Cornelia Haller

„Manchmal tut es weh“

05.2012 Die Histo-Couch im Interview mit Cornelia Haller über Hexen, Heilkräuter und Martin Walser.

Histo-Couch: Sie haben Luzia mit mystischen Fähigkeiten ausgestattet. Weshalb?

Cornelia Haller: In dem Moment, in dem Luzia „geboren“ wurde, wusste ich, dass das sein muss. Sie brauchte diese Fähigkeiten. Auch war mir sofort klar, dass Luzia rotes Haar haben muss, das Funken sprühen kann und dass ihre Haut sehr weiss ist. Dazu gehörten natürlich auch die blauen Augen.

Histo-Couch: Welchen Bezug haben Sie zu Hexen?

Cornelia Haller: Für mich sind das ganz weise Frauen, die mit den Elementar-Geistern in Verbindung stehen. Heute sind es vor allem auch ältere Frauen, bei denen das zu beobachten ist.

Histo-Couch: Eine Ihrer Stärken ist das Beschreiben von bedrückenden, schmerzvollen Szenen. Nimmt sie das mit?

Cornelia Haller: Ja, es tut weh. Manchmal war regelrecht das Gefühl von Todesangst mit der Vorstellung einer entsprechenden Szene verbunden. Für mich ist die Szene im Verlies eine der stärksten Passagen im Buch. Sie stand auch schon von Anfang an fest. Ich habe aber immer versucht, mich nicht ganz so intensiv in diese negativen Gefühle hinein zu steigern.

Histo-Couch: Wo ist für Sie ein Punkt erreicht, an dem Sie sagen: Stopp, bis hierhin aber nicht weiter?

Cornelia Haller: Dieser Punkt ist für mich sehr sehr weit, ich bin noch längst nicht daran gestossen. Einige Szenen sind mir nahe gegangen. Das wollte ich aber auch so. Die Geschichte soll unter die Haut gehen. Aber ich wollte sie nicht einfach so im Raum stehen lassen. Gerade die Geburten sind ja zunächst alle positiv ausgegangen.

Histo-Couch: Aber bei den Folterszenen geht es doch recht zur Sache …

Cornelia Haller: Ich habe selbst die Folterszenen gegenüber der Realität stark zurück gebunden und entschärft. Hätte ich geschrieben, wie es sich beim Foltern in Wirklichkeit zugetragen hat, wäre Luzia so stark verstümmelt worden, dass sie sich davon nie mehr hätte erholen können.

Histo-Couch: Während sie über Seefelden in lichten, freundlichen Farben berichten, hat Ravensburg stellenweise einen düsteren Charakter bekommen. Was verbindet Sie mit dieser Stadt?

Cornelia Haller: Ravensburg war die Keimzelle der Hexenverfolgung. In Ravensburg hat der Kaplan bereits in einem Unwetter das Werk von Hexen gesehen und die Bevölkerung hat sich leicht von diesem Glauben anstecken lassen. Auch in Wirklichkeit hatte der Kaplan den Inquisitor Heinrich Kramer in die Stadt kommen lassen, weil es in der Stadt eine Hexe gebe.

Histo-Couch: Zwischen Kaplan Grumper und Luzia herrscht ein besonderes Verhältnis. Es scheint, dass es Grumper besonders viel Freude bereitet, das Kind und später die junge Frau zu drangsalieren.

Cornelia Haller: Grumper empfindet eine besondere Form von Hassliebe für Luzia. Ihre Widerworte fordern ihn heraus. Er weiss, dass sie eine kluge Frau ist und das macht sie gefährlich. Frauen sind zu jener Zeit dazu da, den Haushalt zu besorgen und Kinder zu gebären. Dazu kommt, dass in dieser Zeit die Pflanzenheilkunde gerne als Teufelswerk verschrien wird und im Prinzip nur von der Geistlichkeit in den Klöstern betrieben werden soll. Denn das Heilen ist einzig Gottes Angelegenheit. Luzia aber will sich diesem Bild nicht unterordnen und stellt damit die göttliche Ordnung in Frage.

Histo-Couch: Welchen Bezug haben Sie selber zur Kirche?

Cornelia Haller: Ich hatte gar keinen Bezug. Aber ich glaube auf jeden Fall an Gott. Wenn man die Natur beobachtet, hat man gar keine andere Möglichkeit. Man findet darin überall eine Weltenseele. In meinen Augen ist das kein Widerspruch: Schon die alten Religionen sahen die Geisterwelt im Zusammenhang mit den vier Elementen.

Histo-Couch: Sie haben Luzias Familie sehr unterschiedlich dargestellt. Während ihre Tante und ihr Onkel als liebenswürdige Menschen charakterisiert werden, ist deren Schwester Anna, Luzias Mutter, eine unzufriedene, gehässige Person. Weshalb dieser Unterschied?

Cornelia Haller: Das kommt oft vor in einer Familie, dass jemand ganz aus der Art schlägt. Ich selber kenne solche Geschwister-Konstellationen. Anna wollte ihr Kind nicht. Das war eine wichtige Voraussetzung für Luzias Entwicklung.

Histo-Couch: Gibt es Menschen, die sich in Ihren Figuren wiedererkennen könnten?

Cornelia Haller: Natürlich habe ich einzelne Eigenschaften von Menschen, die ich kenne, meinen Charakteren zugeschrieben. Aber es gibt niemanden, der sich jetzt in der einen oder anderen Figur klar erkennen könnte, nein.

Histo-Couch: Wie sind Sie dazu gekommen, einen historischen Roman zu schreiben?

Cornelia Haller: Ich könnte niemals einen Roman schreiben, der in der Zukunft spielt. Die Geschichte hat mich immer fasziniert, vor allem das Mittelalter. Da war so viel Macht bei einzelnen konzentriert, nur wenige Menschen konnten lesen und schreiben. Sie mussten einfach glauben, was die Kirchenleute oder die Adligen ihnen sagten. Ich finde es spannend, diese Situation einzufangen und in einem Roman umzusetzen.

Histo-Couch: Einen Roman zu schreiben ist eine Sache, einen Verleger dafür zu finden, eine ganz andere. Wie haben Sie das gemacht?

Cornelia Haller: Mein Mann führt ein IT-Unternehmen, bei dem Martin Walser Kunde ist. Eines Tages kamen die beiden ins Gespräch und mein Mann erwähnte, dass ich auch schreiben würde. Daraufhin bot mir Martin Walser an, ihm ein paar Seiten zu schicken, damit er sie sich mal ansieht. Als mein Mann anrief und mich fragte, ob ich das möchte, war ich ganz hingerissen. Einer der grössten Schriftsteller Deutschlands bot mir an, einen Blick auf mein Manuskript zu werfen. Ich war ganz hingerissen und habe die vorgeschlagenen 50 Seiten sofort geschickt. Ehrlich gesagt habe ich nicht damit gerechnet, danach noch mal etwas von Martin Walser zu hören. Aber drei Tage später rief mich Martin Walser an und sagte, er habe die 50 Seiten gelesen und finde die Geschichte schön. Das hat es mir leichter gemacht, mein Manuskript dem Verlag anzubieten.

Histo-Couch: Als das Buch dann auf dem Verkaufstisch landete, fürchteten Sie sich vor der Reaktion der Öffentlichkeit?

Cornelia Haller: Angst hatte ich nicht. Es war ein ganz grosser Moment für mich. Sein eigenes Buch in Händen zu halten, ist ein besonderes Gefühl. Aber es war auch ein Gefühl der Leere, hatte ich meine Figuren doch loslassen müssen. Ich kam mir vor wie eine Mutter, die ihr Kind in die Welt hinaus ziehen lassen muss: Ich habe das Kind bis zu diesem Moment gross gezogen und erzogen, nun musste es seinen Weg alleine gehen. Das Gefühl, dass es jetzt von anderen beurteilt wird, flösst Respekt ein, ist aber auch spannend.

Histo-Couch: Welche Reaktionen gab es?

Cornelia Haller: Fast nur positive. Einen einzigen Brief habe ich bekommen, der nicht so angenehm war. Für mich ist es wichtig zu erfahren, weshalb mein Buch vielleicht nicht gefällt. Daran kann ich wachsen.

Histo-Couch: Wie muss ihre Umgebung sein, damit Sie sich beim Schreiben wohl fühlen?

Cornelia Haller: Es muss ruhig und warm sein. Ich habe ein Schreibkämmerchen, das ist mein hauptsächlicher Arbeitsplatz. Sobald es aber warm genug ist, stelle ich mir einen Stuhl auf den Balkon, der direkt auf den Bodensee hinaus geht und nutze diese Atmosphäre um zu schreiben.

Histo-Couch: Sie leben in einem kleinen Haus am Bodensee und haben einen kleinen Garten. Wachsen da auch Heilkräuter?

Cornelia Haller: Ja, natürlich. Sobald es warm genug ist, habe ich Lavendel und Rosmarin in der Blumenkiste auf dem Balkon und Heilkräuter im Garten hinter dem Haus. Ich mag Heilkräuter unheimlich gerne.

Histo-Couch: Eine Gemeinsamkeit mit Luzia also. Haben Sie auch eine Katze?

Cornelia Haller: Leider nicht mehr. Aber wir tragen uns mit dem Gedanken wieder eine zu kaufen. Ich bin mit Katzen gross geworden. Allerdings hatte ich leider noch nie eine schwarze Katze, auch wenn ich sehr gerne eine solche hätte.

Das Interview führte Rita Dell’Agnese.

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