Wie Gräser im Wind

  • Tinte & Feder
  • Erschienen: März 2019
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Wie Gräser im Wind
Wie Gräser im Wind
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Alexandra Hopf
771001

Histo-Couch Rezension vonJun 2020

Bedrückende authentische Erzählung

Noch führen die Deutschen, die 1930 auf der Krim leben, ein relativ gutes Leben. Doch die Angst der Leute wächst zunehmend. Immer öfter werden Menschen oft grundlos beschuldigt, Verbrechen gegenüber dem sowjetischen Volk begangen zu haben oder antisowjetische Propaganda verbreitet zu haben. Meistens taucht die Geheimpolizei nachts bei den Betreffenden auf. Dann bleibt ihnen nur wenig Zeit, das Nötigste zu packen und sie werden einfach fortgebracht. Die Familie des Dorflehrers Samuel Pfeiffer ahnt, dass es auch bei ihnen bald soweit sein könnte und daher brechen sie selbst in der Nacht auf, um zu seinem Bruder nach Armavir zu flüchten. Die befreundete Familie Scholz überlegt, es ihnen gleichzutun. Allerdings lebt aktuell noch die verwaiste sechsjährige Rita bei ihnen. Sie wollen nur warten, bis diese von ihrer Tante abgeholt wird. Doch soweit kommt es nicht. Auch bei ihnen poltert es nachts an die Tür. Nachdem sie eilig das Nötigste gepackt haben, werden sie auf Laster verfrachtet und zum Bahnhof gebracht. Dort werden sie mit zahllosen anderen Deutschrussen wie Vieh in Waggons geladen. Eine tagelange quälende Reise ins Ungewisse beginnt. Die Menschen gehen einem schrecklichen unmenschlichen Schicksal entgegen, welches viele mit dem eigenen Leben bezahlen müssen.

Schlimmes Schicksal von Russlanddeutschen

Ella Zeiss berichtet hier aus dem Leben ihrer eigenen Großeltern. Die Erzählung beginnt zu dem Zeitpunkt, wie beide als kleine Kinder der Familien Scholz/Pfeiffer zum ersten Mal  ihre Heimat auf der Krim verließen. Fortan berichtet die Autorin abwechselnd, wie es Yvo Scholz und Harri Pfeiffer ergangen ist. Das Buch umfasst dabei den Zeitraum der Jahre 1930 bis 1941. Der Punkt der Zeitgeschichte, wie schlecht es den damaligen Russlanddeutschen ergangen ist, wird oft vernachlässigt. Deshalb geht Frau Zeiss mit diesem Buch ein interessantes Kapitel der Geschichte an, welches sogar mit dem Deutschen Self Public Award 2018 ausgezeichnet wurde. Der Verlag Tinte und Feder hat dazu ein tolles Cover gewählt. Es zeigt eine Familie mit Gepäck in einer verschneiten Landschaft und im Hintergrund einen Zug. Damit ist das Thema des Buches treffend umschrieben.

Fast durchweg bedrückend und deprimierend

Die geschilderten Tatsachen machen den Leser sehr nachdenklich und sprachlos. Umso mehr, wenn man bedenkt, dass es sich hierbei um keine erfundene Geschichte handelt, sondern sie auf wahren Begebenheiten beruht. Man vermag es sich nicht vorzustellen, wie diese Menschen gelitten haben. Mehrfach haben sie alles, was sie sich aufgebaut haben, verloren. Die Angst war ein ständiger Begleiter. Bezeichnend für die damaligen Russlanddeutschen war ein unerschütterlicher Familienzusammenhalt. Das Thema an sich ist als Buch ein wahrer Volltreffer, aber leider gelingt es der Autorin nicht, es wirklich brilliant umzusetzen. Aufgrund von sprachlichen Schwächen wird es nur sehr oberflächlich erzählt. In der Erzählung hätte man sich dazu gern mehr Beschreibungen bezüglich der Gedankengänge von den Betroffenen gewünscht. Wie genau fühlten sich die Menschen, die weder zu den Deutschen noch zu den Russen gehört haben? Sie wurden entwurzelt und von da an fanden sie keine wirkliche Zugehörigkeit mehr. Das Schockierende dieser ganzen Situation ist offensichtlich. Das Leben dieser armen Personen hat nichts gezählt. Sie wurden wie Vieh behandelt und der Tod eines Einzelnen hat nichts bedeutet.

Sehr willensstarke Charaktere

Die Hauptprotagonisten sind die Angehörigen der Familie Scholz und Pfeiffer. Alle miteinander sind geprägt von einem wahnsinnigen Kampfgeist. Dafür kann man sie nur bewundern. Insbesondere Anna Scholz findet durch ihren Optimismus sehr schnell nach Tiefschlägen wieder zurück in die Spur. Nach der ersten Vertreibung kann sie relativ schnell den Schalter umlegen und versucht mit neuen Plänen das Beste aus der Situation zu machen. Durch die Harmonie in ihren Familien können sie ihren Kindern trotzdem eine, soweit möglich, behütete Kindheit bieten. Über die Charaktereigenschaften von Yvo und Harri, denen wir diese Geschichte ja verdanken, erfährt man eher wenig. Man darf aber hoffen, dass dies dann in Teil zwei geschieht, wenn beide älter sind. Wie schon erwähnt hätte es der Geschichte gut getan, wenn die gedankliche Ebene der Hauptpersonen etwas mehr Tiefgang gehabt hätte.

Fazit:

Aufgrund des Themas, welches eigentlich viel zu wenig Beachtung findet, trotzdem ein lesenswertes Buch. Schade, dass das Werk durch den eher einfachen Schreibstil einen Hauch von Trivialliteratur bekommt. Das Buch lässt einen in gedrückter nachdenklicher Stimmung zurück und regt an, selbst noch zu diesem Geschichtskapitel zu recherchieren.

Wie Gräser im Wind

Ella Zeiss, Tinte & Feder

Wie Gräser im Wind

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