Regina Gärtner

„Schreiben ist harte Arbeit, aber ich liebe es“

12.2013 Regina Gärtner in Interview mit der Histo-Couch über Deutsche Kolonialgeschichte, die Schriftstellerei und Leserunden.

Histo-Couch: Bücher über Auswanderer und ihre Abenteuer sind ja im historischen Bereich momentan sehr beliebt, allerdings sind die deutschen Kolonien kaum Handlungsort. Was hat Sie gereizt, Ihre Geschichte in „Unter dem Südseemond“ in Deutsch-Samoa anzusiedeln?

Regina Gärtner: Die deutschen Kolonien sind seit knapp zwanzig Jahren ein Thema, was mich zunehmend mehr interessiert hat. Man schaut mal hier eine Doku, liest dort einen Artikel. Dann hab ich die ersten Sach- und Fachbücher gekauft. Die Vorstellung, Deutschland in der Fremde, ob nun Afrika, Asien oder in der Südsee zu finden, hat mich fasziniert. Deutschlands Kolonialgeschichte ist ja eher kurz und bescheiden, und dennoch unglaublich spannend. Dass der Handlungsort Samoa – die Perle der Südsee, wie man sie damals nannte – wurde, hat dann etwas mit der gezielten Recherche zu tun, die ich für das Buch betrieben habe. Hier gab es am ehesten die Verbindung nach Australien, die ich gerne wollte. Und mit keiner Kolonie verbindet sich diese träumerische Vorstellung von türkisblauem Meer, weißen Palmenstränden und wunderschönen Menschen mehr als mit Samoa. Gleichzeitig war hier aber ein großer Handelsposten und es gab die Briten und Amerikaner, die ebenfalls Anspruch auf die Inseln erhoben. Also, die idealen Voraussetzungen für einen Roman, der sowohl idyllisch, als auch spannend werden sollte.

Histo-Couch: Die Geschichte wird hauptsächlich aus Almas Sicht erzählt, einer jungen weißen Frau. Wäre es nicht auch reizvoll gewesen, einen Teil der Geschichte aus samoanischer Sicht zu erzählen? Warum haben Sie sich dagegen entschieden?

Regina Gärtner: Das war tatsächlich eine sehr bewusste Entscheidung. In vielen der Auswanderersagas, in denen die Welt aus der Perspektive der Eingeborenen geschildert wird, finde ich gerade diesen Teil wenig überzeugend. Es kommt doch mehr oder weniger immer die Weltvorstellung eines Europäers zum Vorschein. Weil ich aber natürlich trotzdem etwas über das Leben der Samoaner erzählen wollte, habe ich die Figur von Joseph geschaffen, einem alten Walfänger, der schon Jahrzehnte dort lebt. Eine Figur, die naturgemäß eine europäische Sicht hat, sich aber sehr gut auskennt mit den Sitten und Gebräuchen der Samoaner. Das empfinde ich als glaubhafter, und da es um Kolonialgeschichte geht, auch als konsequenter. Alma kommt 1899 auf die Inseln. Da leben schon seit gut fünfzig Jahren Europäer auf den Inseln. Es gab kein jungfräuliches Eingeborenenleben mehr.

Histo-Couch: Waren Sie selbst während der Recherche auf Deutsch-Samoa dort? Wie haben Sie sonst recherchiert?

Regina Gärtner: Bedauerlicherweise ist eine für das Frühjahr 2013 geplante Recherchereise nach Samoa ins Wasser gefallen, weil im Dezember 2012 ein heftiger Zyklon – wie im Roman auch – über die Inseln gefegt ist. Es wurde vieles zerstört, und im Januar kam die Meldung, dass dort Typhus ausgebrochen ist. Da haben wir (mein Mann und ich) dann Abstand von den Plänen genommen. Aber die Pläne sind nur aufgeschoben, nicht aufgehoben. Bei der Recherche am meisten geholfen haben mir Tagebücher und Reiseberichte von Südseereisenden der damaligen Zeit. Da es erstaunlicherweise drei (!) Fotostudios auf diesen kleinen Inseln gab (was wohl im Wesentlichen mit der Ablichtung von barbusigen Samoanerinnen zu tun hatte), gibt es viele Fotos aus dieser Zeit. Auch der Schriftsteller Robert Louis Stevenson (Die Schatzinsel; Dr. Jekyll und Mr. Hyde) hat dort seine letzten Jahre mit seiner Frau Fanny verbracht. Ihre Tagebücher waren mir eine unschätzbare Wissensquelle, um mich in das Leben und den Alltag auf den Inseln einzufinden.

Histo-Couch: Ihr Romandebüt war „Tödliche Schöpfung“, ein Kriminalroman. Warum haben Sie das Genre gewechselt. Was hat Sie im Vergleich zum Krimi am Historischen Roman gereizt?

Regina Gärtner: Ich war zwar lange im Krimigenre verhaftet, aber Ideen hatte und habe ich für alle möglichen Genres. Ich glaube, alles was ich gerne lese, könnte potenziell auch zu meinem Genre werden. Gleichzeitig gibt es sehr viele deutsche Krimiautoren. Der Markt ist dicht, man kommt schwer rein. Außerdem hatte ich schon lange die Idee, einen Roman zur deutschen Kolonialgeschichte zu schreiben. Dieses Thema war immer ein Steckenpferd von mir. Es war nicht so, dass ich dachte, ich muss jetzt mal das Genre wechseln. Eigentlich ist mir eher durch die Romanidee das Genre zugefallen.

Histo-Couch: War es schwierig, für Ihr Manuskript zuerst eine Agentur und dann darüber einen Verlag zur Veröffentlichung zu finden?

Regina Gärtner: Tatsächlich habe ich mit dieser Romanidee sofort eine Agentur gefunden, was mir in all den Jahren mit meinen Krimimanuskripten nie gelungen ist. Wir haben zusammen an dem Projekt gearbeitet, und dann wurde es an acht große Publikumsverlage verschickt. Die Rückmeldungen waren durchweg positiv, aber dann hat Heyne als Erster reagiert und ein unwiderstehliches Angebot gemacht, bevor noch jemand anderes zum Zuge kommen konnte.

Histo-Couch: Sie haben sich 2008/2009 als Schriftstellerin und als Projektmanagerin für Fachverlage selbständig gemacht. Haben Sie diesen Schritt schon einmal bereut? Mit der Selbständigkeit geht ja auch immer ein gewisses Maß an Unsicherheit einher.

Regina Gärtner: Bereut wäre tatsächlich zu stark ausgedrückt, aber ich habe oft überlegt, ob es wirklich die richtige Entscheidung war. Ja, die Unsicherheit ist groß und bleibt auch groß. T. C. Boyle wurde mal gefragt, ob er jungen Menschen dazu raten würde, ihrem Traum zu folgen und Schriftsteller zu werden. Er antwortete: Nur wenn sie aus einer wohlhabend Familie stammen. Und das ist die Realität, der sich bis auf wenige Bestsellerautoren – von denen es in Deutschland ja noch weniger als in den USA gibt – jeder Autor stellen muss.

Histo-Couch: Was fasziniert Sie am Schreiben?

Regina Gärtner: Lesen und Schreiben sind für mich Lebenselixier. Ich könnte mir nur schwer vorstellen, etwas anderes zu machen. Ich habe Germanistik studiert, weil mich Literatur immer angesprochen hat. Und ich habe danach immer in Berufen gearbeitet, in denen ich viel schreiben musste – Presse- und Werbetexte. Schreiben muss man lernen, so wie man in anderen Berufen auch die Techniken lernen muss. Und man muss viel üben, um besser zu werden, wie ein Musiker, der sein Instrument beherrschen will. Schreiben ist harte Arbeit, aber ich liebe es, wenn ich einen fertigen Text in der Hand halte, mit dem ich zufrieden bin.

Histo-Couch: Wie organisieren Sie Ihren Schreiballtag?

Regina Gärtner: Da ich hauptberuflich schreibe, habe ich natürlich den Vorzug, dass ich wirklich jeden Morgen mit einer großen Kanne Kaffee am Schreibtisch sitzen kann. Dann geht es los mit Mails checken, Facebook und Co. Das klaut mir oft viel Zeit, aber dann, wenn ich erst einmal in einen Text vertieft bin, holt mich da auch so schnell nichts mehr raus.

Histo-Couch: Als „Unter dem Südseemond“ erschien, haben Sie sicherlich mit Spannung auf die erste Rezension gewartet. Was hat überwogen: Die Vorfreude oder die Sorge, wie sie wohl ausfallen wird? Schließlich weiß man nie so genau, wie das Buch beim Leser ankommen wird.

Regina Gärtner: Beides. Ich konnte es kaum erwarten, und hatte natürlich Sorge, wie sie ausfallen würde. Die erste Rezension einer Bloggerin stand unglaublich schnell online. Sie hatte das Buch praktisch übers Wochenende ausgelesen und sofort ihre Bewertung geschrieben. Im Moment bin ich sehr glücklich, weil ich wirklich richtig gute und auch aussagekräftige Rezensionen erhalte. Ich finde das sehr hilfreich, wenn die Leute wissen, was sie erwartet.

Histo-Couch: Anfang Januar wird eine Leserunde zu „Unter dem Südseemond“ auf der Histo-Couch stattfinden, die Sie begleiten werden. Was erwarten Sie von dieser Runde? Warum möchten Sie sie begleiten?

Regina Gärtner: Ich finde Rückmeldungen von Lesern einfach sehr aufschlussreich. Es gibt doch kaum etwas Wertvolleres, als neutrale Leser, die weder mit mir befreundet sind, noch mit mir in Konkurrenz stehen und einfach ihren Leseeindruck wiedergeben. Was gefällt ihnen? Was nicht? Gab es Stellen, über die sie gestolpert sind? Habe ich alles hinreichend erklärt? Da sammeln sich die – hoffentlich nur kleinen – Kritikpunkte, die man für das nächste Projekt beherzigen sollte.

Histo-Couch: Können Sie uns schon etwas über Ihr nächstes Projekt verraten? Wird es eine Fortsetzung mit Alma und Ihrer Familie geben?

Regina Gärtner: Ja, ich denke, es ist Zeit, dass ich das Geheimnis preisgeben darf. Mein nächstes Projekt ist der Nachfolgeroman zu „Unter dem Südseemond“, der dann in Australien, aber auch weiter auf Samoa spielen wird. Geplanter Erscheinungstermin ist Frühjahr 2015.

Das Interview führte Birgit Borloni.

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