Jenseits der Mur

  • Emons
  • Erschienen: August 2022
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Carsten Jaehner
851001

Histo-Couch Rezension vonSep 2022

Krimi aus der Steiermark mit Charme

In einem Mädchenpensionat in Annaberg in der Nähe von Graz in der Steiermark herrscht ein strenges Regiment. Die Oberlehrerin ist Fräulein Berta Stieglitz, noch keine vierzig Jahre alt und doch der Ansicht, dass Mädchen keine Freude empfinden dürfen, strengsten Regeln zu gehorchen haben, so gut wie keinen Kontakt zur Außenwelt haben dürfen und vom anderen Geschlecht noch nicht einmal wissen sollten, dass es überhaupt existiert. Unterstützt wird Fräulein Stieglitz von den beiden Lehrerinnen Helene Ammann und Ida Fichte, die beide viel jünger sind als ihre Vorgesetzte und, wenn sie dürften, nicht immer so streng wären, wie es die Hausregeln vorschreiben.

Man schreibt das Jahr 1882, es findet ein Tanzerl-Abend statt, sehr zum Missfallen von Frau Stieglitz, aber schließlich sollen ihre Zöglinge ja doch einmal heiraten, und irgendwie müssen sie ja mal, wenn auch auf Distanz, das andere Geschlecht hierzu kennenlernen oder eher umgekehrt, die Herren einen Blick auf die Schülerinnen werfen müssen. Natürlich unter strenger Observierung. Als einige Tage später eine der Schülerinnen tot im nahen Wald gefunden wird, in einem weißen Kleid und einem rosa Schleifchen an ihrer Kleidung, ist man um Diskretion bemüht, muss aber doch die örtlichen Gendarmen informieren.

So macht sich der große Wilhelm Koweindl daran, den Fall zu untersuchen, soweit ihn die Oberlehrerin überhaupt lässt. Da sie ihm den Zugang zum Pensionat verweigert, bittet er die sympathische junge Lehrerin Ida Fichte, die ihm etwas aufgeschlossener zu sein scheint, für ihn die eine oder andere Information einzuholen. So ermitteln die beiden jungen schüchternen Menschen im Geheimen in dem Mordfall, doch dieser soll nicht der einzige bleiben…

Die Sache mit Männern und Frauen…

Gudrun Wieser hat sich für ihren Debüt-Roman einen Schauplatz gewählt, der viel Raum für kleine persönliche Geschichten lässt und in dessen steifem Umfeld daher auch Platz für ein wenig Humor ist. Dabei ist die Grundkonstellation schon fast ein Klischee: ein Mädchenpensionat mit einer männerhassenden, erzkonservativen Oberlehrerin, was allein schon nach einem Verdacht schreit. Dazu eine junge neue Lehrerin, die vermeintlich mit dem ermittelnden Gendarmen anbändelt. Es werden einige Schülerinnen ermordet, und es gibt mit dem Hausdiener einen Hauptverdächtigen, und hinter allem steht ein unaussprechliches Geheimnis.

Aber so einfach ist es dann doch nicht. Was diesen Krimi auszeichnet, ist eben ein gewisser Charme, mit dem die Autorin erzählt, sich auch mal aus der Erzählebene abhebt und den Leser vermeintlich durch den Fall führt. Das verschafft der Erzählung eine angenehme Leichtigkeit, bei allem Ernst des Themas. Die Mädchen im Pensionat sind verunsichert und werden nach und nach von ihren Eltern abgeholt, die Oberlehrerin bleibt erstaunlich unsichtbar und nur die Lehrerin Ida Fichte scheint als einzige einen halbwegs kühlen Kopf zu behalten und versucht, beim Aufklären der Morde zu helfen.

Ländlicher Einsatz

Sehr charmant ist hier die Konstellation mit dem Gendarmen Koweindl, der nicht der hellste und nicht der schnellste ist, aber trotzdem mit Herz ermittelt und sich dabei ein wenig in Ida verguckt, der es aber scheinbar genauso geht. Dieses Herumgeturtel der beiden, die beide wenig Erfahrung in Sachen des anderen Geschlechts haben, ist amüsant zu lesen und gibt der Geschichte ihre eigene Würze.

Nicht so entscheidend ist für die Geschichte, dass sie im Jahr 1882 spielt, es hätte auch früher oder später sein können. Entscheidender für die Geschichte ist das ländliche Ambiente, denn nur hier konnte sich die Geschichte so entfalten wie sie es tut. Dieses Ambiente wird von der Autorin gut eingefangen, wie sind die Zuständigkeiten der Polizei, wer hat das sagen, wie sind die gesellschaftlichen Hintergründe. So detailreich und sprachlich gelungen bietet der Roman kurzweilige Unterhaltung mit charmanten Ermittlern und einer Mordserie, deren Aufklärung dann vielleicht doch die eine oder andere Überraschung parat hat.

Fazit

Gudrun Wieser Debütroman ist ein gelungener Kriminalfall in der ländlichen Steiermark, der das österreichische Kaiserreich präsentiert und charmant und spannend formuliert ist. Bleibt zu hoffen, dass es nicht der letzte Einsatz von Wilhelm Koweindl und Ida Fichte sein soll. Die beiden haben das Potenzial zu einer erfolgreichen Krimireihe, wenn die Autorin sich ihre Frischheit bewahrt.

Jenseits der Mur

Gudrun Wieser, Emons

Jenseits der Mur

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