Thilo Scheurer

„Wer die Welt verstehen will, muss ihre Geschichte kennen“

06.2013 Die Histo-Couch im Interview mit Thilo Scheurer über Krimis, die Napoleonische Zeit und seine Recherchearbeit.

Histo-Couch: Herr Scheurer, Ihr erster historischer Roman „Quadriga“ spielt zur Zeit der Napoleonischen Kriege. Wieso haben Sie sich für diese Zeit entschieden?

Thilo Scheurer: Europäische Geschichte hat mich immer interessiert. Schon zu meinen Kindern sage ich immer, wer die Welt verstehen will, muss ihre Geschichte kennen. Das gilt besonders für den Beginn des neunzehnten Jahrhunderts und die Jahre davor. Es war eine Zeit des Aufbruchs. Die Monarchie und der Klerus wurden zurückgedrängt, Kleinstaaten verschwanden von der Landkarte und die ersten Ansätze von Rechtsstaatlichkeit setzten sich durch. Damals wurde der Grundstein zu dem Europa gelegt, wie wir es heute kennen.

Histo-Couch: Wie sind Sie auf die Geschichte mit der Telegrafenlinie und der verschwundenen Quadriga gestoßen?

Thilo Scheurer: Der Auslöser war eine Dokumentation im Fernsehen über den Raub und die Rückholung der Quadriga. Die optische Telegrafenlinie kam erst später dazu, weil ich die Tatsache ziemlich spannend fand, wie Nachrichten zu dieser Zeit übermittelt wurden.

Histo-Couch: Wer hat sich den Titel „Quadriga“ ausgedacht? Ohne zu viel vorweg nehmen zu wollen – er ist ein bisschen irreführend, denn eine so große Rolle spielt die Suche nach der Quadriga in der Geschichte ja nicht.

Thilo Scheurer: Das stimmt, die Quadriga spielt nicht die große Rolle in dem Roman. Aber ohne sie gäbe es die Geschichte nicht. Die Skulptur löst die Handlung aus und treibt sie voran, ähnlich dem sogenannten „MacGuffin“ in einem Film.

Histo-Couch: Der Roman beschäftigt sich unter anderem mit dem Thema „Schuld, Rache und Sühne“. Was hat sie an dieser Thematik gereizt?

Thilo Scheurer: Schuld und Sühne ist ein komplexes Thema auf das es keine einfache Antwort gibt. Auch Leopold, mein Protagonist, sucht seine persönliche „Bestie“, um sich an ihr zu rächen. Als er dann vor ihr steht, muss er feststellen, dass der Krieg alle (ihn selbst eingeschlossen) zur Bestie machte. Mit „Quadriga“ wollte ich ein Anti-Kriegsroman schreiben, der – wenn man von den Waffen und Uniformen absieht – in jedem Krieg spielen könnte.

Histo-Couch: Wie lange haben Sie an diesem Roman geschrieben und wie viel Zeit haben sie davon für die Recherche gebraucht?

Thilo Scheurer: Wenn ich die gesamte Zeit zusammenrechne dauerte es bestimmt zwei Jahre bis der Roman fertig war. Gut die Hälfte der Zeit nahm die Recherche ein.

Histo-Couch: Wie sind Sie bei der Recherche vorgegangen? Welche Schauplätze haben Sie selbst besucht?

Thilo Scheurer: Im Zeitalter des Internets ist natürlich Google ein guter Anlaufpunkt für den Beginn einer Recherche. Zusätzlich habe ich noch einen ganzen Stapel Bücher über die napoleonische Zeit gelesen und einige Fernsehdokumentation dazu angeschaut. Da bekommt man schon einen Eindruck, wie es damals in den verschiedenen Gesellschaftsschichten gewesen sein musste. Vor Ort war ich in Kaub und stand tatsächlich an der Stelle, an der die Soldaten übersetzten. Eine gruselige Vorstellung, dort nachts bei Eiseskälte in der Strömung über den Rhein zu setzen. Ein hervorragendes Bild der damaligen Vorgänge am Rhein bietet auch das dortige Blücher-Museum mit seinen Exponaten. Einen Besuch kann ich jedem nur empfehlen.

Histo-Couch: Das Thema der Napoleonischen Kriege ist ja nun kein „Mainstream-Thema“, um es mal neudeutsch auszudrücken. Auch wenn sich dieses Jahr die Völkerschlacht zu Leipzig zum 200. Mal jährt. War es schwierig, einen Verlag für Ihre Geschichte zu finden?

Thilo Scheurer: Es dauerte tatsächlich einige Zeit, einen Verlag zu finden. Aber ich denke, das lag nicht unbedingt am Thema sondern eher daran, dass bei einem historischen Roman meist eine weibliche Autorin und eine weibliche Protagonistin erwartet werden.

Histo-Couch: Ihr erstes Buch, „Schwarzer Neckar“, ist ein Regio-Krimi, erschienen im Emons-Verlag. Warum haben Sie das Genre gewechselt?

Thilo Scheurer: Wechseln ist vielleicht der falsche Ausdruck. Ich finde Gefallen an beiden Genres und werde auch weiterhin in beiden schreiben.

Histo-Couch: Wo liegen die Unterschiede zwischen dem Schreiben eines Krimis und dem Schreiben eines Historischen Romans?

Thilo Scheurer: Der Hauptunterschied liegt in der Recherchearbeit. Bei historischen Romanen kommt es auf jedes Detail an, das natürlich stimmen muss. Beispielsweise wäre es völlig daneben Waffen oder Geräte zu verwenden, die damals noch nicht existierten. Oder wie kleideten sich die Menschen damals? Wie sahen Straßen, Städte und Häuser aus? Alles Fragen, die sich bei einem Regional-Krimi überhaupt nicht stellen.

Histo-Couch: Was ist Ihnen leichter gefallen? Und was hat mehr Spaß gemacht?

Thilo Scheurer: Der Kriminalroman – der ist kürzer. Nein, Spaß beiseite, beide Geschichten haben ihren Reiz. Da kann und möchte ich kein Genre hervorheben.

Histo-Couch: Sie haben ja Betriebswirtschaft studiert. Ein Studium, bei dem einem nicht „Kreativität“ als erstes Schlagwort einfällt, um mal ein Vorurteil zu bemühen. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen und was reizt Sie daran?

Thilo Scheurer: Grundsätzlich hatte ich bereits in meiner Schulzeit Spaß am Schreiben und Lesen. Aufsätze und Geschichten interessierten mich schon immer. Auch jetzt, in meinen Beruf, hatte und habe ich immer wieder mit Werbetexten, Prospekten und Dokumentationen zu tun. Daraus entwickelte sich früh eine Art Hobby und ich schrieb Kurzgeschichten. Und der Gedanke einen ganzen Roman zu schreiben, der auch veröffentlich wird, faszinierte mich so sehr, dass ich es einfach versuchen musste.

Histo-Couch: Wie organisieren Sie Ihren Alltag als Familienvater und Geschäftsführer eines Softwareunternehmens neben ihrer schriftstellerischen Tätigkeit? Wann finden Sie hauptsächlich die Zeit zum Schreiben?

Thilo Scheurer: Ich bin eher jemand der wenig schreibt. Es gibt Phasen, die können über Wochen andauern, in denen ich gar nichts zu Papier bringe. Am kreativsten bin ich im Urlaub oder an Wochenenden, wenn die Arbeit ganz weit weg ist und ich abschalten kann. Dann können schon mal ganze Szenen oder gar Kapitel entstehen.

Histo-Couch: Was machen Sie, wenn Sie mal Zeit für sich haben und nicht schreiben müssen oder wollen?

Thilo Scheurer: Allzu viel Zeit bleibt da nicht mehr übrig. Aber ich gehe gern Wandern oder Schwimmen.

Histo-Couch: Welche Bücher lesen Sie privat gerne?

Thilo Scheurer: Auch beim Lesen bevorzuge ich Regional-Krimis und historische Romane.

Histo-Couch: Eine letzte Frage: Können Sie uns schon etwas über ihr nächstes Projekt verraten? Krimi oder historischer Roman oder etwas ganz anderes?

Thilo Scheurer: Der Folgeroman zu „Schwarzer Neckar“ erscheint im Herbst dieses Jahres. Der dritte Teil ist auch schon zur Hälfte fertig. Danach möchte ich ein absolutes Lieblingsprojekt von mir angehen: Krimi und Historie kombinieren. D.h. einen Regionalkrimi schreiben, der vor zweihundert Jahren spielt. Als Schauplatz habe ich mir dafür den Schwarzwald ausgesucht. Da gab es damals schon (und manchmal heute noch) herrlich viele Konflikte zwischen den Schwaben und den Badenern. Da muss ich einfach zugreifen.

Histo-Couch: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei der Realisierung Ihrer Projekte!

Das Interview führte Birgit Borloni.

Thilo Scheurer auf Histo-Couch.de

Zeitpunkt.
Menschen, Schicksale und Ereignisse.

Wir schauen auf einen Zeitpunkte unserer Weltgeschichte und nennen Euch passende historische Romane.

mehr erfahren