Helena Marten

„Wir wissen teilweise selbst nicht mehr, wer was geschrieben hat.“

05.2010 Die Histo-Couch im Interview mit Bettina Querfurth und Susanne Van Volxem alias Helena Marten über Porzellan, das gemeinsame Schreiben und Kritik am eigenen Roman.

Histo-Couch: Frau Querfurth, Frau Van Volxem, Sie haben gemeinsam einen Roman, „Die Porzellanmalerin“, geschrieben und dabei die Kunst des Porzellanmalens ins Zentrum gestellt. Wieso spielt gerade Porzellan die Hauptrolle in ihrem Roman?

Susanne Van Volxem: Meine Großmutter hat mir, vor bald 20 Jahren, ein Meißener Service vermacht, „Streublümchen“. Das hat viel in mir ausgelöst.

Bettina Querfurth: Ich habe schon immer für das 18. Jahrhundert geschwärmt. Und Porzellan ist ja die Kunstform des 18. Jahrhunderts. Da hat es sich fast angeboten, einen Roman darüber zu schreiben.

Histo-Couch: War es das Interesse am Porzellan, das den Wunsch auslöste, ein Buch darüber zu schreiben, oder war dieser Wunsch vorher da und das Porzellan war sozusagen die Erfüllung?

Bettina Querfurth: Wir wollten natürlich beide schon als Kind Schriftstellerinnen werden. Von daher könnte man sagen, dass das zuerst da war, aber erst als wir auf das Thema Porzellan stießen, hat es so gefunkt, dass wir tatsächlich zur Feder gegriffen haben.

Susanne Van Volxem: Wir haben auch einen besonderen Bezug zu diesem Thema, weil wir beide in Frankfurt wohnen und Höchst in der Nähe liegt.

Histo-Couch: Sie haben ja nicht nur Ihre nähere Heimat in den Roman eingebunden, sondern auch Meißen …

Bettina Querfurth: Meißen hat ja eine zentrale Stellung, wenn es um Porzellan geht. Wir waren ganz überrascht, als wir bei unseren Besuchen in der Höchster Porzellanmanufaktur festgestellt haben, dass sie Porzellanmalerin, die wir dort getroffen haben, auch aus Meißen stammt. Wie unsere Heldin. Dass das heute also immer noch so ist, dass Leute in Meißen ausgebildet wurden und dann in einen andere Manufaktur gehen.

Histo-Couch: Der Roman „Die Porzellanmalerin“ erschien zu einer Zeit, da sich einiges um Porzellan drehte …

Susanne Van Volxem: Als wir uns vor etwa drei Jahren an die Arbeit machten, war uns nicht bewusst, dass das Porzellanjahr, also das 300. Gründungsjahr der Meißener Manufaktur, 2010 anstehen würde.

Histo-Couch: Sie haben sich in Ihrem Buch der Malerei zugewandt, also einem anderen Prozess, als ihn die meisten anderen Autoren, die sich mit Porzellan beschäftigten, gewählt haben …

Bettina Querfurth: Uns hat mehr die Ästhetik interessiert. Das Schöne, die Farben, die Kunst. Und über die Erfindung des Porzellans gibt es unserer Meinung nach schon genug Romane.

Susanne Van Volxem: Das Malen ist auch eine sehr weibliche Kunst, und wir wollten eine Frau in den Mittelpunkt des Romans stellen.

Histo-Couch: War das nicht ein hoher Anspruch? Den Frauen war das Porzellanmalen damals ja gar nicht erlaubt.

Susanne Van Volxem: Erlaubt war es schon, aber für Frauen aus der besseren Gesellschaft war es eben undenkbar, dass sie einem Beruf nachgingen. Und unsere Heldin stammt aus einer bürgerlichen Familie und verliebt sich sozusagen in dieses schöne Handwerk.

Histo-Couch: Sie gehen in Ihrem Buch sehr detailliert, sehr feinfühlig auf die Porzellanmalerei ein und lassen die Begeisterung Ihrer Protagonistin spürbar werden. Malen Sie selber Porzellan?

Susanne Van Volxem: Nein, das Schreiben liegt mir wesentlich näher als das Malen.

Bettina Querfurth: Und natürlich sind wir beide große Leserinnen. Wir haben alles über das Porzellanmalen gelesen, haben uns u.a. auch ein Buch über die Kunst der Farben gekauft. Dabei sind wir nicht zuletzt auf Vincennes gestoßen, d.h. die Manufaktur des damaligen französischen Königs, die von seiner Mätresse Madame de Pompadour geleitet wurde – und diese Geschichte hat uns natürlich sehr fasziniert. Die Manufaktur in Vincennes wurde dann später nach Sèvres verlegt. Und wir haben den Malern in Meißen und Höchst immer wieder über die Schultern geschaut.

Histo-Couch: Sie haben „Die Porzellanmalerin“ zu zweit geschrieben. Wie funktioniert das?

Bettina Querfurth: Wir haben uns erst die Geschichte überlegt. Man redet dann immer wieder darüber, ändert sie ein paar Mal ab und irgendwann hatten wir die Story, mit der wir zufrieden waren. Geschrieben haben wir dann immer abwechselnd. Dann hat die jeweils andere überarbeitet und dann wieder die andere. Inzwischen wissen wir teilweise selbst nicht mehr, wer was geschrieben hat.

Histo-Couch: Sind Sie sich nie uneinig darüber gewesen, wie viel Gewicht einer Figur beigemessen wird?

Susanne Van Volxem: Jeder hat natürlich seine Lieblingsfiguren. Für mich war Giovanni beispielsweise sehr wichtig …

Bettina Querfurth: …ich dagegen konnte mit ihm nicht so richtig warm werden.

Susanne Van Volxem: Wir haben natürlich sehr viel über unsere Figuren geredet. Schwierig wird es immer dann, wenn die Figuren anfangen zu leben und sich selbst entwickeln. Und sie handeln dann manchmal ganz anders, als man es besprochen hat. Das muss man dann der Co-Autorin erstmal erklären, warum die Protagonisten sich auf einmal anders verhalten. Man könnte fast sagen, dass wir die Handlung auch noch mit unseren Hauptfiguren abstimmen mussten.

Bettina Querfurth: Wir haben vorher beide schon Bücher geschrieben und auf diese Weise Erfahrungen mit dem Schreiben gesammelt. Bei mir war es ein literarisches Sachbuch, „Sehnsuchtsorte. Wohin Schriftsteller uns entführen“, bei Susanne ein Buch über Kindernamen „No Name“. Aber an einen Roman hätten wir uns beide alleine nicht herangetraut. Davor hatten wir einen zu großen Respekt.

Histo-Couch: Was gab den Ausschlag, sich nun wirklich ans Schreiben zu setzen?

Susanne Van Volxem: Wir haben beide gesagt, dass wir es nun wirklich mal probieren sollten. Bettina hat dann kurz vor Weihnachten 80 Seiten Text geschrieben und mir weitergegeben. Ich war überrascht, wie gut dieser Text war, und habe über Silvester weitere 60 Seiten geschrieben. Danach haben wir es einer Freundin, die als Agentin in diesem Segment tätig ist, gegeben. Und die fand es auch gut. Das Entscheidende ist, wie bei so Vielem, dass man einfach anfängt und es mal ausprobiert.

Histo-Couch: Wieso haben Sie nicht unter Ihrer beiden Namen veröffentlicht?

Bettina Querfurth: Unsere Namen schienen uns zu lang und zu sperrig zu sein. Und ein gemeinsamer Name symbolisiert ja auch unsere Arbeitsweise. Deshalb haben wir uns für das Pseudonym „Helena Marten“ entschieden.

Histo-Couch: Sie traten mit ihrem Buch an die Öffentlichkeit und mussten auch hinnehmen, dass da und dort kritisiert wurde. Wie geht man damit um?

Susanne Van Volxem: Die Mehrheit der Reaktionen war zum Glück positiv, viele finden das Buch gut. Das hat uns natürlich gefreut.

Bettina Querfurth: Wenn man dann doch kritisiert wird, ist man natürlich verletzt. Und ich vermute, dass das allen Autoren so geht. Man fühlt sich missverstanden und würde am liebsten antworten. Das kann man aber nicht. Man ist sozusagen wehrlos. Als Lektorin/Agentin erzählen wir den Autoren immer, sie dürften Kritik nicht persönlich nehmen, ein Verriss sei nicht so schlimm. Aber als Autorin sieht man das ganz anders.

Histo-Couch: Werden wir in absehbarer Zeit wieder von Helena Marten lesen können?

Susanne Van Volxem: Ja, wir schreiben schon an unserem zweiten Roman. Verraten können wir aber nur, dass wieder eine Frau im Mittelpunkt stehen wird. Und dass wir dem 18. Jahrhundert treu bleiben.

Das Interview führte Rita Dell’Agnese.

Zeitpunkt.
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