Graffenrieds Gründung

  • Zytglogge
  • Erschienen: April 2025
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Monika Wenger
801001

Histo-Couch Rezension vonMai 2025

So viel gewollt und so wenig erreicht.

Nun, das hätte er nie gedacht. Er, der Gründer von New Bern in North Carolina, sitzt einsam und verarmt in seinem Turm auf Schloss zu Worb im Kanton Bern in der Schweiz. Christoph von Graffenried hat viel zu erzählen, aber sein Geist vermag nicht mehr alle Gedanken zu fassen. Manche fliegen davon, andere halten sich hartnäckig. Bevor er jedoch von dieser Welt scheidet, will er seinen Lebensbericht schreiben.

Ein Draufgänger mit diplomatischem Geschick

Christoph, Stöff, wie er sich nennt, von Graffenried entstammt einer Berner Patrizierfamilie. Die Mutter stirbt früh, der Vater duldet keine Schwächen. Doch der junge von Graffenried ist ein Träumer, ein Lebemann, ein Gutmensch, aber auch ein Schlawiner mit diplomatischem Geschick.

«Stöff fand sich nicht ausersehen, die vorbestimmte Karriere als guter Patriziersohn in Amtsstuben auszusitzen und nach den Regeln der Berner Gesellschaft in gelenkten Bahnen sein Leben zu fristen.»

Er kann seinen Vater überreden, ihm aus dem Nachlass seiner Mutter eine Studienreise nach Dresden zu finanzieren. Allerdings mit einem Mentor an seiner Seite. Doch schon in Heidelberg lässt er sich vom kurpfälzischen Hofleben beeinflussen. An ein Studium ist nicht zu denken – das Leben lockt. Der Vater ist verärgert, bezahlt aber Christophs Schulden. Dieser reist auf Geheiss des Vaters weiter nach Leiden, um dort endlich mit dem Studium der Rechte, der Geschichte und der Mathematik zu beginnen. Zwei Jahre lautet die Vorgabe des Vaters.

Nach seinem Aufenthalt in Leiden reist der junge Mann nach England. In London macht er sich am Hof beliebt und knüpft Verbindungen, kehrt dann aber nach Bern zurück. Wieder muss der Vater Schulden begleichen. Viele Jahre vergehen, in denen Christoph von Graffenried auf verschiedene Weise versucht, sein Glück zu finden. Ohne Erfolg. Und dann, im Mai 1709 bricht er ohne ein Wort des Abschieds abermals nach London auf. Zurück bleiben seine Frau, elf Kinder und ein zorniger Vater, dem er die Begleichung weiterer Schulden überlässt.

Christoph von Graffenried stürzt sich in das Abenteuer Amerika. Mit einer Gruppe von Täufern, die dort angesiedelt werden sollen, versucht er erneut, sein Glück zu finden. Er sieht sich selbst als Pionier, Entdecker, Verwalter und Diplomat. Doch die Realität gestaltet sich schwieriger als erwartet. Vor ihm liegen grosse Herausforderungen: Politische Unruhen, aufständische Ureinwohner, gebrochene Versprechen, unzufriedene Siedler, schlechte Ernten und vieles mehr.  

Nichts ist von Dauer

Nicolas Ryhiner hat das Leben von Christoph von Graffenried in einen unterhaltsamen und spannenden Roman verpackt. Er lässt ihn zwischendurch gleich selbst erzählen. Teilweise zitiert Ryhiner dazu Originaltexte. Das schafft Nähe und vermittelt einen bildhaften Einblick in das Zeitgeschehen. Christoph von Graffenried gilt als erster Gründer der Kolonie New Bern in North Carolina. Doch das Glück ist ihm nicht hold. Zu viele Abenteurer sind unterwegs und finden in dem Berner Patrizier einen leichtgläubigen Zeitgenossen. Zudem hat von Graffenried keine glückliche Hand im Umgang mit Geld. Wobei man ihm zugutehalten muss, dass oft auch unglückliche Umstände ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Sein Talent ist die Diplomatie. Aber auch das kann ihn nicht vor den Kämpfen mit den Tuscarora-Indianern retten. Seine Siedlung wird völlig zerstört und von Graffenried kehrt 1714 in die Schweiz zurück. Hier, in seinem Turm in Worb, schreibt er nun seine Lebensgeschichte.

«Er wird Zeugnis ablegen vom Pech, von dem er, der weitsichtige Menschenführer, immer verfolgt war. Die Dinge endlich richtigstellen, nach endlosen Jahren widerwärtiger Erniedrigung, die er durchlitten hat, statt die gebührende Anerkennung zu bekommen.»

Fazit

Die Geschichte über den Berner Patrizier und Gründer der Kolonie New Bern ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch lehrreich. Nicolas Ryhiner gelingt es, die historischen Hintergründe fesselnd darzustellen und dem Leser einen tiefen Einblick in die Gesellschaft und das Denken des 18. Jahrhunderts zu geben.

Graffenrieds Gründung

Nicolas Ryhiner, Zytglogge

Graffenrieds Gründung

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