Tanja Mikschi

„Es wird höchste Zeit, dass sich etwas ändert“

03.2015 Die Histo-Couch im Interview mit Tanja Mikschi über Indianer, amerikanische Kultur und Reaktionen auf ihre Bücher.

Histo-Couch: Frau Mikschi, was verbinden Sie mit dem Wort „Indianer“?

Tanja Mikschi: Es ist die Bezeichnung für eine sehr breit gefächerte Bevölkerungsgruppe, die sich hier in Deutschland durchgesetzt hat. Natürlich wäre es korrekter von den Ureinwohnern Amerikas zu sprechen, aber da der Begriff Indianer bei uns nicht negativ besetzt ist, habe ich gegen seine Verwendung keine Einwände.

Histo-Couch: Wann kamen Sie erstmals mit der Thematik in Berührung?

Tanja Mikschi: Meine erste wirkliche Berührung  mit der Thematik heißt Victor und gehört zum Volk der Apachen. Ich war 14 Jahre alt, als ich ihn kennen lernte. Er lebte damals in der dem US-Militär zugehörigen sogenannten Ami-Siedlung in meinem Heimatort und arbeitete auf der Air-Base in Frankfurt. Da ich zu der Generation gehöre, die in ihrer Kindheit sämtliche Winnetou-Verfilmungen hoch und runter gesehen hat, fand ich es natürlich total faszinierend, einem echten Apachen zu begegnen. Neben vielen interessanten Gesprächen mit ihm, beeindruckte mich vor allem, als er mir eines Tages erzählte, dass er sich in Deutschland unglaublich wohl fühlt und wie ungewohnt es für ihn ist, hier gerade aufgrund seiner indianischen Herkunft geachtet und anerkannt zu werden. Ich konnte es damals gar nicht fassen, als er mir schilderte, dass es sich in seiner Heimat ganz anders verhält.

Histo-Couch: Was hat Sie dazu bewogen, einen Indianer-Roman zu schreiben?

Tanja Mikschi: Die Geschichte selbst. Sie war eines Morgens einfach da und ließ mich nicht mehr los. Ich betrachte sie als ein Geschenk, dass ich mit möglichst vielen Menschen teilen möchte.

Histo-Couch: Heute wie auch vor zwei Jahrhunderten prallen mit der Begegnung von Indianern und Weissen zwei unterschiedliche Welten aufeinander. Wie nehmen Sie das wahr?

Tanja Mikschi: Hier kann ich nur deutliche Worte finden. Das Ausmaß des Unrechts, das den indianischen Völkern zugefügt wurde ist atemberaubend, beschämend und von einer ungeheuerlichen Brutalität und Ignoranz geprägt. Und es wurde nie wirklich anerkannt, geschweige denn aufgearbeitet, ganz im Gegenteil. Völkermord, Zwangsenteignung, Massenhinrichtungen, Vertreibung, Verstümmelung, Demütigung, Diffamierung, Gettoisierung, Kriminalisierung, nichts wurde ausgelassen. Und vieles wurde und wird bis in die Neuzeit hinein weiter betrieben. Allein schon die Tatsache, dass in den USA bis in die 1970er Jahre hinein mehr als 40% der indianischen Frauen zwangssterilisiert wurden, spricht Bände. Eine Entschuldigung oder gar Schmerzensgeld? Natürlich nicht. Nachweislich widerrechtliche Enteignungen bleiben weiter bestehen, angemessene Ausgleichszahlungen: Fehlanzeige. Ich habe vor ein paar Monaten eine Reportage über ein Reservat der Lakota gesehen, der Reporter erklärte am Ende der Reportage fassungslos, dass er sich nicht hatte vorstellen können, dass Menschen in unserer westlichen Welt unter solch elenden Bedingungen leben müssen. Es wird höchste Zeit, dass sich daran etwas ändert, dass endlich eine offizielle und gründliche Aufarbeitung der Geschichte in die Wege geleitet wird, dass zumindest der ernsthafte Versuch unternommen wird, angemessene Entschädigungen zu leisten.

Histo-Couch: In Ihrem Roman stellen Sie die Welt der Indianer detailreich jener der Weissen gegenüber: War es für Sie schwierig, hier Objektivität walten zu lassen? Wird man bei der Aufarbeitung der Geschichte nicht mit vielen Gräueltaten konfrontiert?

Tanja Mikschi: Gerade der Perspektivenwechsel ist beim Schreiben ganz besonders spannend. Ich denke, dass mir auch mein Beruf als Sozialpädagogin, in dem es elementar ist, sich in die Lebenswelt und Sichtweise anderer Menschen und auch anderer Kulturen hineinzuversetzen, hierbei geholfen hat. Mir war es sehr wichtig, objektiv zu bleiben, die jeweiligen Lebensumstände und Beweggründe so authentisch wie möglich darzustellen, um so beiden Seiten gerecht zu werden.

Histo-Couch: War es für Sie schwierig, sich in die Welt der Indianer und ihrer Denkweise zu versetzen?

Tanja Mikschi: Das kann ich so pauschal gar nicht beantworten. Was den Roman betrifft, ist es mir sehr leicht gefallen. Doch ich habe mich mit vielen indianischen Kulturen auseinandergesetzt und diese Kulturen sind zum Teil sehr different. Es gibt Kulturen, wie eben beispielsweise die der Ojibwe oder auch die der Cheyenne, die mir persönlich sehr nahe stehen, in deren Gedankenwelt ich mich spielend einfinden kann. Es gibt aber auch Kulturen, wie beispielsweise die der Azteken, die ich zwar faszinierend finde, die es mir aber nicht so leicht machen, auf der Gedanken- und Gefühlsebene mitzuschwingen.

Histo-Couch: Wie werden Indianer-Romane heute wahrgenommen? Gibt es dafür eine Leserschaft?

Tanja Mikschi: Ja, die gibt es und ich habe das Gefühl, dass sie nicht nur größer wird, sondern zunehmend auch ein gesteigertes Interesse an authentischen Darstellungen hat.

Histo-Couch: Spätestens seit Winnetou gibt es viele Leserinnen und Leser, die vermeintlich etwas über die Kultur der Indianer wissen. Ist es überhaupt möglich, solche Bilder zu korrigieren?

Tanja Mikschi: Davon bin ich fest überzeugt. Am besten indem man dem möglichst authentische Bilder entgegenstellt und vor allem den Betroffenen selbst Raum und Möglichkeit gibt, ihre Kultur zu leben und zu vermitteln.

Histo-Couch: Was forderte Sie beim Schreiben am meisten heraus?

Tanja Mikschi: Wenn man sich einmal in die historischen Quellen vertieft, so stößt man unweigerlich immer wieder auch auf Berichte, die einander widersprechen. Hier die authentischste Version zu ermitteln war nicht immer leicht.

Histo-Couch: Wird es weitere Indianer-Romane aus Ihrer Feder geben?

Tanja Mikschi: Das ist sehr gut möglich. Da ist eine Geschichte, die mir im Kopf rumschwebt, ich befinde mich gerade in der ersten Phase der Recherche …

Histo-Couch: Gibt es eine andere Thematik, der sie sich gerne annehmen würden?

Tanja Mikschi: Sollte mich etwas anfliegen, wäre ich durchaus offen, doch derzeit ist nichts dergleichen in Sicht.

Histo-Couch: Was empfinden Sie, wenn Sie heute ihren Debüt-Roman in der Auslage einer Buchhandlung oder im Bücherregal eines Fans entdecken?

Tanja Mikschi: Ich freue mich sehr.

Histo-Couch: Wie gehen Sie mit den Reaktionen der Leserinnen und Leser um?

Tanja Mikschi: Jedes Feedback ist mir sehr willkommen. Derzeit läuft eine Leserunde zu meinem Roman auf einer anderen Bücherseite. Die Beiträge sind für mich äußerst interessant und wertvoll und ich denke durchaus über den einen oder anderen Beitrag auch noch zwei Tage später nach.

Das Interview führte Rita Dell’Agnese.

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