Gabrielle Alioth

„Wenn man Bücher schreibt, ist man irgendwie allmächtig“

03.2011 Die Histo-Couch im Interview mit Gabrielle Alioth über Kaiserin Theophanu, Recherchen über das 10. Jahrhundert und ihren Umgang mit Kritik.

Histo-Couch: Frau Alioth, mit „Die Braut aus Byzanz“ und „Die griechische Kaiserin“ legen Sie zwei historische Romane um Kaiserin Theophanu vor. Wieso wählten Sie gerade diese Herrscherin?

Gabrielle Alioth: Wenn man schreibt, beginnt man immer bei sich selber. Mich fasziniert es, wenn unterschiedliche Welten aufeinander treffen. Theophanu war noch ein sehr junges Mädchen, aber gut ausgebildet und auf ihre Rolle als Prinzessin vorbereitet, als sie in den Westen kam. Dort wurde sie mit einer völlig anderen Kultur konfrontiert, als diejenige, in der sie groß geworden ist.

Histo-Couch: Sie sagten, dass man auch über sich selber schreibt …

Gabrielle Alioth: Ich lebe selber zwischen zwei Welten, teils in Irland und teils in der Schweiz. Deshalb kenne ich diese Situation gut und kann mich hinein fühlen.

Histo-Couch: Obwohl Theophanu durch ihre Heirat mit Otto in eine wesentlich weniger gut entwickelte Kultur in eine recht derbe Gesellschaft kam, setzte sie sich gemäß Ihren Büchern intensiv mit ihrer neuen Aufgabe auseinander …

Gabrielle Alioth: Mit Theophanu verbunden ist eine unglaublich spannende Liebesgeschichte. Nicht jede Liebesgeschichte lässt sich so gut erzählen. Hier handelt es sich sogar um eine arrangierte Hochzeit, und dennoch um eine intensive Liebesgeschichte.

Histo-Couch: Ihre beiden Bücher stellen zwar Theophanu in den Mittelpunkt, Sie lassen aber auch andere, sehr starke Charakteren auftreten.

Gabrielle Alioth: Ich habe mich mit der ganzen Situation an diesem Hof intensiv beschäftigt. Es war ein Cocktail der verschiedensten Charaktere und es wurden viele Intrigen gesponnen. Eine sehr starke Figur war beispielsweise Adelheid.

Histo-Couch: Das zehnte Jahrhundert gehört ja nicht gerade zu den Epochen, die bei den historischen Romanen stark vertreten sind. Wieso fasziniert Sie gerade diese Zeit so stark?

Gabrielle Alioth: Vor dem Roman über Theophanu habe ich einen Roman über Angelica Kauffmann geschrieben, also über das 18. Jahrhundert. Über diese Zeit gibt es eine Fülle von historischen Quellen. Und dann muss man irgendwann sagen, dass man einfach nicht alles über Goethe lesen kann, was es über ihn zu lesen gibt. Über das 10. Jahrhundert gibt es wesentlich weniger Material, auch wenn man noch erstaunlich viel weiß. Heute sind sogar einige Quellen über Internet zugänglich. Als ich mit der Recherche begann, habe ich das Material in der Universitätsbibliothek Basel zusammen gesucht. Tatsächlich weiß man aber noch sehr genau, wo der Kaiser wann war und so konnte ich mich einfach entlang der Chronologie bewegen.

Histo-Couch: Konnten Sie sich alles vorstellen, was Sie beschrieben haben?

Gabrielle Alioth: Ich bin an jedem einzelnen Schauplatz gewesen, der in meinen Büchern vorkommt. Auch dann, wenn aus dieser Zeit, über die ich schreibe, nichts mehr erhalten ist. Ich wollte spüren, wie der Himmel über dieser Gegend ist.

Histo-Couch: Wie gehen Sie mit Lücken in den Quellen um?

Gabrielle Alioth: Mein Glück ist, dass ich keine Historikerin bin, sondern Schriftstellerin. Dort, wo die Historiker mangels eindeutiger Quellen nicht mehr weiter kommen, darf ich als Schriftstellerin etwas erfinden, das die Geschichte komplett macht. Das heißt, dass ich Lücken mit Fiktion füllen kann.

Histo-Couch: Wenn Sie von Fiktion sprechen – wie verbürgt ist die Figur des Stephanos, der in beiden Romanen als Berater von Theophanu eine wichtige Rolle spielt?

Gabrielle Alioth: Stephanos ist reine Fiktion. Ich wollte eine Figur schaffen, die länger als Theophanu am Hof in Byzanz lebte und deshalb mehr von der Kultur mitbekommen hat. Als Eunuche und Astrologe bringt Stephanos zudem verschiedene spannende Elemente in die Geschichte ein. Und er hat mir erlaubt, ein wenig zu salbadern und Rückschauen zu halten, die Theophanu so nicht hätte halten können.

Histo-Couch: In „Die griechische Kaiserin“ taucht eine weitere Person als Erzählerin auf, die Hebamme und spätere Kinderfrau des kleinen Prinzen, Martje …

Gabrielle Alioth: Auch sie ist Fiktion, gab mir aber die Möglichkeit, Rückschau auf Ereignisse zu halten, die im ersten Band vorgekommen sind. Das zweite Buch soll schlüssig sein, auch wenn man „Die Braut aus Byzanz“ nicht kennt. Durch Martje habe ich die Möglichkeit bekommen, zu rekapitulieren.

Histo-Couch: Es ist immer wieder zu hören, dass die Verlage sich vor allem auf historische Romane konzentrieren, die im Mittelalter spielen. Ihre Romane entsprechen diesem Bild nicht so ganz. Hatten Sie nie Probleme damit, dieses Manuskript unterzubringen?

Gabrielle Alioth: Nein. Ich musste eine Geschichte vorlegen, die gut ist. Da spielte der Punkt, in welcher Epoche sie spielt, kaum eine Rolle.

Histo-Couch: Was empfindet man, wenn eine Geschichte zu Ende erzählt ist?

Gabrielle Alioth: Es ist ein seltsames Gefühl, wenn ein Buch fertig geschrieben ist. Es ist eine Türe, die sich schließt. So, als würde man sich von einem liebgewonnenen Freundeskreis verabschieden.

Histo-Couch: Fällt es schwer, diesen Freundeskreis der Kritik eines breiten Publikums auszusetzen?

Gabrielle Alioth: Mit der Kritik ist es halt so eine Sache. Es ist fast am schwierigsten, mit einer durchwegs positiven Kritik umzugehen. Man hat das Gefühl, dass man dies nie wiederholen kann. Das kann auch Druck bedeuten. Eine wirklich gute Kritik ist, wenn der Kritiker mitdenkt und die Schwachstellen eines Buches aufzeigt und erklärt. Dann gibt es natürlich auch Leute, die eigentlich ein anderes Buch lesen wollten und deshalb mit der Geschichte nicht glücklich sind.

Histo-Couch: Lesen Sie alle Kritiken über Ihre Bücher, die Sie entdecken?

Gabrielle Alioth: In der Regel lese ich jede Kritik nur ein einziges Mal. Dann, wenn ich sie irgendwo entdecke oder von jemanden darauf hingewiesen werde. Oft macht der Verlag mich darauf aufmerksam, dass eine neue Kritik erschienen ist.

Histo-Couch: Tun Kritiken auch weh?

Gabrielle Alioth: Wenn ein Buch erscheint, habe ich es rund ein Jahr vorher abgeschlossen. Das heißt, ich stecke bereits in einer neuen Geschichte drin. Das hilft auch, mit negativen Kritiken umzugehen. Man ist nicht mehr ganz so nah an den Figuren dabei.

Histo-Couch: Also sind Sie auch bereits an der Arbeit für einen neuen historischen Roman?

Gabrielle Alioth: Ja. Es geht darin um Manuel Chrysoloras. Eine Leserin hat mich auf ihn aufmerksam gemacht und je mehr ich über ihn in Erfahrung bringe, desto mehr fasziniert mich diese Figur. Ich bin aber noch nicht ganz so weit mit den Recherchen, dass ich mehr darüber sagen kann. Die letzten Monate habe ich viele kleinere Sachen gemacht, die meine Kapazität gebunden haben.

Histo-Couch: Aber dem Schreiben bleiben Sie treu?

Gabrielle Alioth: Das Schreiben ist meine Leidenschaft. Es gibt nichts, was ich lieber mache. Ich empfinde es als ein absolutes Privileg, schreiben zu können. Auch wenn ich davon nicht leben kann. Viele Leute glauben, dass Schreiben vor allem eine Frage der Disziplin ist. Ich brauche Disziplin, um meinen Abwasch zu erledigen. Wenn man Bücher schreibt, ist man irgendwie allmächtig. Man entscheidet über das Schicksal seiner Figuren. Das ist ein unglaublich gutes, aber auch gefährliches Gefühl.

Histo-Couch: Sehen die Menschen in Ihnen eine „normale“ Frau oder eine Schriftstellerin?

Gabrielle Alioth: Es ist für mich von Vorteil, dass ich in Irland lebe und die Leute dort nicht lesen können, was ich schreibe. Sie wissen, zwar, dass ich etwas schreibe, aber nicht was. Also bin ich für sie eine „normale“ Frau. Aber man verändert sich durch das Schreiben trotzdem. Alles, was man erlebt und sieht wird automatisch darauf geprüft, ob man es für einen Roman verwenden könnte. Das hat den Vorteil, dass man, wenn einem etwas Schreckliches widerfährt, sagen kann, man könne später wenigstens ein gutes Buch darüber schreiben. Es ist auch eine Sucht. Manchmal finden andere Menschen das schwierig, wie man mit solchen Situationen umgeht. Besonders dann, wenn man Trost darin findet, zu schreiben, anstatt zu reden. Indem man Sachen benennt, verlieren sie auch den Schrecken.

Das Interview führte Rita Dell´Agnese.

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