Madame Piaf und das Lied der Liebe

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  • Erschienen: März 2019
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Madame Piaf und das Lied der Liebe
Madame Piaf und das Lied der Liebe
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Rita Dell'Agnese
921001

Histo-Couch Rezension vonAug 2019

Das Drama einer grossen Chanconnière

Ihr Start ins Leben ist schwer: die kleine Edith muss viel erdulden, ehe sie von ihrer Grossmutter in Obhut genommen wird – und sie in einem Bordell aufzieht. Zum jungen Mädchen herangereift, nimmt der Vater seine Tochter mit auf seine Tour durch Frankreich. Der Gesang der Kleinen bringt ihm genügend Geld ein, um seinen Alkoholkonsum zu finanzieren. Edith, kaum 15 geworden, entzieht sich schliesslich ihrem Vater und zieht mit Simone, ebenfalls einem Strassenkind, nach Paris.

Die beiden Mädchen schaffen es, sich in Paris über Wasser zu halten. Einem Cabaret-Besitzer fällt die Stimme der jungen Edith auf und er nimmt sie unter seine Fittiche. Bühnenengagements folgen sowie Auftritte in drittklassigen Etablissements. Da trifft Edith auf Raymond Asso, der das Potenzial der jungen Sängerin erkennt und bereit ist, sie zu formen, und ihr den nötigen Schliff für eine Karriere zu geben. Kein einfaches Unterfangen, denn Edith lebt hemmungslos, raucht und trinkt. Dennoch schafft es Raymond, ihrem Leben Struktur zu geben. Er wird ihr Geliebter, verwehrt ihr aber die Partnerschaft, da er bereits verheiratet ist. Der Zweite Weltkrieg trennt das Liebespaar und Edith kann sich und ihre ständige Begleiterin und Freundin Simone nur knapp über Wasser halten. Nach dem Krieg wird Edith der Kollaboration mit dem Feind bezichtigt und ihr droht ein Auftrittsverbot. Nur das Eingreifen der beherzten Sekretärin bewahrt die Sängerin vor den drohenden Konsequenzen. Ediths Karriere nimmt Fahrt auf. Da begegnet sie dem jungen Yves Montand, den sie nach anfänglichem Aberwillen zu Formen beginnt. Der sich rasch entwickelnde Künstler wird Ediths Liebe. Das Paar erlebt turbulente Zeiten. Mit Hilfe eines jungen Komponisten entwickelt Edith das Liebes-Lied, das sie unsterblich macht: «La vie en rose».

Eindrückliches Portrait

Wohl gibt Michelle Marly einen Einblick in die Geschichte Edith Piafs, doch beschränkt sie sich bei ihrem Buch auf die Zeitspanne 1944 bis 1947, vom Aufstieg der Sängerin bis zur Entstehung des weltbekannten Chansons «La vie en rose». Entstanden ist ein eindrückliches Portrait jener Frau, die noch heute als die Königin des Chansons gilt und auch jungen Generationen ein Begriff ist. Die Autorin hat sich intensiv mit der Figur Edith Piaf auseinandergesetzt. Sie verzichtet auf Schönmalerei, präsentiert eine schwierige Frau, die letztlich auch Dank einiger ihr wohlgesonnener Menschen die grossen Bühnen der Welt erobern kann, anstatt in zweitklassigen Cabarets dem Leben mit Alkohol zu verfallen. Dass der Alkohol stets eine grosse Rolle im Leben der Chansonnière gespielt hat, verschleiert Michelle Marly dennoch nicht.

Sprache und Geschichte als Einheit

Das Buch «Madame Piaf und das Lied der Liebe» berührt und macht gleichermassen nachdenklich wie betroffen. Der Preis, den die Künstlerin für ihre Karriere bezahlt, ist hoch. Michelle Marly zeigt sie als eine Getriebene, die an sich selber Raubbau betreibt und doch ihren Lebenshunger nicht zu stillen vermag. Dennoch blitzt auch eine sensible, eine verletzliche Edith durch. Der Leser kommt der Künstlerin durch dieses Buch sehr nahe. Das ist nicht zuletzt der gelungenen Verbindung der Sprache und des Inhalts geschuldet. Michelle Marly wählt für diesen Roman eine sehr direkte Sprache, die der extravaganten Art der schillernden Hauptfigur wie auf den Leib geschneidert ist. Es wird sichtbar, dass die Autorin nicht einfach eine Biographie über die Chansonnière geschrieben hat, sondern sich nachhaltig mit dem Charakter ihrer Figur beschäftigte und sich in sie hineinversetzte. Es entstand ein stimmiges Portrait – ein Portrait, das aber auch neugierig macht auf das weitere Leben der Künstlerin. Das im Bewusstsein, dass viele dunkle Zeiten folgen werden.

Eine Liebeserklärung an den Chanson

Der Roman ist nicht nur das Portrait einer starken Persönlichkeit, es ist auch eine Liebeserklärung an den Chanson an sich. Michelle Marly schafft es, dieser speziellen Musikrichtung ein Gesicht zu geben und zu erklären, wie sich der Chanson entwickeln konnte und welchen Raum er im Frankreich zur Zeit des Kriegs und in den Nachkriegsjahren einnahm. Dazu kommt eine feinfühlige Schilderung der Künstlerszene in Paris in der Mitte des letzten Jahrhunderts, wie auch die Auseinandersetzung der Nachkriegs-Machthaber mit den Künstlern, die während der Kriegsjahre nicht von den Deutschen verfolgt wurden. Obwohl Edith Piaf im Zentrum des Romans steht, wir dem Leser von der Autorin damit sehr viel mehr geboten, als ein blosses Künstlerportrait.

Fazit:

Michelle Marly führt eine geschickte Feder und vermag durch ihre Romane nicht nur, eine schillernde Figur lebendig zu machen, sondern auch die Abgründe um sie herum zu beleuchten. Zu keiner Zeit langatmig ist der Roman «Madame Piaf und das Lied der Liebe» zu einem eindrücklichen Zeugnis einer schwierigen Epoche geworden. Dass die Autorin auf eine Verklärung ihrer Hauptfigur verzichtet hat, macht den Roman zum tiefgründigen Leseerlebnis.

Madame Piaf und das Lied der Liebe

Michelle Marly, Aufbau

Madame Piaf und das Lied der Liebe

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