Günther Thömmes
„Über einen schlechten Menschen zu schreiben ist viel spannender als über einen guten“
07.2012 Günther Thömmes im Interview mit der Histo-Couch über das Bierbrauen, eBooks und Recherchen über unbekannte Personen.
Histo-Couch: Herr Thömmes, bis auf Ihr neuestes Buch handeln alle Ihre Romane vom Bier und vom Bierbrauen. Woher kommt Ihre Faszination für dieses Thema?
Günther Thömmes: Ich habe den Beruf des Brauers bzw. Braumeisters von der Pike auf gelernt. Und Bier ist ein faszinierendes Getränk mit einer langen, äußerst interessanten Historie.
Histo-Couch: Wollten Sie den Beruf des Bierbrauers schon immer ergreifen?
Günther Thömmes: Wenn man, wie ich, in einer Bierstadt aufwächst (Bitburg), dann liegt der Gedanke nahe, sich beruflich mit Bier zu beschäftigen. Die Entscheidung, Brauer zu werden, habe ich aber erst relativ spät getroffen, nach Abitur und Wehrdienst.
Histo-Couch: Auf Ihrer Website findet sich eine Auswahl der Biere, die Sie in Ihrer eigenen Brauerei brauen. Darunter auch nicht ganz alltägliche Sorten wie z.B. das Chili-Stout. Sind das alles Ihre eigenen Rezepturen und woher nehmen Sie Ideen dafür?
Günther Thömmes: Die Rezepturen sind fast alle meine eigenen Kreationen. Bei klassischen Biertypen, die ich mache (Pils, Weissbier, Ale etc.) sind es lediglich Nuancen, die den Unterschied zu Bieren der Großbrauereien ausmachen, aber es sind wichtige Nuancen. Die so genannten Kreativbiere sind schon komplexer. Das erfordert auch ein paar Tests und viel Fingerspitzengefühl. Beim Safranbier zum Beispiel war die Dosierung des Safran sehr schwierig, weil das Produkt sehr teuer ist (70 Euro pro Gramm). Da kann man sich keine Fehler erlauben. Bei historischen Bieren wie der Gose (ein mittelalterliches, leicht säuerliches Bier aus Goslar, mit Salz und Koriander) hatte ich Unterstützung von einem Braumeister aus Goslar, der schon länger Gose braut. Oder ich studiere alte Lehrbücher aus dem 19. Jahrhundert, wie bei meinem diesjährigen Osterbock „Delicateß-Bier 1852 English Burton Ale“. Ist aber alles sehr spannend und ich habe noch viele Ideen …
Histo-Couch: Deutschland ist ja ein Biertrinkerland mit dementsprechend vielen Brauereien, was in Österreich wohl ähnlich sein dürfte. Wie schwierig ist es, gegen die großen und bekannten Brauereien anzukommen?
Günther Thömmes: Ich lebe ja seit über 10 Jahren in Österreich, da ist die Situation tatsächlich ähnlich. Man muss sich seine Nische suchen, und es herrscht derzeit ein guter Trend in Richtung „handgebraute Biere“. Die Zahl der Biergourmets wächst Tag für Tag. Es gibt immer mehr Leute, die es satt haben, im Supermarkt immer nur die gleichen 10 – 20 Biermarken zu sehen, und die gerne mal was anderes probieren wollen. Ich sehe diese handgebrauten Biere auch lieber im Feinkostbereich als im Supermarkt oder Getränkegroßmarkt.
Histo-Couch: Was, würden Sie sagen, ist Ihr Erfolgsrezept? Was macht Ihre Brauerei so besonders und warum sollte man sich einen Besuch nicht entgehen lassen, wenn man in der Gegend ist?
Günther Thömmes: Zum einen ist meine Brauerei die kleinste hauptgewerbliche Brauerei Österreichs. Da kann man wirklich noch alles sehen, ich verstecke nichts. Und bei meinen Braukursen können die Leute direkt, hautnah in die Bierproduktion reinschnuppern. Näher ran geht nicht. Und eine Bierverkostung von 7 bis 10 verschiedenen Bieren, je nachdem, was verfügbar ist, mit Kommentierung, ist auch ein Erlebnis.
Histo-Couch: Wann kamen Sie auf die Idee, einen Roman zu schreiben?
Günther Thömmes: Als Mensch, der schon immer gerne und viel gelesen hat, habe ich irgendwann bemerkt, dass es viele Romane über die verschiedensten Berufe gibt, aber noch keinen über einen der ältesten Berufe der Welt: Den Bierbrauer! Also habe ich beschlossen, diese Lücke zu schließen. Das war so Anfang der 90er Jahre.
Histo-Couch: Wie lange hat es von der Idee bis zum fertigen Buch gedauert und hat es Zeiten gegeben, in denen Sie dachten, es würde nie fertig?
Günther Thömmes: Mit vielen langen Pausen hat es ca. 15 Jahre gedauert, bis der erste Bierzauberer-Roman fertig war. Provisorisch zumindest. Und selbst danach habe ich ihn noch 2-3-mal überarbeitet. Weil ich ja praktisch ohne Vorkenntnisse ein Buch geschrieben habe, war doch viel zu verbessern. Die folgenden Romane nahmen jeder so etwa 2 Jahre in Anspruch, weil doch enorm viel Recherche damit verbunden ist.
Histo-Couch: Dass das Bierbrauen in Ihren Romanen eine große Rolle spielt, ist nicht weiter verwunderlich. Was hat Sie aber daran gereizt, einen historischen Roman zu schreiben und die Handlung nicht etwa in der Gegenwart anzusiedeln?
Günther Thömmes: Bier hat eine unglaublich interessante Historie, viel spannender als die Gegenwart. Und man kann viel besser fabulieren. Außerdem habe ich mich schon immer sehr für Geschichte interessiert und daher versuche ich, die deutsche Biergeschichte in 4 Romanen aufzuarbeiten (Der 4. und letzte Roman fehlt noch, den habe ich derzeit in Arbeit).
Histo-Couch: Die Bierbrauerei ist ja nun kein alltägliches Thema in historischen Romanen. War es deshalb schwierig, einen Verlag zu finden oder war es vielleicht von Vorteil, „etwas anderes“ vorlegen zu können?
Günther Thömmes: Zuerst war es sehr schwierig, weil ich mich nicht auskannte im Verlagswesen und auch keine Kontakte hatte. Aber als ich den Gmeiner-Verlag erst einmal gefunden hatte, ging es recht leicht. Es passte dort genau in eine neue Reihe „Historische Krimis“, obwohl ich den Bierzauberer nicht als Krimi konzipiert hatte. Und der Erfolg gab dem Gmeiner-Verlag Recht: Der Bierzauberer ist derzeit in 6. Auflage raus, seit 2008!
Histo-Couch: Glückwunsch! Ihr neuester Roman „Der Papstkäufer“ hat allerdings nichts mit Bier zu tun, sondern handelt von Johannes Zink, der als Faktor für die Fugger gearbeitet hat. Wie sind Sie auf Ihn gestoßen und was hat Sie an ihm interessiert?
Günther Thömmes: Bei den Recherchen zu meinem zweiten Roman „Das Erbe des Bierzauberers“ bin ich über Herrn Zink gestolpert. Und egal, wo ich was über Jakob Fugger und seinen Handlanger gefunden habe, es war immer extrem negativ. Also habe ich mich ein wenig ins Thema vertieft und festgestellt, dass er zum Einen ein wirklich extrem schlechter Mensch war mit einem (weitgehend unbekannten) verheerenden Einfluss auf die Geschichte und, zum Anderen, noch niemand ein Buch über ihn geschrieben hatte. Also habe ich ihn mir als Projekt ins Regal gelegt und nach dem 3. Bierzauberer-Roman „Der Fluch des Bierzauberers“ habe ich mit dem Zink-Roman begonnen.
Histo-Couch: Wie sind Sie bei Ihren Recherchen vorgegangen, da ja nicht allzu viel über Johannes Zink bekannt ist?
Günther Thömmes: Zuerst habe ich mir alles über Jakob Fugger besorgt, was so allgemein verfügbar ist. Dann habe ich Kontakt mit der Fuggerstiftung aufgenommen. Die konnte mir zum Thema „Johannes Zink“ direkt zwar nicht weiterhelfen, haben mir aber eine gute Bücherliste mit weiterführender Literatur gegeben. Und da bin ich dann fündig geworden. Ganz besonders das Buch „Die Fugger in Rom“, ein älteres Werk, war eine tolle Fundgrube an gesicherten Tatsachen über Zink. Und das Buch gab es sogar gratis online (bei der Universität Toronto), da es aufgrund seines Alters inzwischen gemeinfrei ist. Im Internet habe ich noch weitere Spuren gefunden, wie z.B. ein Aktenvermerk vom Stift Göttweig von 1499, wo Zink als Fuggerfaktor in Rom erwähnt wird, während alle sonstige Literatur den Beginn von Zinks Arbeit in Rom nicht vor 1500 datiert hat. Dass nur so wenige Fakten bekannt sind, liegt aber auch daran, dass alle Akten der Fuggerbank in Rom aus der Zeit von 1500 bis 1525 vernichtet wurden. Ob absichtlich oder unabsichtlich, ist nicht bekannt. Aber es gab sicher ein paar Menschen, die ein vitales Interesse daran hatten, diese Akten nicht ihren Nachkommen zu überlassen.
Aber eigentlich ist das ja wunderbar, nicht zu viel über einen Menschen zu wissen, dann sind der Fantasie weniger Grenzen gesetzt. In der Fernsehserie „Die Borgia“ zum Beispiel habe ich sehr viel von meinem Roman-„Personal“ wieder getroffen, allerdings einige Jahre früher. Und dort wurde extrem viel fantasiert, aber auch historische Fakten übergangen oder verändert, das fand ich dann nicht so gut. Der „Kastanienball“ z.B., der in meinem Roman geschildert wird, fand ja wirklich statt, im Film wurde er glatt um 20 Jahre nach vorne geschoben. Das halte ich dann schon für fragwürdig, insofern habe ich mich bemüht, allen gesicherten Fakten auch treu zu bleiben, und nur drum herum zu spekulieren.
Histo-Couch: Zink ist ja nun nicht gerade ein sympathischer Charakter. Fällt es als Autor schwerer über so jemanden zu schreiben, als über jemanden, der nett ist? Wie haben Sie sich ihm angenähert?
Günther Thömmes: Über einen schlechten Menschen zu schreiben ist doch viel spannender als über einen guten. Zink war ein sehr abgründiger Mensch, der immer nur an seinen eigenen Vorteil gedacht hat und dafür buchstäblich über Leichen gegangen ist. Mit den Vorgaben, die er hatte, war die Fallhöhe enorm. Und das fasziniert uns doch immer schon an bösen, schlechten Menschen …
Histo-Couch: „Der Bierzauberer“ gibt es auch als Version für den Kindle und auch für „Der Papstkäufer“ ist eine solche geplant. Was halten Sie von ebooks? Würden Sie sie lesen?
Günther Thömmes: Ich besitze einen Kindle, aber so richtig angefreundet habe ich mich damit noch nicht. Ich lese damit eher Sachen, die es als Buch (noch) nicht gibt, z.B. Manuskripte, auch als Testleser für befreundete Autoren. Aber natürlich sind auch alle meine eigenen Werke mit drauf. Ebooks haben sicher eine große Zukunft, aber die derzeitige Vermarktung mit all ihren Facetten passt noch nicht. Sie sind zu teuer und die Autoren bekommen zu wenig Anteil. Und der ganze Begleitlärm dazu – ums Urheberrecht, dazu die fragwürdigen Forderungen der Piraten und anderer Netzjunkies, dass im Netz alles gratis sein soll -, gefällt mir derzeit überhaupt nicht. Da ist noch viel zu tun.
Histo-Couch: Wenn Sie nicht gerade Bier brauen oder schreiben, wie verbringen Sie Ihre Freizeit? Wie entspannen Sie sich?
Günther Thömmes: Ich habe eine tolle Familie (Frau und Sohn). Die Brauerei nimmt mich schon sehr in Anspruch, daher nutze ich die wenige Freizeit sehr intensiv. Musik hören, Motorrad fahren (wenn das Wetter mal passt), lesen, spielen, Internet surfen sind die Hauptbeschäftigungen. Wir reisen auch gerne, leider ist dazu derzeit zu wenig Zeit. Und nicht zu vergessen: Das Schreiben, denn auch das ist Hobby, weil die Verkaufszahlen zum Vollzeitautoren nicht ausreichen.
Histo-Couch: Lesen Sie privat viel? Und wenn ja, welches Genre am liebsten?
Günther Thömmes: Ich lese sehr viel, querbeet. Hauptsächlich Romane, Krimis, Thriller, Biographien und Sachbücher über Geschichte und Reisen.
Histo-Couch: Zum Schluss noch die Frage, ob Sie schon an einem neuen Projekt arbeiten und wenn ja, können Sie uns schon etwas darüber verraten?
Günther Thömmes: Ich habe mehrere Projekte in Arbeit. Den 4. Bierzauberer-Roman natürlich, angesiedelt im 19. Jhd., aber auch 1-2 Krimis. Aber jetzt muss ich erst mal helfen, den „Papstkäufer“ bekannt zu machen. Ich hoffe, dass es ein Erfolg wird …
Histo-Couch: Wir wünschen Ihnen dabei viel Erfolg und bedanken uns herzlich für das Interview!
Das Interview führte Birgit Borloni.
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