Die Impfpionierin
- Lübbe
- Erschienen: Februar 2023
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Mit grossem Einsatz gegen die Pocken.
Das Leben einer wissbegierigen und selbstbewussten Lady im 18. Jahrhundert ist in diesem Roman facettenreich in Szene gesetzt. Dass ihr Kampf als Impfpionierin nicht im Bewusstsein blieb, ist sicher der Zeit geschuldet, in der sie gelebt hat.
«Nein, das mögen Männer nicht. Die meisten jedenfalls nicht. […] Frauen können neben Männern nur bestehen, wenn sie sich bilden. Wenn sie wissen, was in der Welt geschieht, wenn sie die Weisheit der Philosophen und der grossen Dichter in sich aufsaugen und sich Meinungen erlauben können, die auf Wissen und Vernunft beruhen.»
Eine abenteuerliche Reise und eine weltbewegende Entdeckung
Lady Mary wurde 1689 geboren. Ihre Erziehung und ihre Bildung entsprechen den herrschenden gesellschaftlichen Vorstellungen. Doch die junge Lady ist eigenwillig und wissbegierig. Die Bibliothek ihres Vaters ist umfangreich und ermöglicht ihr, ihren Wissensdurst zu stillen. Ihren späteren Ehemann, Sir Edward Wortley Montagu, hat sie mit zwanzig Jahren, gegen den Willen ihres Vaters, geheiratet. Das verrät schon einiges über den Charakter der Lady. Als ihr Gatte als Botschafter nach Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, berufen wird, reist sie mit ihm. Sie hat sich aber ausbedungen, die Reise nicht per Schiff, sondern auf dem Landweg zu bewältigen. Lady Mary möchte so viel wie nur möglich von den fremden Ländern sehen und ihre Bewohner kennenlernen. Der Ausbruch der Pocken in Bulgarien erinnert Lady Mary an ihre eigene Pockenerkrankung. Sie hat zwar überlebt, aber deutliche Spuren auf ihrem Körper zeugen davon.
Während der Reise hört sie das erste Mal von der im Osmanischen Reich üblichen Vorbeugungsmethode gegen die Pocken. Die sogenannte Variolation dient der Immunisierung der Menschen. Noch ist Lady Mary von der Wirkung der Behandlung nicht restlos überzeugt. Erst als sie in Konstantinopel auf Frauen trifft, deren Haut glatt und schön ist, die keine Pockennarben aufweisen, ist sie sich sicher, dass das angewandte Vorgehen greift. Lady Mary will die Methode in ihrem Heimatland bekannt machen und setzt sich, nach ihrer Rückkehr nach England, aktiv dafür ein.
In Vergessenheit geraten
Über die Zeit im Osmanischen Reich hat Lady Mary fleißig in ihre Heimat berichtet. Ihre Reiseberichte und ihre Erlebnisse sind in den Turkish Embassy Letters unterhaltsam festgehalten. Diese Dokumente dienen der Autorin Paula Bellheim als Vorlage für den Roman.
Nach der Rückkehr in die Heimat ist Lady Mary bald wieder ein begehrter Gast in der Gesellschaft. Ihre Stellung benutzt sie nun, um die Menschen von der Schutzwirkung der Variolation zu überzeugen. Als Frau darf sie jedoch keine medizinischen Eingriffe vornehmen und ist deshalb auf männliche Unterstützung angewiesen. Leider zeigt ihr Einsatz nicht die erhoffte Wirkung. Die Mediziner weichen nicht von ihrem Jahrhunderte alten Vorgehen ab und wenn, wenden sie die Methode falsch an. Erst Jahre später wird ein gewisser Dr. Edward Jenner eine weitere Entdeckung machen, die dann der Pockenimpfung zum Durchbruch verhilft.
Paula Bellheim hat in ihrem Roman die Lebensgeschichte der Lady Mary Wortley Montagu in eine angenehm zu lesende Lektüre verpackt. Die locker und flüssig geschriebene Geschichte verhilft dieser Erzählung zu einer angenehmen Leichtigkeit. Viele Informationen zum Leben im 18. Jahrhundert bereichern die Schilderungen.
Nicht außer Acht lassen darf man Lady Marys hohe Stellung in der Gesellschaft. Sie trägt wesentlich dazu bei, dass sie sich als Frau mehr herausnehmen konnte, als dies für Viele je denkbar gewesen wäre.
Fazit
Lady Mary Wortley Montagu war ihrer Zeit weit voraus. Als wissbegierige und geistreiche Adelige war es ihr dennoch nicht möglich, männliche Domänen zu durchbrechen. Nur so ist es erklärbar, dass sie als Impfpionierin in Vergessenheit geraten ist. Mit diesem Roman bringt Paula Bellheim diese wichtige Persönlichkeit wieder in das Bewusstsein der Öffentlichkeit.
Paula Bellheim, Lübbe
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