Zeit fürs Vergnügen, denn den ganzen Tag schreiben (auf den PC starren), dann noch recherchieren, das belastet die Augen sehr. Wenn ich dann lese, meist Krimis. Zurzeit einen amerikanischen, der mir allerdings etwas zu brutal ist. Spannung über Brutalität liegt mir nicht so. Aber so ist das mit Büchern – man weiß am Anfang nie was einen erwartet.

Histo-Couch: Und welchen Roman würden Sie als Ihren Liebling bezeichnen?

Angeline Bauer: Da gibt es ein paar – Der Vorleser, Babettes Fest, Hundert Jahre Einsamkeit …und andere.

Das Interview führte Rita Dell’Agnese.

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