Die Akte Schneeweiß
- Heyne
- Erschienen: Mai 2025
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Zwei Frauen, zwei Zeitebenen und der derselbe Kampf.
Felicitas Fuchs erzählt in diesem vielschichtigen Roman zwei Frauenschicksale, die durch eine Generation und ein Familiengeheimnis miteinander verbunden sind. Im Mittelpunkt steht Katja Schilling, ein junges Mädchen, das 1963 mit ihren Eltern in einfachen Verhältnissen in Bielefeld lebt. Ihre Eltern wünschen sich für sie ein traditionelles Leben als Ehefrau und Mutter – wie es bereits drei Jahrzehnte zuvor von der jungen Mathilde Schneeweiss erwartet wurde. Doch beide Frauen entscheiden sich gegen die vorgezeichneten Wege und kämpfen – jede in ihrer Zeit – für Selbstbestimmung und Gleichberechtigung.
Kämpferische Frauen
Bielefeld, 1963–1978: Als Katjas geliebter Grossvater Dom plötzlich verschwindet, verliert sie nicht nur ihren Unterstützer, sondern auch den Zugang zu einem Teil ihrer Familiengeschichte. Niemand will über die Vergangenheit oder den Grossvater sprechen. Ein weiteres heikles Thema ist Katjas Bildungswunsch, den ihre Eltern nicht akzeptieren. In dieser Sache bleibt sie jedoch standhaft und macht über Umwege ihr Abitur und beginnt ein Medizinstudium mit dem Ziel, Gynäkologin zu werden.
Katja vergisst indes ihren Opa nicht – das Tabuthema in der Familie. Jahre später stösst sie auf Spuren, die in die Vergangenheit führen und zu Mathilde Schneeweiss, der Schwester ihres Grossvaters.
Bielefeld, 1936–1943: Mathilde Schneeweiss arbeitet in den 1930er-Jahren zunächst bei einer jüdischen Familie. Im Zuge des aufkommenden Nationalsozialismus entschliesst sich die Familie auszuwandern. Weil Mathilde dadurch ihre Arbeit verliert, vermitteln sie der jungen Frau eine Anstellung beim Frauenarzt Dr. Böhnisch. Sie wird bald schon zu seiner Vertrauten und unentbehrlichen Assistentin. Als er plötzlich stirbt, steht sie unvermittelt im Fokus der Nazis. Sie wird gezwungen, für das Regime zu arbeiten und man droht ihr mit Repressionen gegen die Familie, falls sie sich weigert. Doch Mathilde findet einen Weg, sich zu widersetzen. Heimlich dokumentiert sie die Verbrechen, um sie mit Unterstützung ihres Bruders der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Geschichten, die verbinden
Die Geschichten von Mathilde und Katja weisen viele Gemeinsamkeiten auf. Beide Zeitebenen erzählen vom Kampf der Frauen für ihre Rechte. Felicitas Fuchs gelingt es, die jeweilige Zeit anschaulich und lebendig einzufangen. Besonders die Passagen über Mathilde sind eindrucksvoll, dicht und bewegend. Die Darstellung der 1960er-Jahre mit ihren gesellschaftlichen Zwängen, aber auch neuen Möglichkeiten, wirkt authentisch und nachvollziehbar. Allerdings hat sie nicht dieselbe Wirkung. Die Erzählung wirkt hier eher oberflächlich und spannungsarm.
Sowohl Mathilde als auch Katja entwickeln sich zu starken, eigenständigen Frauen. Die Autorin beschreibt diesen Prozess einfühlsam und undramatisch. Ein Balanceakt, der ihr gut gelingt. Es ist eine aufwühlende Familiengeschichte, geprägt von Krieg, Schweigen und Verlust, aber auch von Hoffnung und Wiederannäherung.
Fazit
Ein berührender Roman über mutige Frauen, gesellschaftliche Zwänge und die Suche nach der Wahrheit. Felicitas Fuchs verknüpft persönliche Schicksale mit Zeitgeschichte. Ihre gründliche Recherche und ihr angenehmer Schreibstil sorgen dafür, dass die Vergangenheit nicht verblasst, sondern greifbar wird. Es ist eine eindrückliche Lektüre, die man nicht so schnell vergisst.

Felicitas Fuchs, Heyne
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