Die Hebamme und die Hexenjäger

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2016
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  • Lübbe, 2015, Titel: 'The Witch Hunter's Tale', Originalausgabe
Die Hebamme und die Hexenjäger
Die Hebamme und die Hexenjäger
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Carsten Jaehner
851001

Histo-Couch Rezension vonApr 2016

Die Anfänge der Hexenjagd in York

York, 1645. Die Hebamme Bridget und ihre Gehilfin Martha müssen tatenlos mit ansehen, wie eine Freundin von ihnen als Hexe verbrannt wird. Die Hexenjäger sind in York eingezogen, und jeder hat das Recht, jeden der Hexerei zu bezichtigen, was natürlich nicht nur "echte" Hexen vor die Inquisition bringt, sondern auch unschuldige, vor allem aber Frauen, die sich in York nicht mehr sicher fühlen können.

Auf der Suche nach den Schuldigen, die die Hexenjagd zu verantworten haben, stößt Bridget nicht nur schnell auf den Bürgermeister und einige Ratsherren, die die Hexenjagd erst noch offizielle genehmigen müssen, sondern auch auf ihre Erzfeindin Rebecca Hooke, ebenfalls Hebamme, aber die Finger immer in unsauberen Geschäften und hierbei kurz davor, Mittel zu besitzen, Lady Bridget kaltstellen zu lassen.

Doch es kommt anders als gedacht, denn als der Freund von Bridget, George Breary, auf offener Straße erschlagen wird, ahnen sie und ihre Mitstreiter, dass sie auf dem richtigen Weg sind, obwohl sie einen guten Mann verloren haben. Doch das Blatt scheint sich zu wenden, als plötzlich Rebecca Hooke Lady Bridget eine Zusammenarbeit anbietet. Ist das eine Chance oder eine Falle? Lady Bridget bleibt nicht viel Zeit, rücken doch die nächsten Hinrichtungen näher.

Eingespieltes Ermittlerteam

Sam Thomas lässt seine Ermittlerin Lady Bridget Hodgson, deren Figur auf einer gleichnamigen historischen Hebamme beruht, bereits ein drittes Mal ermitteln und gönnt ihr dabei nur selten Ruhepausen. Sie und ihre Freunde, die bei ihr zum Teil mit im Haus leben und inzwischen zu einer Art eingeschworenen Gemeinschaft zusammengewachsen sind, sind in ihren eigenen vier Wänden sicher - noch, denn Bridget ist zwar eine Adelige, in deren Haus nur wenige tiefergestellte Personen einzudringen wagen, doch wenn man auf Hexenjagd ist, scheinen alle Gepflogenheiten ausser Kraft gesetzt.

Was immer für Eindruck sorgt und wofür die Reihe um Lady Hodgson jedes Lob verdient, sind die Sequenzen, wenn Sie und ihre Gehilfin Martha wieder zu einer Geburt gerufen werden. Das sind zum Teil Frauen, denen Bridget schon bei mehreren Kindern geholfen hat, zum Teil aber auch neue, die Bridget rufen, wie sie einen guten Ruf hat oder einfach, weil sie räumlich dem Kindsbett am nächsten ist. In diesen Situationen ist man immer in einer ganz anderen Welt als in der der Hexenverfolgung und man mag eigentlich ein wenig durchatmen wollen, wenn nicht hier Freud und Leid so eng beieinander liegen würden.

Freud und Leid des Hebammenberufs

So lernt man als Leser den Beruf der Hebamme aus nächster Nähe kennen, die Sitten, Gebräuche und Rituale. Die Nachbarinnen sind im Geburtsraum anwesend, die Hebamme muss wissen, wer der Vater des Kindes ist, der Vater wartet vor der Tür darauf, dass er informiert und geholt wird. Dass dies ein anstrengender Beruf war und ist, lässt sich aus den Schilderungen, die sehr eindrückliche geraten sind, mehr als erahnen, und der Leser ist in Freud wie in Leid gemeinsam gefangen mit allen Beteiligten.

Und wenn Bridget dann wieder vor die Tür geht, lauert hinter jede Ecke die Inquisition. Diese spannende Mischung ist dem Autor mehr als gelungen, weiß man doch nie, ob nicht auf der nächsten Seite jemand aus Bridgets Umkreis das nächste Opfer ist und damit alles bisherige in eine neue Dimension bringt.

Intensive und dramatische Ereignisse

Nachdem die Ereignisse aufgeklärt sind, was beileibe nicht einfach war, ist nichts mehr wie zuvor. Da auch Bridget Schuld auf sich geladen hat, liegt die Frage nach den Konsequenzen nahe. Niemand in diesem Roman ist ohne Fehl. Die Zeit, die Umstände, die Gesetze zwingen einen gelegentlich zu Dingen, die zwar nicht richtig, aber notwendig sind, und wer den ersten Stein wirft, das ist hier gar nicht mehr die Frage, sondern eher, ob man das Urteil annimmt und sich letztlich fügt. Das Romanende ist sehr moralisch und sehr bewegend, aber konsequent und man darf auf den vierten und bislang letzten Teil der Reihe gespannt sein, wie sich das Leben von Bridget und ihren Freunden weiterentwickelt. Der Roman kann zwar ohne seine beiden Vorgänger gelesen werden, empfehlenswert wäre jedoch trotzdem deren Lektüre. Lohnenswert ist es allemal.

Sam Thomas bietet in seinem Roman einen intensiven Blick in Zeit und Lebensweise in York und England in der Mitte des 17. Jahrhunderts. Nicht nur die Darstellung des Berufs der Hebamme in allen Facetten, sondern auch die Zeit an sich mit der Hexenverfolgung, die man hervorragend in ihren Anfängen beobachten kann, werden intensiv geschildert. Wenn der Stein mal losgetreten ist, rollt er, und er nimmt alles mit, was ihm im Weg liegt. So kann man sich als Leser fühlen, der von den Ereignissen überrollt wird und dem nur wenige Atempausen vergönnt sind. Spannend und dramatisch bis zur letzten Seite. Empfehlenswert.

Die Hebamme und die Hexenjäger

Sam Thomas, Lübbe

Die Hebamme und die Hexenjäger

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