Bernard Cornwell

„Ich bin ein Geschichtenerzähler, kein Historiker“

12.2009 Bernard Cornwell im Interview mit der Histo-Couch über Recherchen, Inspiration und seine Zukunftspläne.

Histo-Couch: Sehr geehrter Herr Cornwell, in Deutschland ist gerade Ihr neuestes Buch „Das Zeichen des Sieges“ (orig. „Agincourt“) erschienen. Darin geht es um eine Schlacht aus dem Jahr 1415, die für die Engländer heute noch eine grosse Bedeutung hat. Können Sie uns Deutschen erklären, worin dieses Besondere liegt?

Bernard Cornwell: Ich denke, es gibt zwei Gründe. Der erste ist, dass die Franzosen seit jeher die Erzfeinde der Engländer sind (es war eine englische, keine britische Armee), und die Schlachten, an die man sich in England am besten erinnert, sind die Siege über die Franzosen (Crécy, Agincourt, Blenheim, Trafalgar und Waterloo sind offenkundige Beispiele). Der zweite Grund ist, dass Agincourt so ein unwahrscheinlicher Sieg war. Die kleine englische Armee war schwach, krank, hungrig und in einer Falle, während die französische Armee ausgeruht war, genügend Vorräte hatte und gegenüber den Engländern eine Mehrheit von 6:1 hatte. Daher war der Sieg (der einseitig war, die Franzosen hatten mindestens 2000 Opfer, wohingegen die Engländer wahrscheinlich nicht mehr als 200 Tote zu beklagen hatten) unerwartet und außergewöhnlich. Er ist in der englischen Geschichte das klassische Beispiel für den Sieg einer kleinen Armee über ein viel größeres feindliches Heer.

Histo-Couch: Der Held, den wir durch das ganze Buch begleiten, ist ein junger Bogenschütze namens Nicholas Hook. Ihre Beschreibungen des Bogenschießens sind sehr genau und detailliert. Haben Sie sich auch selber darin versucht?

Bernard Cornwell: Ich habe vor langer Zeit das Bogenschießen versucht, aber ich war nie gut darin. Für die Nachforschungen für „Das Zeichen des Sieges“ habe ich mit vielen Bogenschützen gesprochen, darunter auch einige, die sich selbst beigebracht haben, nachgebildete Langbögen zu benutzen, und mit jedem Experten, den ich finden konnte!

Histo-Couch: Haben Sie zu Ihren Recherchen auch den Original Schauplatz in Frankreich besucht? Wie wichtig sind solche Eindrücke für die Dramaturgie eines Romans?

Bernard Cornwell: Ich habe Agincourt mindestens dreimal besucht, bevor ich das Buch geschrieben habe. Ich bin sicher, dass meine persönlichen Eindrücke wichtig waren, aber es ist schwer zu sagen, warum. Ich denke einfach, es ist wichtig für einen Autor, die Orte zu besuchen, über die er schreibt. Es gibt eine Sache, an die ich mich ganz deutlich erinnere, als ich dort war, und das ist, wie nass das Feld war, obwohl es dort seit einigen Tagen nicht mehr geregnet hatte. Das Erdreich dort hält das Wasser fest, daher muss es am Tag der Schlacht ein Sumpf gewesen sein, nachdem es fast eine Woche lang sintflutartige Regenfälle gegeben hatte.

Histo-Couch: Sie muten manchem Leser mit Ihren detaillierten Beschreibungen der Schlachten einiges zu, und dennoch ist man fasziniert vom Geschehen, vor allem auch von der Aufschlüsselung der Taktik. Woher nehmen Sie Ihre Inspirationen zu solchen Beschreibungen?

Bernard Cornwell: Inspiration? Notwendigkeit? Ich hoffe, dass alle Autoren die Bücher schreiben, die sie selbst am liebsten lesen, daher nehme ich an, dass ich militärhistorische Romane schreibe, weil ich sie selber gerne lese. Darüber hinaus? Ich glaube nicht großartig an „Inspiration“. Wenn ein Schriftsteller herumsitzt und auf Inspiration wartet, wird er oder sie wahrscheinlich verhungern.

Histo-Couch: Der Befehlshaber von Nicholas Hook ist Sir John Cornewaille, von dem sie trotz Ihrer auffallenden Namensähnlichkeit sagen, er sei kein Urahn von Ihnen. Trägt er oder eine andere Figur dieses oder eines Ihrer anderen Bücher trotzdem einige Ihrer persönlichen Charakterzüge?

Bernard Cornwell: Keine, die mir einfallen.

Histo-Couch: Ihre Bücher sind in Deutschland sehr beliebt, die Sachsen-Saga (orig. Saxon Stories) landet mit ihren bislang vier Teilen regelmäßig in den Bestsellerlisten, und auf unserer Homepage sind Sie durchgehend der Autor mit den häufigsten Aufrufen. Sie sind momentan einer der meistgelesensten Autoren historischer Romane. Was, glauben Sie, ist Ihr Geheimnis, dass sie so viele Leser regelmäßig in Ihren Bann ziehen?

Bernard Cornwell: Ich habe keine Ahnung. Deutsche Leser fühlen vielleicht, dass die Sachsen Deutsche sind (was sie natürlich auch waren), also gehören diese Geschichten genauso zu ihnen wie zu den Engländern. Ich würde mir wünschen, dass die Leute meine Bücher mögen, weil sie starke Geschichten erzählen. Ich bin ein Geschichtenerzähler, kein Historiker, und ich bemühe mich, eine starke Geschichte zu erzählen.

Histo-Couch: In England erschien im Oktober der fünfte Teil der Sachsen-Saga, in Deutschland müssen wir leider noch bis Mai 2010 darauf warten. Können Sie uns schon verraten, wie viele Teile es insgesamt werden? Der Erzähler Uhtred ist ja immer noch ein recht junger Krieger …

Bernard Cornwell: Ich wünschte, ich wüsste es. Ich hoffe, es werden wenigstens zehn Bücher, aber ich habe das Gefühl, es könnten auch gut mehr werden.

Histo-Couch: In letzter Zeit erhielten die Artus-Trilogie und die Grals-Trilogie erfolgreiche Neuauflagen, und auch die Sharpe-Reihe wird mit neuen Bänden in Deutschland fortgesetzt. Wird es auch für ihn noch weitere Teile geben?

Bernard Cornwell: Es wird mehr von Sharpe geben, aber nicht in den nächsten paar Jahren.

Histo-Couch: Auf Ihrer Homepage beantworten Sie nahezu täglich die Fragen interessierter Leser, und auch mit einer Engelsgeduld immer wieder dieselben Fragen. Wie wichtig ist Ihnen der Kontakt zu Ihren Fans, und bekommen Sie auch Anregungen für neue Bücher?

Bernard Cornwell: Ich glaube nicht, dass ich je eine Idee für ein Buch von einem Fan oder irgend jemand anderes übernommen habe, was nicht bedeutet, dass sie keine guten Ideen haben, aber wir alle müssen das schreiben, was uns am meisten interessiert, und normalerweise sage ich ihnen, dass sie die Geschichten selber aufschreiben sollen. Und ja, die Fans sind sehr wichtig. Sie sagen mir, was sie mögen und was sie nicht mögen, und das ist hilfreich, und außerdem sind sie normalerweise sehr freundliche und nette Menschen.

Histo-Couch: Würden Sie uns zum Abschluß verraten, welche Projekte Sie als nächstes planen?

Bernard Cornwell: In nächster Zukunft beende ich einen Roman über eine sehr verworrene Schlacht während der Amerikanischen Revolution, eine Schlacht, die man eigentlich aus der Erinnerung streichen könnte, wenn nicht zwei berühmte Leute an ihr teilgenommen hätten. Auf der britischen Seite war es ein achtzehnjähriger Leutnant namens John Moore, der später einer der Erfinder der Leicht-Infanterie Division war, die viel dafür tat, Napoleon zu schlagen, und der während der Schlacht um La Coruña starb. Auf der amerikanischen Seite war es Paul Revere, der als ein großer revolutionärer Held verehrt wird, der allerdings nach der Schlacht von einem Kriegsgericht wegen Feigheit und Unfähigkeit aus der Armee entlassen wurde. Nach Beendigung dieses Buches werde ich den nächsten Uthred schreiben, und danach? Ich weiß es noch nicht.

Histo-Couch: Vielen Dank für das Interview.

Das Interview führte Carsten Jaehner. Die Übersetzung machten Carsten Jaehner und Ursula Timmerbrink, mit herzlichem Dank!

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