Birgit Fiolka

„Ich würde gern mal Ramses II. kennen lernen!“

07.2008 Birgit Fiolka sprach mit der Histo-Couch über ihre altägyptische Eventgruppe, von ihrem aktuellen Roman Amazonentochter und über verwöhnte Stiere im Alten Ägypten ...

Histo-Couch: Liebe Frau Fiolka, Sie haben bereits mehrere historische Romane geschrieben, die im Alten Ägypten spielen. Seit wann begeistern Sie sich und woher kommt Ihr Interesse für diese Zeit?

Birgit Fiolka: Das Alte Ägypten hat mich schon sehr früh fasziniert. Das war etwa im Alter von neun Jahren, als mir meine Eltern ein Buch über Pyramiden schenkten. Mit diesem Buch fing für mich alles an. Ich war sofort gefangen von dieser alten Hochkultur, die durch ihre klaren und einfachen Konturen in Kunst und Architektur besticht, aber auch durch ihr Verständnis eines harmonischen und naturverbundenen Weltbildes. Grundsätzlich fasziniert mich die Frühgeschichte alter Hochkulturen bis hin zur Antike, weil es bemerkenswert ist, wie weit einige Kulturen, und natürlich vor allem die Ägypter, bereits vor tausenden von Jahren entwickelt waren. Hygiene, Heilkunst, Bildung, Architektur, Gesellschaftsform …viele andere Kulturen erreichten das Niveau der Ägypter erst Jahrtausende später.

Histo-Couch: Auf Ihrer Webseite (www.birgit-fiolka.de) ist nachzulesen, dass Sie vor Ihrem aktuellen Roman Amazonentochter eine Schreibpause eingelegt haben. War es eher eine Kreativpause oder eine Prioritätenentscheidung?

Birgit Fiolka: Es war eigentlich beides. Die Kreativpause, in der ich dann mit einer Freundin Art of KaRa, unsere altägyptische Eventgruppe, gegründet habe, hat mich für eine Zeit lang vom Schreibtisch hervorgeholt und mich sehr fit im Bereich kreatives Marketing, Ideenentwicklung und Organisation gemacht. In dieser Zeit bin ich zudem viel herum gekommen, habe viele Künstler und auch einfach unterschiedliche Menschen getroffen. Dadurch habe einen ganz anderen Weltblick entwickelt. Das hat sich nicht zuletzt auf meine Arbeit als Autorin niedergeschlagen, was sich auch in der Amazonentochter wiederfindet. Nach den vier Ägyptenromanen hatte ich bereits Lust dazu, etwas Größeres, Kulturübergreifendes zu schreiben. Ich glaube, die Zeit der Schreibpause war wichtig und hat mir auch als Autorin einen Schritt voran ermöglicht in die Richtung, die ich einschlagen wollte. In diesem Sinne war es natürlich auch irgendwie eine Prioritätenentscheidung, die aber vielleicht unterbewusst von mir getroffen wurde. Ganz banal könnte man sagen – ich brauchte einfach neuen Input.

Histo-Couch: War es schwierig, nach Ihrer Pause wieder zurück zum Schreiben zu finden?

Birgit Fiolka: Eigentlich gar nicht, denn ich hatte so viele Ideen im Kopf, dass ich eher das Problem hatte mich zu entscheiden, womit ich denn anfangen soll.

Histo-Couch: Was muss man sich unter so einer „altägyptischen Eventgruppe“ vorstellen und kann man sich das mal irgendwo anschauen?

Birgit Fiolka: Genau diese Frage hat man uns am Anfang auch gestellt und sich dabei nicht so recht vorstellen können, dass ein solches Konzept erfolgreich sein könnte ;-) Wir bieten für Veranstaltungen sozusagen unterschiedliche „Bausteine“ an, aus denen sich die Interessenten ihr individuelles Paket erstellen lassen können. Dazu gehören zum Beispiel Walk-Acts, Hieroglyphenschreiben, wir haben Tänzerinnen und eigene Vorführstücke. Das sind dann beispielsweise altägyptische oder von mir geschriebene Texte, die von uns im Tonstudio mit Musik vertont wurden und die wir auf der Bühne szenisch darstellen und wir übernehmen auf Wunsch die komplette Dekoration. Zum Beispiel greifen Museen für ihre Ausstellungseröffnungen immer gerne auf eine Gruppe von Walk-Acts und die Vorführstücke zurück, während für die Silvesterfeier eines großen Hotels im letzten Jahr die komplette Dekoration auf 2.500 Quadratmetern mitsamt einem Palastaufbau übernommen wurde. Auch meine Lesungen werden mittlerweile hier und da mit Art of KaRa ausgerichtet, weil die Idee – Lesungen mit Atmosphäre – gut ankommt. Zwischendurch sind wir jedoch auch auf freien Veranstaltungen zu finden, wie dem Epochenfest in Jülich. Unsere Termine und Infos findet man natürlich auf unserer Homepage (www.art-of-kara.de).

Histo-Couch: Ja, das klingt wirklich spannend! – Ihr neuer Roman Amazonentochter beschäftigt sich mit dem uralten Mythos der Amazonen. Wie sind Sie zu diesem Stoff gekommen?

Birgit Fiolka: Das ist zum Teil meinem von mir gepflegten Idealismus zu verdanken, mit Vorliebe Themen auszusuchen, über die noch gar nicht oder wenig geschrieben wurde. Da kamen mir dann die Amazonen in den Sinn, obwohl der ungewöhnliche Gedanke ja nicht ein Roman über die Amazonen an sich war, sondern sie in einen echten historischen Kontext der Geschichtsschreibung zu setzen. Mir war klar, dass meine Hauptperson mit den Hochkulturen ihrer Zeit, zum Beispiel den Hethitern und Ägyptern, konfrontiert sein sollte und das auf eine Art, welche ihr eine aktive Teilnahme am gesellschaftlichen Leben sowie Eigenständigkeit ermöglicht. Ich habe schnell festgestellt, dass das mit Selina, der Hauptperson, einfach sehr gut funktioniert, denn sie konnte eigene Gedankengänge pflegen, ohne durch eine frauentypische Erziehung ihrer Zeit gehemmt zu sein. Scheues und verschrecktes weibliches Rollenverhalten sind ihr als Amazone relativ fremd und so hinterfragt sie natürlich alles oder verursacht Chaos, da sie zunächst gar nicht versteht und später dann nicht einsieht, weshalb sie sich den patriarchalen Kulturen beziehungsweise den Männern unterordnen sollte. Das waren die internen Hintergründe, geschichtlich gesehen fand ich es jedoch auch dringend an der Zeit, die Amazonen von ihrem comichaften Klischee der halbnackten, meist lesbischen Kriegerinnen zu befreien, welches ihnen die Medien aufgedrückt haben. Die Wissenschaft hat längst angefangen, sich mit Amazonenforschung zu beschäftigen und selbst die antiken Griechen haben die Existenz dieses Volkes nicht infrage gestellt. Ich hoffe einfach, dass die Amazonentochter ein wenig dazu beiträgt, die Amazonen als Volk wahrzunehmen.

Histo-Couch: Dass über Amazonen bisher wenig geschrieben wurde, ist ein interessanter Hinweis. Inwiefern Sie diese Tatsache nutzen konnten, haben Sie gerade geschildert, denn in Ihrer Interpretation des gesellschaftlichen Verhaltens und der Gefühlswelt der Amazonen waren Sie dadurch relativ frei. Aber wie haben Sie recherchiert? War es schwierig an geeignete Hintergrundinformationen zu gelangen oder hatten Sie genügend Material?

Birgit Fiolka: Sagen wir so – ich wurde bezüglich der Amazonen natürlich kaum mit einer solchen Quellenvielfalt überhäuft, als wenn ich einen Ägyptenroman schreiben würde. Das liegt nun eben an dem Umstand, dass die Amazonen als historisches Volk von der Wissenschaft nicht eine derart große Beachtung finden. Ich habe zunächst natürlich die Quellen antiker griechischer Geschichtsschreibung hinzugezogen und mich dann gleichzeitig mit dem Gedankengut antiker Griechen beschäftigt, um mir eine Meinung über die Art und Weise bilden zu können, wie die alten Griechen ein Volk wie die Amazonen thematisch behandelten. Hier fiel vor allem die komplette Vermännlichung dieses Volkes auf, mit der es dargestellt wurde, aber auch die Hartnäckigkeit, mit der sich die Amazonensagen im Kulturgut hielten. Trotzdem bieten diese Geschichten eine Fülle an Informationen über das Frauenvolk, die aber doch sehr idealisiert sein dürften, da sie griechischem, extrem patriarchalem Verständnis entspringen. Schwieriger war es, wirklich wissenschaftliche Quellen zu finden, die nicht nur abwägten, sondern eine feste Meinung vertraten. Ich bin dann glücklicherweise über die Bücher des Archäologen Gerhard Pöllauer gestolpert, der sich seit 20 Jahren mit Amazonen- und Matriarchatsforschung beschäftigt. Genau hier habe ich die Schnittmenge für meinen Roman angesetzt, indem ich mich auf Spuren matriarchaler Ausgrabungsstätten bezog, griechische Sagen einfließen ließ, aber auch bemüht war, psychologische Schemata von Frauenorganisation zu bedenken. Wichtig bei der Heimat der Amazonen war vor allem der Bericht jenes Archäologen über seine Forschungsreisen zur Schwarzmeerküste, der mir gute geografische Anhaltspunkte über die Heimat der Thermodon-Amazonen geliefert hat. Sicherlich musste ich bei der Amazonentochter mehr tun, als Lücken zu füllen, wie es sich bei Romanen über gut dokumentierte Charaktere oder Kulturen verhält – die Herausforderung beim Schreiben war der Spagat zwischen antiken Sagen und Wissenschaft, und die Geschichte für den Roman zwischen beidem zu suchen. 

Histo-Couch: Und dieser Spagat ist Ihnen hervorragend gelungen! Welche Tatsachen, auf die Sie während Ihrer Recherchen gestoßen sind, haben Sie am meisten überrascht?

Birgit Fiolka: Vielen Dank – solches Lob lässt das Autorenherz höher schlagen. :-) Überraschend fand ich vor allem solche Übereinstimmungen, wie den Umstand, dass die Kaskäer, jenes Bergvolk mit denen sich die Amazonen nach antiker griechischer Überlieferung jährlich trafen um Kinder zu zeugen, auch in den Aufzeichnungen der Hethiter erwähnt wird, oder dass die heilige Insel Aretias, auf der die Amazonen einen Tempel gehabt haben sollen, geografisch mit der heutigen Insel Giresun Adasi gleichgesetzt wird. Eine weitere, meines Erachtens gar nicht so abwegige Meinung, die ich auch in meinem Roman aufgegriffen habe, ist die Überlegung, dass die Amazonen Nachfahren der alten Priesterinnen der matrilinear organisierten Hattier gewesen sein könnten. Vom ersten Hethiterkönig Hattusils ist ja überliefert, dass er sich vor den mächtigen Priesterinnen fürchtete und sie verjagte. Bemerkenswert empfinde ich auch die Ruinen der sehr alten Festungsanlagen, die sich am Thermodon befinden und die noch keiner Kultur zugeordnet werden können. Sie befinden sich in jenen Gegenden, in denen auch die Amazonenstädte Themiskyra, Lykastia und Chadesia vermutet werden.

Histo-Couch: An einer Stelle in der Amazonentochter beschreiben Sie eine Tänzerin, die während ihrer Darbietung vor dem Pharao immer wieder in ein Gefäß „pieselt“, an anderer Stelle erzählen Sie von der glühenden Verehrung des Apis, des heiligen Stiers von Memphis, durch die Ägypter, der sogar seinen eigenen Harem voller weiblicher (ebenfalls tierischer) Gespielinnen hat …Beide Szenen bringen den Leser zum Schmunzeln. Wie viel Wahrheit steckt in diesen Begebenheiten?

Birgit Fiolka: Die ausschweifenden Festlichkeiten am Pharaonenhof und deren Beschreibungen habe ich frei nach dem „Satirisch-erotischen Papyrus Turin und dem Verbringen eines schönen Tages“ interpretiert. Hier gibt es zum Beispiel Zeichnungen von einem alternden Pharao, der sich an auf Streitwagen gefesselten Mädchen „vergreift“. Die Beschreibung der Szene mit dem Mädchen „Miut“ aus jenem Papyrus habe ich einer Zusammenfassung Vandenbergs entnommen. Allerdings ist es so, dass dieser Papyrus aus zwei Gründen Ramses II. zugeordnet wird und zwar dem Alter des dargestellten Pharaos (bekannt ist ja, dass Ramses sehr alt wurde) und seiner Alterszuordnung. Der Papyrus enthält mehrere solcher delikaten Orgiendarstellungen sowie Kommentare zu deren Abläufen. Bzgl. des Apis-Kultes ist es so, dass von Chaemwese, dem damaligen Thronfolger Ramses II., überliefert ist, dass er sich der Restaurierung des Apis-Heiligtums verpflichtet fühlte und ein Anhänger des Apis-Kultes war. Tatsächlich musste der heilige Stier besondere Merkmale aufweisen und wurde nach seinem Ableben mit großem Pomp in der Grabanlage der Apis-Stiere zu Grabe getragen. Da der Apis als direkte Verkörperung des Gottes Ptah galt und somit göttlichen Status auf Erden besaß, wurde er natürlich dementsprechend „betuddelt“. Sein Ableben bedeutete Staatstrauer, ein nicht natürlicher Tod ein schlechtes Omen. Im Hauptheiligtum in Memphis hatte er eine ganze Priesterschar, die sich allein um sein Wohl sorgte und zu diesem gehörten natürlich auch körperliche Freuden aller Art.

Histo-Couch: Gibt es bestimmte reale Vorbilder, nach denen Sie Personen aus der Amazonentochter geschaffen haben?

Birgit Fiolka: Reale Vorbilder gibt es eigentlich nicht; ab und an muss ich bei Selina schon an eine Person denken, die ich persönlich kenne, aber das ist Zufall, da ich diese Person erst nach Entstehung der Amazonentochter getroffen habe. Reale Erlebnisse kommen da schon eher mal vor, das aber auch sehr versteckt und überarbeitet. So könnte z. B. Ärger mit einer Behörde im realen Leben dazu führen, dass es im Buch einen Hofbeamten gibt, der von der Charakterzeichnung recht unbeliebt ausfällt. Das sind dann eben die kleinen Freuden eines Autors, die beweisen, dass er auch nur ein Mensch ist. ;-)

Histo-Couch: Mit welcher Person in der Amazonentochter können Sie sich persönlich am besten identifizieren? Und welche Person würden Sie gern mal persönlich kennenlernen, wenn das möglich wäre?

Birgit Fiolka: Das ist immer schwierig für mich zu beantworten. Freunde und Familie erzählen mir immer wieder, dass diese und jene Person starke Charakterzüge von mir selbst aufweist, wo ich mich dann manchmal gar nicht wiederfinde. Ich glaube, dass in verschiedenen Personen eine Essenz des Autors vorhanden ist, manchmal die positiven Dinge des Charakters, aber auch ab und an die Dinge, die von mir selber als negativ empfunden werden. Wahrscheinlich besitze ich ein Stück von Selina, ein Stück Palla, eine Essenz von Ramses, einen Krümel Penthesilea …aber alles das zusammen macht mich trotzdem zu einem ganz anderen Menschen als die Personen meines Buches. Kennenlernen würde ich vor allem gerne Ramses, denn ich finde ihn trotz aller seiner Fehler im Buch schon sehr menschlich und humorvoll. Kleite würde mir auch gefallen zu treffen, da sie klug und weise ist.

Histo-Couch: Welcher Teil des Buches hat Ihnen am meisten Spaß gemacht zu schreiben? War irgendein Abschnitt des Buches beim Schreiben eher „Pflichtübung“?

Birgit Fiolka: Als Pflichtübung habe ich keinen Teil des Buches empfunden, da es für mich spannend war, immer wieder in andere Kulturen zu wechseln und den Zusammenprall mit amazonischem Gedankengut zu beschreiben. Allerdings habe ich die Szenen mit Ramses sehr geliebt (und musste oftmals während des Schreibens selber schmunzeln), weil Selina und er wie Feuer und Wasser sind, und sich immer wieder in die Haare bekommen. Auch die Szenen in Hattusa, in denen die ägyptische Gesandschaft relativ überheblich auf die aufstrebende Macht Hattusas schaut, welche versucht, mit den Ägyptern mitzuhalten, fand ich spannend zu beschreiben und gab mir die Möglichkeit, ein paar Schmunzelszenen einzubauen.

Histo-Couch: Können Sie uns schon etwas über ihr nächstes Buchprojekt verraten?

Birgit Fiolka: Gerne! Da ich in der Amazonentochter einige Dinge nicht mehr in die Geschichte einfließen lassen konnte, die ich gerne erzählt oder auch weiter erzählt hätte, wird es eine Fortsetzung geben, die unter dem Arbeitstitel „Das Vermächtnis der Amazonen“ läuft. Die Fortsetzung wird im Sommer 2009 bei Bastei-Lübbe erscheinen, und es wird sowohl neue Gesichter als auch vertraute Gesichter in der Geschichte geben, auf jeden Fall aber wieder Verwicklungen, die zum Schmunzeln aber auch zum Nachdenken anregen.

Histo-Couch: Vielen Dank für dieses Interview!

Das Interview führte Katharina Lewald.

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