Der Geigenbauer

  • Unionsverlag
  • Erschienen: Februar 2025
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Carsten Jaehner
801001

Histo-Couch Rezension vonMai 2025

Der lange Weg eines Norwegers zum Glück.

Norwegen, zum Ende des 18. Jahrhunderts. Lars Hoem ist der jüngste Sohn des Bauern Ola, und Lars hat neben seinem Bruder Ole und seiner Schwester Mari noch einen Halbbruder, Pe genannt, der aus der ersten Ehe seiner Mutter stammt, aber bei ihnen auf dem Hof lebt und arbeitet. Lars und Pe verstehen sich sehr gut, auch als eine Magd ins Haus kommt, die eines Tages aus unerklärlichen Gründen verschwindet und nicht mehr gefunden wird. Lars verdächtigt Pe, sie getötet zu haben, aber es kommt zu keiner Aussprache. Pe geht an einen anderen Hof und Lars übernimmt mehr und mehr Aufgaben am elterlichen Hof. Bis er sich eines Tages entschließt, den Hof ebenfalls zu verlassen, und dem Ruf des Königs zu folgen und sich zum Militär zu melden, um auf den Schiffen Dienst für sein Land abzuleisten.

Nach intensiven Jahren auf See während der Napoleonischen Kriege und teilweise mit Admiral Horatio Nelson als Gegner, lernt er in Kriegsgefangenschaft auf einem Schiff einen französischen Musiker kennen, der ihm das Spiel auf der Geige beibringt. Lars erweist sich als sehr musikalisch und lernt so viel er kann, auch was das Handwerk des Geigenbauens angeht. Die Musik hilft ihm, die Strapazen zu überleben. Als er nach fünf Jahren wieder in sein Dorf heimkehrt, ist der Empfang nicht sehr überschwänglich, und er schlägt sich als Handwerker durch.

Durch einen Zufall bekommt er einen Satz Handwerkzeuge für einen Geigenbauer und sieht das als Wink des Schicksals, nicht nur als Musikant sein Brot zu verdienen, sondern auch selber Geigen zu bauen, besondere norwegische Geigen, die den Vergleich mit deutschen und italienischen Geigen nicht zu scheuen brauchen. Gemeinsam mit seiner Frau Gunhild lebt er in Kristiansund und führt mit ihr und sieben Töchtern ein gutes Leben, mit allem, was das Leben in Norwegen so mit sich bringt.

Eigene Familiengeschichte

Der norwegische Schriftsteller Edward Hoem erzählt mit der Geschichte von Lars Hoem die Geschichte seines Großvaters und gibt dabei Einblicke in das Leben der Norweger zum Ende des 18. Jahrhunderts und zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Dies ist aus mitteleuropäischer Sicht ein völlig neuer Blickwinkel und von daher allein deswegen interessant. Wer gelesen hat, dass sich Admiral Nelson in der Ostsee befunden hat und gegen die Skandinavier gekämpft hat, bekommt nun die Sicht auf dasselbe Ereignis von der anderen Seite präsentiert. Lars Hoem ist noch weit entfernt davon ein Geigenbauer zu werden, als er sich als Soldat einschreibt und erst einmal einfach nur rudern soll.

Lars Hoem ist das jüngste und eigentlich auch fröhlichste Kind am Hof seiner Eltern, aber das Ereignis um das Verschwinden der Magd Guri, die nie gefunden wird und für deren Verschwinden sein Bruder Pe verantwortlich gemacht wird, lastet schwer auf ihm. Es findet keine Aussprache statt, jeder schweigt in sich hinein, dies vergiftet die Atmosphäre dauerhaft. Überhaupt ist das Reden an sich wohl nicht das Ding der Norweger. Vieles wird nur kurz gesagt, lange Dialoge bleiben aus, die Sprache ist eher direkt als ausschmückend.

Eine ruhige, nicht immer flüssige Lektüre

So bleibt auch eine gewisse Romantik aus als Lars seine Gunhild kennenlernt und es sich andeutet, dass sich da eventuell etwas anbahnt. Eigentlich hatte sich Lars für Gunhilds Schwester interessiert, aber das war vor seiner Militärzeit. Nach diesen fünf Jahren ist sie verheiratet und Gunhild öffnet bei seiner Rückkehr die Haustür, daher geht alles seinen logischen Gang.

Was an ausführlichen Dialogen eingespart wird, findet aber in den Beschreibungen von Zeit, Orten und Gepflogenheiten seinen Niederschlag. Man ist jederzeit informiert, jedenfalls soweit es von Interesse für Lars ist, wie das – einseitige – Weltgeschehen aussieht, und diese Stimmungen werden vom Autor treffend eingefangen und beschrieben. Sei es das Fischen, die Wetterstimmungen, das Leben auf den norwegischen Inseln, die Traditionen, das mühselige Geldverdienen, alles hat seine Zeit und seinen Platz - das ist eben so und mehr muss nicht gesagt werden.

Wie man Geigen baut

Lars‘ Leben ändert sich, als er während seiner Militärzeit in Gefangenschaft einen Franzosen kennenlernt, der Geige spielt und der ihm zeigt, wie man eine Geige baut und der ihm das Geheimnis des Firniss, also der schützenden Lackierung für Geigen, erklärt und sein Rezept dafür verrät. Von nun an hat Lars eine Aufgabe, und als er endlich eine Familie gründen kann, kann er sie tatsächlich durch das Fertigen von Geigen ernähren, auch wenn es schlechte und gute Zeiten gibt. Natürlich besteht sein Leben nicht nur aus dem Bauen von Geigen, das ausführlich beschrieben wird, sondern auch in anderen handwerklichen Arbeiten, etwa beim Stallbau des Nachbarn; aber Erfüllung findet Lars hauptsächlich im Bauen von Geigen.

Und auch wenn die Sache mit Pe sein ganzes Leben lang auf ihm lastet und er merkt, dass das irgendwie noch ausgesprochen und geregelt werden muss, ist doch die Musik sein Anker - und sowohl das Fertigen von Geigen als auch das Musizieren selbst auf Anlässen gibt ihm Kraft und Hoffnung, sein sonst eigentlich karges Leben zu leben, sieben Töchter großzuziehen und doch ein zufriedenstellendes Leben zu haben.

Das Buch hat außer einem dreiseitigen Nachwort keine Zugaben, bietet 330 Seiten voller norwegischer Traditionen, Ansichten und Gegebenheiten, die ruhig erzählt werden, auch wenn es hektisch wird. Streckenweise ist die Erzählweise etwas trocken, man schüttelt als Leser dann und wann den Kopf ob einer gewissen Sturheit, und man würde den Protagonisten das eine oder andere Mal gerne helfen oder einen Hinweis geben, wie sie eine Situation besser lösen können. Das ist aber leider nicht möglich, und so müssen einige Umwege zum Glück genommen werden. Reden kann helfen.

Fazit

„Der Geigenbauer“ von Edvard Hoem ist ein ruhiger Roman, der in das Norwegen des ausgehenden 18. Und beginnenden 19. Jahrhunderts führt und dort den Weg des Großvaters des Autors beschreibt. Dieser schlägt sich als Seemann, Ruderer, Handwerker und Fischer durch, ehe er im Handwerk des Geigenbauens und im Musizieren seine Erfüllung findet. Der Roman bietet eine treffende Einsicht in das Leben dieser Zeit in Norwegen und zeigt örtliche und religiöse Traditionen auf, die heute vielleicht nicht mehr so bekannt sind.

Der Geigenbauer

Edvard Hoem, Unionsverlag

Der Geigenbauer

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