Das Mysterium

  • Rütten und Loening
  • Erschienen: Januar 2007
  • 3
  • Rütten und Loening, 2007, Titel: 'Das Mysterium', Originalausgabe
Das Mysterium
Das Mysterium
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Birgit Stöckel
791001

Histo-Couch Rezension vonAug 2007

Ein anspruchsvoller Roman mit kleinen Schwächen

München 1356: Mathilde ist die Tochter des einflussreichen Kaufmanns und führt ein glückliches und wohlbehütetes Leben. Bis eines Tages ein weißhaariger alter Mann auftaucht und nach ihrem Vater fragt. Nun überschlagen sich die Dinge: Ihr Vater wird von der Inquisition gefangen gesetzt und als Ketzer verurteilt. Tief enttäuscht von ihrem Vater gelingt es der jungen Frau dennoch, ihn im Kerker zu besuchen und so erfährt sie seine ganze Geschichte, die sich zwanzig Jahre zuvor im Jahr 1336 in München zutrug. Damals war ihr Vater noch ein junger Mann, ein Meister der Tarnung und der Täuschung. Nur einer schien etwas über seine Vergangenheit zu wissen: Amiel von Ax, Anhänger der Katharer, der in München auftauchte, um die Lehren der "reinen" Kirche zu verbreiten. Doch nicht nur die Inquisition, sondern auch William Ockham, der große Gelehrte des Mittelalters, will Amiel von Ax vernichten, und so findet sich Nemo, so der damalige Name von Mathildes Vater, mitten zwischen den Fronten wieder.

Ketzer, Katholiken und Katharer

In gewohnter Weise erzählt Titus Müller die Geschichte dieses Romans: Anspruchsvoll, farbenprächtig und detailreich. Als zentrales Thema steht der Streit verschiedener theologischer Richtungen bzw. Ausrichtungen im Mittelpunkt. 1336 ist München eine Stadt, die eigentlich gar keine Religiosität ausleben durfte. Bereits 1324 war Ludwig IV der Bayer vom Papst exkommuniziert worden, da dieser die Rechtmäßigkeit von Ludwigs Herrschaft bestritt und München, die Residenzstadt des Kaisers, lag unter dem Kirchenbann. Dorthin hatte sich auch der Gelehrte und Franziskanermönch William von Ockham geflüchtet. 1328 war Ockham ebenfalls exkommuniziert worden, da seine Überzeugungen und Thesen zum großen Teil im Gegensatz zu denen des Papstes standen.

William von Ockham ist eine der glänzendsten Figuren dieses Romans und bereichert ihn ungemein. Titus Müller legt ihm in vielen Disputen und Gesprächen sowie in seinen Gedanken Originalzitate aus seinen Schriften in den Mund. Dadurch gewinnt nicht nur die Figur des William von Ockham an Authentizität, sondern auch das ganze Buch. Es regt einen dazu an, mehr über diesen großen Gelehrten des Mittelalters erfahren zu wollen.
Als Ockhams Gegenspieler tritt Amiel von Ax auf, ein Perfectus der "reinen" Kirche. Durch ihn erfährt man viel über die Lehre der Katharer und ihre schier übermenschlichen Anstrengungen, ihre Seele zu erlösen und sie aus dem bösen und sündigen Gefängnis ihres Körpers zu befreien. Der Streit zwischen diesen beiden Gelehrten und Amiels praktizierter Glaube geben dem Buch Würze. Allerdings setzt Titus Müller hierbei schon ein gewisses Maß an Kenntnissen beim Leser voraus. So werden zum Beispiel mehrere Synonyme der Katharer verwendet, ohne erklärt zu werden, ebenso wenig wird näher auf den "Dualismus" der Katharer eingegangen bzw. wird nicht weiter erklärt, was genau damit gemeint ist.

Nemo, eine Hauptfigur, die sich versteckt

Mitten in den Streit zwischen diese beiden Gelehrten gerät Nemo, ein junger Mann. Er wuchs als Findelkind bei einem mittlerweile aufgelösten kirchlichen Orden auf. Daher stammt auch sein Name, denn Findelkinder wurden traditionell Nemo, "Niemand", genannt. Allerdings hat er bruchstückhafte Erinnerungen an eine Zeit vor dem Kloster, und als er Amiel von Ax trifft, muss er erkennen, dass dieser offenbar etwas über seine Vergangenheit weiß. In dem Bemühen, mehr über sich zu erfahren, schließt er sich Amiel an und wird in die Ereignisse hineingezogen.

Nemo ist als Figur schwer zu mögen. Zwar ist der durchaus nicht unsympathisch, doch er ist ein Meister im Täuschen und Tarnen und schlüpft mühelos in die unterschiedlichsten Rollen. Daher bleibt er allerdings auch für den Leser schwer zu greifen, weil man das Gefühl hat, nie den wirklichen Nemo zu sehen zu bekommen. Natürlich passt diese Charakterisierung gut zu dem Namen und auch zu Nemos eigener Sicht über ihn selbst, aber es erschwert dem Leser, eine Bindung aufzubauen und wirklich Anteil an seinem Schicksal zu nehmen. Zudem verwirren seine Seitenwechsel und man kann manchmal nicht nachvollziehen, warum er so handelt.

Manchmal fast zu viele Informationen

Auf etwas mehr als 460 Seiten vermittelt Titus Müller eine Fülle an Informationen. Während das auf der einen Seite das Buch sehr interessant und atmosphärisch dicht macht, überfordert es den Leser auf der anderen Seite auch manchmal. Man muss das Buch konzentriert lesen, um auch kein Detail, was später wichtig sein könnte, zu verpassen. Immer wieder wird man teilweise aus dem Lesefluss gerissen und muss noch einmal zurück blättern oder sich gewisse Sachen in Erinnerung zu rufen. Das kann auf Dauer anstrengend und ermüdend sein.

Insgesamt ist Titus Müller mit diesem Roman ein anspruchsvolles Werk mit hervorragenden Charakteren und einem interessanten Thema gelungen. Man muss als Leser allerdings gewillt sein, sich voll und ganz auf dieses Buch einzulassen und entweder Vorkenntnisse über diese Zeit haben oder bereit sein, z.B. im Internet weiterführende Informationen zu suchen.

Positiv sticht die Aufmachung des Buches heraus. Bereits das Cover ist ungewöhnlich und weckt Interesse, zudem finden sich eine Karte des damaligen Münchens und ein informatives Nachwort des Autors. Doch auch nach Lektüre dieses Nachworts bleibt ein Mysterium bestehen: Warum das Buch so heißt wie es heißt, das erschließt sich nämlich während der ganzen Geschichte nicht wirklich.

 

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Titus Müller, Rütten und Loening

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