Die Toten von Wien

  • Goldmann
  • Erschienen: September 2022
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonApr 2023

Zwei Morde in historisch spannender Zeit

Wien, 1922. Österreich versinkt immer noch im Schmerz des verlorenen Kaiserreiches nach dem großen Weltkrieg, die Trennung von Ungarn schmerzt besonders. Der Adelige Alexander, eigentlich „Sandor“ Baran arbeitet als Kommissär für die Wiener Polizei und hat noch immer nicht den Verlust seiner Schwester verwunden. Er weiß nicht, was mit ihr geschehen ist, ob sie tot ist oder lebt, alle seine Nachforschungen sind ins Leere gelaufen.

Da kommt ihm ein Mord gerade recht, der Anfang März geschieht und bei dem eine junge Frau grausam entstellt im Donaukanal gefunden wird. Am selben Tag wird ein ehemaliger Hofbeamter von einer Straßenbahn erfasst und getötet. Die Untersuchung der Leiche ergibt, dass wohl nicht die Tram schuld an seinem Tod war, sondern dass da jemand nachgeholfen hat. Ein Zettel in seiner Hand hilft Baran auf die Spur.

Gemeinsam mit seinem Kollegen Meisel beginnt er mit den Untersuchungen und verspricht der Witwe des Tram-Opfers, dass er den Mörder auf jeden Fall finden wird. Unterdessen stellt sich heraus, dass die junge Dame von der Donau Tänzerin an der Hofoper war, wo es gleich mehrere Verdächtige gibt. Je weiter die Ermittlungen voranschreiten, desto enger sind die beiden Mordfälle miteinander verknüpft, und Baran muss aufpassen, dass er nicht auch ein Opfer des Täters wird…

Krimi mit österreichisch-ungarischem Hintergrund

Karl Rittner ist das Pseudonym eines österreichischen Schriftstellers, der unter diesem Namen seinen ersten historischen Kriminalroman verfasst hat. Angesiedelt im Wien des Jahres 1922, also vier Jahre nach dem großen Weltkrieg (der damals noch nicht „Erster“ hieß, man wusste ja nicht, dass ein zweiter bald kommen würde), prägt der Gedanke an die alte Kaiserzeit das Leben in der Stadt an der Donau. Der Ermittler ist Alexander Baran, ein Kommissär ungarischer Abstammung und mit einer entsprechenden Vergangenheit im Gepäck, was bereits eine emotionale Ausgangsstellung bedeutet.

In diesem historischen Umfeld ereignen sich zwei Mordfälle, von denen einer zunächst nach einem Unfall aussieht, und zunächst geht es in beiden Fällen nicht voran, es wird immer komplizierter, und der, den man bereits als Täter zumindest am Mord an der Tänzerin ausgemacht hat, scheint es doch nicht zu sein. Nach weiteren Ermittlungen, die sehr stockend verlaufen, und in die vielleicht auch jemand aus dem eigenen Polizeihaus involviert ist, stellt Baran fest, dass die beiden Mordfälle irgendwie zusammenhängen.

Gedankensprünge

Es geht schon wild umher, die Ermittlungen laufen oft nicht wie geplant, und so ist der Roman auch ein wenig durcheinander. Während der Ermittlungen, in denen natürlich klischeehaft die Juden generalverdächtig sind – wie in dieser Zeit so üblich -, lernt Baran in Eleonore Werthmann auch die Verwandte eines Verdächtigen kennen, die sich als sperrige, aber interessante Figur entpuppt und an die Baran immer wieder denken muss. Entwickelt sich hier eine Hassliebe, auf die er gar nicht vorbereitet ist? Die Wortscharmützel zwischen den beiden sind erfrischend und hellen das Leseerlebnis deutlich auf.

Insgesamt besticht der Roman deutlich mehr durch sein historisches Ambiente als durch seine Handlung, die teilweise sehr wirr ist und die man durch verschiedene Gedankensprünge nicht konsequent verfolgen kann. Immer wieder kommen Dinge zutage, bei denen man sich fragt, ob man sie vorher überlesen hat, hier ist der rote Doppelfaden dann doch brüchig.

Geister der Vergangenheit

Am Ende kann Baran mit seinen Mitstreitern (lobende Erwähnung für seinen Assistenten Meisel!) nicht nur die Fälle erfolgreich in Verbindung bringen, er kann auch sein Geheimnis aus seiner Vergangenheit auflösen, das wie ein Damoklesschwert über dem gesamten Roman hängt. Immer wieder wird er durch Geräusche wie Türenknallen oder Reifenquietschen in seine Kriegsvergangenheit geholt. Das ist zwar irgendwo beeindruckend und verständlich und auch gut formuliert, insgesamt aber doch zu viel des Guten.

Eine kurze Danksagung mit Schlussbemerkung ist das einzige Extra, das der etwas mehr als 400-seitige Roman aus dem Hause Goldmann zu bieten hat. Es steht zu erwarten, dass der Roman der Beginn einer neuen Reihe sein soll, wie man dem Ende entnehmen kann. Man gibt dem Ermittlerteam gerne eine neue Chance, wenn der Autor dann auch seine Gedanken ordnet, bevor er sie zu Papier bringt.

Fazit

„Die Toten von Wien“ ist der Auftakt einer neuen Kriminalreihe des österreichischen Autors Karl Rittner, der sich in „seinem“ Wien gut auskennt, vor allem historisch. So ist auch der historische Aspekt des Romans spannend und für deutsche Leseraugen wohl neu, die beiden Mordfälle hingegen werden etwas wirr und durcheinander gelöst. Ein Trauma aus der Vergangenheit überschattet Kommissär Barans Ermittlungen, am Ende löst sich (fast) alles auf. Ein interessanter Start mit Potenzial, dem man gerne eine weitere Chance geben wird.

Die Toten von Wien

Karl Rittner, Goldmann

Die Toten von Wien

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