Asta Scheib

„Es gibt keine fiktiven Personen.“

10.2010 Die Histo-Couch im Interview mit Asta Scheib über ihre Arbeit, Malerei, und die Begegnung mit realen Nachfahren ihrer Protagonisten.

Histo-Couch: Frau Scheib, wenn man Ihre Veröffentlichungen betrachtet, fällt auf, dass Sie sich immer wieder speziellen Persönlichkeiten zuwenden. Dazu gehört auch der Maler Giovanni Segantini, dem Sie ihr jüngstes Buch „Das Schönste was ich sah“ widmen. Wie kamen Sie gerade auf ihn? Er ist doch vornehmlich in Fachkreisen bekannt …

Asta Scheib: Ich habe eine 17-jährige Enkelin, Jelena. Sie besucht die Steiner-Schule und dabei stellte sich heraus, dass sie in Zeichnen und Malen äusserst begabt ist. Da ich gerne etwas mit ihr unternehmen wollte, das speziell auf sie zugeschnitten ist, habe ich für uns einen Malkurs in der Schweiz gebucht. In einer Annonce der Malschule hatte ich gelesen, dass an der Schule Malerei im Stile von Giovanni Segantini unterrichtet wird. Im Internet habe ich daraufhin nach Segantini geforscht und war fasziniert von seinem grossen Werk.

Histo-Couch: Sie kommen dem Maler in ihrem sehr feinfühligen biographischen Roman auf eine Art nahe, die sonst nur vertraute Personen erreichen …

Asta Scheib: Bevor ich mich ganz der Schriftstellerei zugewendet habe, war ich lange Jahre als Journalistin tätig. Das kommt mir bei den Recherchen zugute. Recherchen sind für mich ein wesentlicher Bestandteil meiner Bücher. Ohne, dass ich zuvor gründlich recherchiert habe, würde ich kein Buch beginnen. So konnte ich auch viel Material über Giovanni Segantini zusammen tragen.

Histo-Couch: Letztlich ist Ihr Roman aber nicht nur ein Portrait des Malers, sondern auch eines seiner Gefährtin Bice, die doch weniger in der Öffentlichkeit stand.

Asta Scheib: Ja, da hatte ich viel Glück. Zunächst habe ich über Bice nicht viel gewusst. Dann aber habe ich speziell nach ihr gesucht und erstaunlich viel gefunden. Unter anderem in einem umfangreichen Buch, das Gottardo, der älteste Sohn des Paares, über seine Familie geschrieben hat. Daraus habe ich viel entnehmen können und mir wurde auch einiges klar. Leider sind nicht viele Fotos überliefert. Das kommt aber wohl auch daher, dass Giovanni Segantini und Bice in einer Zeit gelebt haben, als noch sehr wenig fotographiert wurde. Gottardo beschrieb seine Mutter sehr genau, sprach von einer ausserordentlich schönen Frau. Natürlich habe ich ins Kalkül gezogen, dass dies ein stolzer Sohn verfasst hat, der seine Mutter sehr liebte. Aber Bice muss tatsächlich sehr schön gewesen sein, sie wurde nicht nur von Giovanni Segantini verehrt, sondern auch von anderen Männern. Zudem war Segantini selber ausgesprochen hübsch und hätte wohl noch manch andere Frau haben können, war aber Bice bis an sein Lebensende zugetan.

Histo-Couch: Dennoch spielte das Kindermädchen Baba ab einer gewissen Zeit eine grosse Rolle im Leben Giovanni Segantinis. Sie stand dem Maler auch für zahlreiche Bilder Modell. Bestand da nie Gefahr, dass sie seine Muse werden könnte?

Asta Scheib: Ich wurde in einer Zeitung angefeindet, dass ich die Liebe zwischen Giovanni und Bice verklärt hätte und ausser Acht geblieben sei, dass Giovanni mit Baba ein Verhältnis hatte. Aber ich habe unter anderem in Savognin ausführlich recherchiert und mit Leuten gesprochen, deren Familie Giovanni Segantini, Bice und Baba gekannt hatten. Sie alle wiesen darauf hin, dass Savognin zu jener Zeit ein Dorf war, in dem wirklich jeder jeden kannte. Hätte Giovanni Segantini mit Baba etwas angefangen, hätte dies sehr schnell die Runde gemacht. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass zwischen den Beiden etwas anderes war, als Freundschaft. Ausserdem war Bice immer dabei. Nach Giovannis Tod blieb sie mit Baba innig befreundet. Das wäre sie wohl nicht, wenn Baba die Geliebte Giovannis gewesen wäre.

Histo-Couch: Bleiben wir bei Bice. Sie war eine spannende Frau und gemäss Ihrem Buch auch die eigentlich starke Persönlichkeit in der Familie …

Asta Scheib: Bice war die Seele der Familie. Giovanni war der Stern, der nach aussen gestrahlt hat. Doch die beiden waren absolut gleichwertig. Jeder hatte eine andere Aufgabe zu erfüllen. Bice selber war kunstsachverständig und hat als eine der Ersten erkannt, dass Giovanni ein ausserordentliches Talent besitzt. Sie hat den Jungen wohl nicht ganz ohne Berechnung vereinnahmt, sondern ahnte, dass er mit der Malerei Erfolg haben würde. Sie hat ihn aber zweifelsfrei innig geliebt. Ich weiss von ihrer Enkelin Gioconda, da sie jeden Tag zu Giovannis Grab gegangen ist. Ihre Familie wollte sie nach seinem Tod zu sich nach Mailand holen, aber Bice wollte in Savognin bleiben, um das Grab besuchen zu können.

Histo-Couch: Das heisst, Sie konnten persönlich mit Nachkommen von Giovanni Segantini und Bice sprechen?

Asta Scheib: Gioconda habe ich persönlich kennen gelernt. Ich weiss, dass in Maloja noch eine Urenkelin der beiden lebt. Gioconda war auch die erste, die mein Manuskript lesen konnte. Sie mailte mir daraufhin: „Genauso wurde es in unserer Familie erzählt.“

Histo-Couch: In ihren Romanen stellen Sie Persönlichkeiten in den Mittelpunkt, über die bestimmte Daten bekannt sind. Wäre es nicht einfacher, über eine fiktive Person zu schreiben und ihr eine eigene Biographie zuzudichten?

Asta Scheib: Es gibt keine fiktiven Personen. Alle Personen, über die man schreibt, haben gelebt. Oder leben noch. Sie sind im geistigen Bereich des Autors angesiedelt. Es passierte mir schon, dass ich über eine Person schrieb und andere weisen dann darauf hin, dass man über eine bekannte Person geschrieben hat. Man speichert unbewusst, was man von einer Person wahrnimmt und dies fliesst dann in die Romanfigur hinein.

Histo-Couch: Wie kommen „Ihre“ Personen zu Ihnen?

Asta Scheib: Ich arbeite so, dass ich mich zurückziehe und stundenlang meditiere. Bei diesem Prozess tauchen die Personen dann von ganz alleine auf. Bei Figuren, deren Eckdaten allgemein bekannt sind, muss man sich als Autor gewisse Einschränkungen gefallen lassen. Wenn es Daten gibt, die gesichert sind, müssen diese auch so in den Roman eingebunden werden. Ich finde es spannend, die unterschiedlichen Personen mit diesem Hintergrund so aufzubauen, dass es stimmig ist.

Histo-Couch: Gerade aber wenn man über eine bekannte Person schreibt, setzt man sich auch Kritik aus. Es gibt immer Leute, die andere Ansichten haben. Wie gehen Sie damit um?

Asta Scheib: Solche Kritik ärgert mich, weil sie die Leute verunsichert. Wird solche Kritik geäussert, legen viele Leute das Buch weg, weil sie glauben, dass die Geschichte nicht stimmt. Das schadet der ganzen Sache, obwohl ich sorgfältig recherchiert habe. Gerade im Fall von Baba wäre es ein Einfaches gewesen, ihr eine Affäre mit Giovanni Segantini anzudichten. Das Buch hätte sich bestimmt noch besser verkauft. Aber darum darf es doch nicht gehen.

Histo-Couch: Wann haben Sie persönlich die Geschichte die Giovanni Segantini und Bice weglegen können?

Asta Scheib: Im Moment, in dem ein Buch veröffentlicht wird, gibt es schon Pläne für ein nächstes Buch, die mich begleiten. Allerdings mache ich sehr gerne Lesungen. Da kommen Giovanni und Bice immer wieder in den Vordergrund. Ich geniesse es, für jede Lesung spezielle Szenen heraus zu suchen. So komme ich immer wieder dazu, mein eigenes Buch zu lesen, was man sonst ja kaum tut.

Histo-Couch: Sie sprechen von Plänen für ein neues Buch. Können Sie darüber schon mehr erzählen?

Asta Scheib: Der nächste Roman wird kein historischer sein, auch wenn der Verlag dies gerne gesehen hätte, nachdem sich Segantini sehr gut verkauft. In meinem nächsten Roman geht es um eine junge Familie. Näheres möchte ich darüber noch nicht sagen. Danach wird es aber wieder einen historischen Roman geben.

Das Interview führte Rita Dell’Agnese.

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