Heidrun Hurst

„In fast jeder Figur steckt ein bisschen von mir“

01.2015 Die Histo-Couch im Interview mit Heidrun Hurst über historische Romane, Korrekturleser und Recherchen in der Heimat.

Histo-Couch: Zuerst die obligatorische Frage an einen Autor: Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und weshalb sind Sie gerade im Genre des historischen Romans gelandet?

Heidrun Hurst: Zum Schreiben gekommen bin ich eigentlich durch die Arbeit mit Kindern, obwohl ich schon immer eine große Phantasie hatte und, sobald ich lesen konnte, Bücher eine wichtige Rolle spielten. Ich liebte es in ferne Länder, fremde Kulturen, oder eine andere Zeit abzutauchen, und tue es immer noch. Mit zwanzig habe ich das erste Mal versucht selbst einen Roman zu schreiben, doch ich spürte bald, dass die Zeit dafür nicht reif war. Wenn sie überhaupt einmal kommen sollte …Durch die Kinderarbeit in einer evangelischen Gemeinde zog mich das Schreiben Jahre später wieder in seinen Bann. Nach einem Fachbuch sind seit dieser Zeit bereits mehrere Romane entstanden, denen sich in regelmäßigen Zeitabständen ein weiterer anschließt. 

Histo-Couch: Sie haben schon mehrere Bücher geschrieben und auch eine Wikinger-Saga. Mit der Trilogie um Die Kinder des Bergmanns sind Sie aber in eine ganz andere Zeit gewechselt. Gibt es generell Epochen, die Sie bevorzugen und wenn ja, warum?Warum sie alle historisch sind, lässt sich am besten damit erklären, dass mir dieses Genre am meisten liegt. Ich liebe es, in eine völlig fremde Welt einzutauchen, die zwar schon mal dagewesen ist, es aber in dieser Form nie mehr sein wird.

Heidrun Hurst: Eigentlich interessiert mich jede Epoche von der Frühgeschichte bis zur frühen Neuzeit. Darüber hinaus wird es schwierig, aber wer weiß, vielleicht kommt das ja noch? Im Zuge meiner Recherchen habe ich festgestellt, dass jedes Zeitalter interessant wird, sobald man sich darauf einlässt.

Histo-Couch: Mit Jakob und Elisabeth haben Sie in der Bergmann-Saga sehr sympathische Protagonisten geschaffen, mit denen sich der Leser identifizieren kann. Wie kam es, dass Sie ausgerechnet auf den Bergbau kamen und Ihre Geschichte im Schwarzwald im Rheintal spielen lassen?

Heidrun Hurst: Mit der Bergmann-Saga wollte ich eine Geschichte schreiben, die etwas mit meiner Heimat zu tun hat. Ich bin in Odelshofen geboren, jenem Dorf, das in meinen Romanen eine große Rolle spielt, und genau in dem bäuerlichen Umfeld aufgewachsen, das unter anderem darin dargestellt wird wenn auch fast 400 Jahre später. Und ich habe schon als Kind genau zugehört, wenn mir mein Urgroßvater der übrigens Jakob Selzer hieß, ansonsten aber nichts mit einer der Hauptpersonen zu tun hat von früher erzählte. Der Schwarzwald liegt praktisch vor meiner Haustür und der Bergbau kam dann als unbekannte Komponente hinzu, um den Roman vielfältiger zu machen. Ich habe viele Stunden auf dem Schauinsland verbracht, bin im Bergwerk herumgekraxelt und habe mir entsprechende Literatur besorgt, um den Menschen auf diese Weise nachzuspüren. Vielleicht ist es gerade das, warum der Leser sich mit diesen Figuren identifizieren kann.

Histo-Couch: Im Grunde spiegelt sich der Autor ja selbst in seinen Erzählungen wider, wie viel Heidrun Hurst findet man in Ihren Geschichten?

Heidrun Hurst: Schwer zu sagen. Ich schätze, dass in fast jeder Figur ein bisschen von mir steckt. Die verschiedenen Charaktere erleben ja nicht alle das gleiche Schicksal, aber bei den meisten kann ich deren Handlungen nachvollziehen, oder sie sind zumindest vorstellbar.

Histo-Couch: Gibt es Autoren die Sie begeistern oder Ihnen gar als Vorbilder dienen?

Heidrun Hurst: Es gibt einige sehr unterschiedliche Autoren, die mich begeistern, oder es in jungen Jahren getan haben. Dazu gehören James Clavell, Noah Gordon, Margaret Mitchell, Donna W. Cross, Diana Gabaldon, Bernard Cornwell und J.R.R. Tolkien. Sicher dienen sie auch ein stückweit als Vorbilder. Ich habe jedoch versucht, meinen eigenen Stil zu finden. Selbst kann man das natürlich immer schwer beurteilen. Ich kann nur hoffen, dass es mir gelungen ist.

Histo-Couch: Wie, wo und wann schreiben Sie bevorzugt? Finden Sie immer Zeit dazu und wie wird das von Ihrem Umfeld aufgenommen?

Heidrun Hurst: Ich finde nicht immer Zeit zum Schreiben, was bei einer fünfköpfigen Familie mit Hund und Garten ganz natürlich ist. Generell kann man sagen, dass ich meine Zeit in Schreibphasen, und in solche, in denen etwas anderes dran ist einteile. Die Familie nimmts gelassen und auch sonst wird es eher positiv aufgenommen. Meist schreibe ich in meinem Arbeitszimmer, aber das Notebook ist fast überall dabei. Oft kommen mir bei der Hausarbeit die besten Gedanken, die ich unbedingt kurz festhalten muss.

Histo-Couch: Gerade ein historischer Roman bedarf stets großer Recherche. Wie gehen Sie da vor und woher nehmen Sie Ihr Wissen?

Heidrun Hurst: Zunächst besorge ich mir Literatur zu dem entsprechenden Thema. Auch historische Bibliotheken sind oft hilfreich, oder die örtlichen Archive. Dann schaue ich mir die möglichen Schauplätze an und besuche entsprechende Museen. Am Anfang eines neuen Themas nimmt dies sehr viel Zeit in Anspruch, aber nur so bekomme ich ein Gefühl für die Zeit und hoffentlich auch für die Menschen, die in ihr lebten. Für ihren Alltag, ihre Weltanschauung und ihre möglichen Gefühle. Dies ist aber auch ein sehr spannender Teil meiner Arbeit. Zum Glück teilt mein Mann diese Leidenschaft. Man fühlt sich ein wenig wie ein Detektiv, der versucht, einen Tathergang nachzuvollziehen. Tja, und dann gilt es, die Dinge miteinander zu verknüpfen.

Histo-Couch: Es ist ja nicht ganz einfach bei einer Reihe, wie eben Ihrer Trilogie, dasselbe Niveau bei allen Bänden durchzuziehen. Haben Sie Helfer, die Ihnen mit Rat und Tat zur Seite stehen oder auch mit Kritik zu Werke gehen? Oder ziehen Sie Ihre Linie durch und warten, ob dies passt?

Heidrun Hurst: Ich habe drei Testleser, die aus meinem Mann und zwei guten Freunden bestehen. Sie lesen die jeweiligen Abschnitte mit und sagen mir dann, wenn etwas nicht stimmig oder nachvollziehbar ist. In der Regel überdenke ich diese Stellen dann noch einmal. Ansonsten kann ich nur hoffen, dass das Niveau das gleiche bleibt. Am Ende entscheidet dies aber der Leser.

Histo-Couch: Noch schreiben Sie am dritten Band der Kinder des Bergmanns, der 2015 im Herbst herauskommt. Haben Sie schon ganz leise Gedanken, was Sie als nächstes in Angriff nehmen möchten?

Heidrun Hurst: Ganz sicher bin ich mir noch nicht. Wahrscheinlich wird die Geschichte in einer ganz anderen Zeit spielen. Über den Rest muss ich noch nachdenken.

Histo-Couch: Spielen Sie ab und zu mit dem Gedanken auch in einem anderen Genre zu schreiben oder werden Sie dem historischen Roman treu bleiben?

Heidrun Hurst: Im Moment kann ich mir nicht vorstellen, in einem anderen Genre zu schreiben. Fantasy würde mich zwar reizen. Ob ich es aber jemals versuchen werde, weiß ich noch nicht.

Histo-Couch: Noch eine letzte Frage: Wenn Sie zurückgehen könnten in die Vergangenheit, wann würden Sie am liebsten leben, welche Figur darstellen und warum?

Heidrun Hurst: Wenn ich in die Vergangenheit zurückgehen könnte, würde ich gern unbeobachtet bleiben und nur mal kurz Mäuslein spielen, um einen ungetrübten Blick zu erhaschen, wie es tatsächlich war. Dem Leben unserer Vorfahren, das für die meisten einen harten, oft kurzen Überlebenskampf bedeutete, wäre ich wahrscheinlich gar nicht mehr gewachsen. Und die wenigen, denen es besser ging, waren, was ihren Charakter betrifft, nicht so mein Fall. Das ist wahrscheinlich auch das, was historische Romane so interessant macht. Man wagt einen leicht gruseligen Blick in die Vergangenheit, sozusagen aus sicherer Entfernung, und ist froh, nicht leibhaftig mitten drin zu sein.

Das Interview führte Daniela Loisl.

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