Das Erlkönig-Manöver

  • Piper
  • Erschienen: Januar 2007
  • 5
  • Piper, 2007, Titel: 'Das Erlkönig-Manöver', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
741001

Histo-Couch Rezension vonAug 2007

Dichtkunst mit Höhen und Tiefen

Johann Wolfgang von Goethe und sein Freund Friedrich Schiller geraten im Weimar des Jahres 1805 in eine ausgemachte Wirtshausschlägerei. Ziemlich lädiert wird Goethe am anderen Morgen geweckt und zu Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach gerufen. Dieser hat für ihn einen ganz besonderen Auftrag: Er soll den eigentlichen, den wahren König von Frankreich aus einem Mainzer Gefängnis befreien - Ludwig XVII.

Goethe rekrutiert sich ein unglaubliches Team zusammen: Neben Schiller stoßen Alexander von Humboldt, Achim von Arnim und Bettine Brentano zu den beiden und gemeinsam hecken sie einen Plan aus, um den vornehmlichen Thronprätendenten aus seiner Haft zu befreien. Unterwegs schließt sich ihnen noch der junge Heinrich von Kleist an und so begibt sich die gesammelte deutschsprachige Dichterelite ins linksrheinische Frankreich, um ihren Auftrag zu erledigen.

Als das Vorhaben gelingt, sehen sie sich jedoch gezwungen sich zu verstecken, denn natürlich ist ihre Aktion nicht unentdeckt geblieben.

Dichter aus Fleisch und Blut

Mit einem Paukenschlag beginnt Robert Löhrs Roman, denn schon nach zwei Seiten haben Goethe und Schiller blaue Augen und werden somit von ihrem klassischen Sattel gestürzt. Löhr tut alles, um die deutschen Ikonen der Weltliteratur von ihrem Sockel zu holen und sie als normale Menschen aus Fleisch und Blut darzustellen. Mit viel Einfühlungsvermögen geht er vor und dabei erzählt er mit viel Humor und zeitlich angepasster Sprache eine unglaubliche Geschichte.

In der Sprache liegt dann auch die Stärke seines Romans. Immer wieder werden Zitate aus den jeweiligen Werken der Dichter in ihre Dialoge eingestreut, was einen hohen Wiedererkennungswert der Klassiker garantiert. So manche Wortgefechte werden zu Zitatgefechten und manchmal kommen auch handfeste Waffen dazu, denn nicht immer ist sich die illustre Schar einig. Doch amüsant zu lesen ist es allemal.

Die Atmosphäre der Zeit wird sprachlich gut einfangen und auch die Dichter unter sich werden klar voneinander charakteristisch abgegrenzt. Dies tun sie später allerdings auch noch ausreichend selbst, wenn ihre politischen und dichterischen Positionen zur Sprache kommen.

Schnell erlöschendes Feuerwerk

Leider flacht die Intensität der Handlung ungefähr nach der ersten Hälfte zusehends ab. War der erste Teil noch mit Spannung beladen und wurde dort ein launisches und witziges Feuerwerk abgebrannt, scheint der Autor sein Pulver doch bereits hier verschossen zu haben. Bis zur Befreiung des Thronfolgers macht es richtig Spaß, dieses Buch zu lesen, doch nun, wo Ruhe in die Gruppe einkehrt, bekommt die Erzählung einen Bruch.

Als sich die Gruppe im Kyffhäuser vor ihren Verfolgern verstecken muss, nachdem sie erfahren hat, dass ihre Kontaktperson auf der Wartburg ermordet wurde, beginnt ein eher philosophischer Teil, in dem die Ansichten der Anwesenden doch recht stark aufeinander prallen. Hier treten Wahrheiten und Lügen zutage, man sagt sich gegenseitig die Meinung und das Liebespaar Arnim/Bettine droht, auseinander zu brechen. Dies alles wird leider so sehr in die Länge gezogen, dass man zwischendurch beinahe das Interesse verliert. Vor allem fragt man sich, warum die sieben dort wochenlang sitzen, ohne dass sich irgendetwas tut. Keine Idee, das Buch tritt auf der Stelle, es geht nicht voran. Hier flacht das Buch fast bis auf den Grund ab und man sehnt sich mehr Handlung herbei.

Die Gruppe geht im Streit auseinander, einige fliehen um den Berg herum, andere werden, von den Verfolgern gezwungen, dazu genötigt, sich einen Weg durch den Berg hindurch zu suchen. Immerhin kommt damit die Handlung wieder in Fahrt, aber trotzdem ist nicht mehr so wie zu Beginn.

Abflachen der Spannung ab der Mitte

Durchsichtig ist auch das Schema, dass bereits verstoßene und geflohene Kameraden doch wieder auftauchen, um den anderen zu helfen. Dies geschieht ein ums andere Mal (nicht immer) und somit wird es auch mit jedem Mal weniger überraschend, sondern eher unwahrscheinlicher und damit auch langweiliger.

Auch das Ende bleibt unbefriedigend. Es bleiben doch zu viele Fragen offen - was ist mit dem Thronfolger, was wird aus Bettine und Achim, wo ist Humboldt abgeblieben? Dass sich letztlich der alte Mann Goethe als Actionheld erweist, wenn man so will, ist eher mit einem Schmunzeln hinzunehmen.

Nach einer starken ersten Hälfte wird das durchaus spannende Buch schnell schwächer und erst mit dem Tod Schillers kommt wieder etwas Bewegung in das Geschehen. Hier hätte man dramaturgisch geschickter vorgehen können und den Leser bei der Stange halten müssen. Wie unrealistisch das Ganze an sich ist, darum geht es gar nicht, es ist eine amüsante Geschichte, die einen vielleicht mal wieder zu den großen Klassikern der Weltliteratur greifen lässt. Ansonsten wird doch gerade in der Mitte des Buches zu viel geredet, da passiert einfach nichts. Das lag den Dichtern der damaligen Zeit vielleicht besonders im Blut, leider bringt es das Geschehen jedoch nicht voran. Sprachlich hervorragend und witzig, inhaltlich jedoch wechselhaft. Und der Leser ist so klug als wie zuvor.

Das Erlkönig-Manöver

Robert Löhr, Piper

Das Erlkönig-Manöver

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