Das Auge des Raben

  • Rütten und Loening
  • Erschienen: Januar 2010
  • 1
  • Rütten und Loening, 2009, Titel: 'Eye of the Raven', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
861001

Histo-Couch Rezension vonNov 2010

Hier wird bewiesen, dass aus Indianer-Geschichten einiges rauszuholen ist

Kurzgefasst:

Die Neue Welt im Jahr 1760 - Franzosen kämpfen gegen Engländer um die Vorherrschaft in den Kolonien Amerikas. Mit Hilfe des Schamanen Conawago hat der Schotte Duncan McCallum das Massaker an seinem Clan überlebt, das von den Engländern verübt wurde. Nun ist er zusammen mit Conawago in den Wäldern unterwegs. Doch als sie einen sterbenden englischen Offizier finden, der an einen Baum genagelt worden ist, geraten sie erneut in Schwierigkeiten. Conawago wird verhaftet, weil man ihn für den Mörder hält. Um ihn zu retten, macht Duncan sich daran, die Wahrheit dieses Mordfalls herauszufinden. Bald erkennt er, dass es noch mehr Ritualmorde gegeben hat.

 

Duncan und Canawago sind zurück. Der in die Verbannung geschickte Hochlandschotte und sein indianischer Freund geraten auch im zweiten Band um das ungleiche Duo mehr als einmal in Todesgefahr. Denn mächtige Interessen stehen hinter einer ganzen Reihe von Ritualmorden, in die Duncan und Canawago unglücklicherweise verstrickt werden. Während Duncan von seiner Vergangenheit eingeholt wird, gilt Canawago als Mörder eines Offiziers und soll gehängt werden. Verzweifelt versuchen die beiden, die Situation zu meistern und dem wahren Mörder auf die Spur zu kommen. Doch je mehr sie erfahren, desto verzwickter wird nicht nur die Geschichte, sondern auch ihre eigene Situation.

Spannung und Historie

Wie kaum einer versteht es Eliot Pattison, Spannung mit Historie, angesiedelt in Pennsylvania im Jahr 1760, zu paaren. Weit entfernt von Winnetou und Co. erzählt Pattison die Geschichte der Indianer, die durch die Gier der Weißen nach und nach von ihrem Land verdrängt werden und die Stätten ihrer Vorfahren aufgeben müssen. Aber der Autor verhindert dabei die bei Indianer-Romanen oft zu beobachtende Moralisierung. In beiden Ethnien gibt es vernünftige, liberale und anständige Menschen - aber auch Menschen, die der Gier nach Land, Gold oder Alkohol verfallen, die rücksichtslos morden und zerstören. So entsteht das Bild eines tief gespaltenen Landes, in dem die Tradition der Indianer gegen die Tradition der weißen Siedler steht - sich aber da und dort vereinen könnte. Eine Rolle spielt dabei auch die Sklaverei, die eine weitere Ethnie ins Spiel bringt und zum Bevölkerungsgemisch beiträgt.

Gut erzählt

Die Ritualmorde, die im Zentrum des Geschehens stehen, passen ausgezeichnet ins Bild und tragen viel zur Spannung bei, auch wenn Pattison bei der Beschreibung der Leichen in die Vollen geht. Es wirkt weder voyeuristisch noch speziell gruselig, auch wenn man zeitweise geneigt ist, hinter der Tat einen Besessenen als Täter zu vermuten. Sehr schön spielt Pattison mit dem Leser, lässt ihn ein Stückchen des Mosaiks erkennen, um gleich darauf klar zu stellen, dass es sich hier ausschließlich um ein kleines Teilstück handelt. So wird das Buch - auch wenn der Lesefluss manchmal von etwas gar weitschweifigen Erklärungen gebremst wird - nie langweilig. Im Gegenteil - man mag es kaum aus der Hand legen, um endlich zu erfahren, ob jetzt der Mörder (oder der, den man für den Mörder hält) endlich einen Fehler begeht und sich verrät.

Witzige Sequenzen

Mit seinen Schilderungen über eine spezielle Sportart, die wohl eine Mischung aus Baseball und Football sein könnte, trägt der Autor einige echt witzige Sequenzen bei. Er macht das 18. Jahrhundert in Pennsylvania lebendig, zeigt einerseits den Willen der Einwanderer, sich hier ein Stück Paradies zu schaffen und andererseits die Problematik, die die Verschmelzung der Völker in sich birgt. Er zeigt auch auf, wie nach und nach eine Gesellschaft entsteht, die sich von den Gepflogenheiten der alten Heimat langsam entfernt.

Überzeugende Charaktere

Ein Autor läuft immer wieder Gefahr, Protagonisten, die den Lesern im ersten Band ans Herz wachsen, zu verwässern. Eliot Pattison schien sich dieser Gefahr durchaus bewusst und hat seine Figuren auf eine überzeugende Art weiter entwickelt, ohne dabei in Superhelden-Beschreibungen abzugleiten. Duncan bleibt erfrischend natürlich, Canawago kann sich seine geheimnisvolle Aura bewahren. Und die Figuren, die neu hinzukommen, sind stimmig in ihrer ganzen Art. Obwohl der Autor nicht ohne das Gut- und Böse-Schema auskommt, hat man keineswegs den Eindruck, hier eine platte Personenbeschreibung vorgesetzt zu bekommen.

Schön gestaltet

Eine Erwähnung verdient die Gestaltung des Buches, das anstelle eines Leineneinbandes eine Holzstruktur aufweist und auf diese Weise absolut stimmig zum Roman ist, der vornehmlich in den Wäldern spielt. Anmerkungen des Verfassers und eine übersichtliche Zeittafel vervollständigen den guten Eindruck und lassen kaum Wünsche offen. Einzig ein Personenregister fehlt, es hätte da und dort etwas zur Übersichtlichkeit beitragen können.

Auch wer normalerweise kaum zu Indianer-Romanen greift, wird hier gut unterhalten. Das Auge des Raben kann gut als Einzelband gelesen werden, wenn es auch mehr Spaß macht, die Entwicklung der Figuren von der ersten Zeile an, also bereits im Vorgänger Das Ritual zu verfolgen. Es ist zu hoffen, dass die Reihe um Duncan eine Fortsetzung findet.

 

Das Auge des Raben

Eliot Pattison, Rütten und Loening

Das Auge des Raben

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