Das Erbe der Karolinger
- Lübbe
- Erschienen: Februar 2025
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Wie man erfolgreich ein Reich weitervererbt.
Das fränkische Reich im Jahr 817. Kaiser Ludwig, Sohn und Nachfolger von Kaiser Karl dem Großen, regiert das fränkische Reich mit friedlicher Hand und entscheidet sich dazu, seinen erstgeborenen Sohn Lothar zum Mitkaiser zu krönen, wie es Karl damals auch mit Ludwig gemacht hatte. Ludwigs andere beiden Söhne Pippin und Ludwig der Jüngere bekommen Aquitanien beziehungsweise Bayern zur Verwaltung, und so stellt sich Ludwig vor, könne er sein Reich einmal beruhigt in gesicherte Hände legen.
Nach dem Tod seiner Frau Irmingard sucht er sich jedoch eine neue Frau und findet sie in Judith, der Tochter des Grafen Welf, und heiratet sie 819. Nach einer Tochter Gisela bekommt sie 823 noch einen Sohn, den sie ausgerechnet nach seinem Großvater Karl nennt, was vor allem Lothar aufbringt, der Judith damals lieber für sich selbst gehabt hätte. Als Judith bei ihrem Mann gleiche Rechte für ihren Sohn als Kaisersohn gegenüber seinen Halbbrüdern fordert, gibt Ludwig ihr recht und ändert auf einem Reichstag die neuen Gebietsregeln, durch die die anderen drei Brüder Land abgeben müssen. Zwar ist Karl noch zu jung, um in das Geschehen einzugreifen, aber es entspinnt sich ein fast zwanzigjähriger Streit zwischen dem Vater und seinen Söhnen, die oft kurz vor dem Krieg stehen. Ludwig will alles friedlich regeln, doch strebt gerade sein Erstgeborener und Mitkaiser Lothar nach mehr Macht und Land.
Der Schatten Karls des Großen
Mit seinem Roman „Das Erbe der Karolinger“ beschreibt Claudius Crönert die Zeit von 817 bis 840, als Kaiser Ludwig, der später den Beinamen „der Fromme“ bekommen wird, stirbt und sein ältester Sohn Lothar nun als alleiniger Kaiser über das Reich der Franken herrscht. Der Beiname kommt daher, dass Ludwig sich immer gescheut hat, Probleme in seinem Reich durch Waffen oder gar Krieg zu regeln, und von Anfang an ist sein Sohn und Erbe Lothar da ganz anderer Meinung. Schon als Lothar zum Mitkaiser ernannt wird, nimmt er die Dinge anders in die Hand als sein Vater, was allerdings nicht immer von Erfolg gekrönt ist. Manche Piraten überfallen weiterhin Küstenorte, und so bestehen immer Spannungen zwischen Ludwig und Lothar.
Das sind natürlich keine guten Voraussetzungen für eine erfolgreiche gemeinsame Regierung, und es ist leicht zu ahnen, dass das nicht gut gehen wird. Auch die anderen beiden Söhne, Pippin und Ludwig der Jüngere (später Ludwig „der Deutsche“ genannt), werden zum Spielball des Streits, und eine endgültige Beilegung wird außerhalb dieses Romans liegen, da Ludwig der Fromme diese nicht mehr erlebt hat.
Ludwig der Fromme als Hauptfigur
Crönert beschreibt die Jahre bis 840, als Ludwig in Ingelheim stirbt, und natürlich kann er das komplizierte Geflecht des Frankenreiches in einem Roman nicht bis ins letzte Detail beschreiben, einige Handlungsstränge bleiben weg, auch werden Personen wie beispielsweise seine Tochter Hildegard im Roman komplett weggelassen, das hätte den Roman wohl noch komplexer gemacht, als er eh schon ist.
Ludwig ist ein Herrscher, der mit allen in Frieden leben möchte und den Krieg und alle Auseinandersetzungen mit dem Schwert scheut und lieber verhandelt als kämpft. Das unterscheidet ihn von seinem Sohn Lothar, bei dem es anders herum ist, und daher prallen die beiden immer wieder aufeinander, mal im Guten, mal im Schlechten. Zwischen beiden steht ausgerechnet Judith, eine Frau, die Lothar gerne gehabt hätte, die Ludwig aber für sich wählt, ohne von Lothars Ansinnen gewusst zu haben. Judith steht zwischen den Stühlen und möchte natürlich ihren Sohn Karl mit in der Erbfolge berücksichtigt wissen, eine Tatsache, die sie von vielen Historikern zu einer schlechten Person machen, da dieses Ansinnen letztlich für die Spaltung des Reiches und die Kriege der Brüder miteinander und untereinander und gegeneinander verantwortlich ist.
Ludwigs Frau Judith als Ursache der Streitereien
Crönert versucht in seinem Roman, Judith neben Ludwig als zweite Hauptfigur zu beschreiben und sie vor allem von diesem ruhmsüchtigen Image zu befreien, sie zu einer normalen Mutter zu machen, die ihren Kindern das sichern will, was ihnen von Geburt wegen zusteht. Dass gerade Lothar damit nicht einverstanden ist, versteht sich von selbst, und so nimmt das Schicksal des Reiches seinen Lauf.
Crönert beschreibt die Zeit der Karolinger gut hat einen flüssig zu lesenden Roman verfasst, der den Leser mühelos in das 9. Jahrhundert holt und durch seine Beschreibungen einen realistischen Hintergrund setzt. Eine Karte des fränkischen Reiches von 817-840 im Einband erleichtert dem Leser das Nachverfolgen der Reiserouten im Roman, ein Personenverzeichnis und ein historisches Nachwort sind weitere Ergänzungen des etwas mehr als 800-seitigen Romans aus dem Lübbe Verlag. Interessant wäre noch gewesen, wie es mit Lothar und Judith nach Ludwigs Tod weitergegangen ist, aber das verschweigt der Autor leider. Oder ist das der Stoff für einen weiteren Roman?
Trotz teilweise spannender Lektüre muss man erwähnen, dass dem Lektorat doch der eine oder andere Schnitzer durch die Lappen gegangen ist, es fehlen gelegentlich Worte oder sind zu viel, an einer Stelle wird Pippin sogar „Philipp“ genannt, ein Name, der sonst im gesamten Buch nicht vorkommt. Hier wäre etwas mehr Sorgfalt angebracht gewesen.
Fazit
„Das Erbe der Karolinger“ von Claudius Crönert ist eine bisweilen spannende, auf jeden Fall aber interessante Lektüre deutscher Geschichte, die erzählt, wie es im Frankenreich nach dem Tod Karls des Großen weitergegangen ist. Der Autor beschreibt das 9. Jahrhundert so, wie es tatsächlich gewesen sein könnte und pflegt einen flüssigen Schreibstil, so dass sich die 800 Seiten sich viel kürzer anfühlen als sie sich erst einmal anhören. So sind Geschichtsstunden interessant zu lesen.

Claudius Crönert, Lübbe
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