Das Mädchen von Agunt

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Juni 2022
  • 1
Das Mädchen von Agunt
Das Mädchen von Agunt
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Kirsten Kohlbrei
781001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2022

Starkes Frauendasein im Tirol der Römerzeit

Im Jahr 150 nach Christus gehört das Land des keltischen Stamms der Laianken, in etwa das heutige Osttirol, zum römischen Imperium. Das Zentrum bildet die Gebirgsstadt Aguntum. Hier führt die junge Cincia mit ihren Eltern Amma und Buccio das einfache, beschwerliche, aber freie Leben einer Bergbauernfamilie. Hinter den Toren der Stadt bestimmen die zwei reichen römischen Bürger, Lucius und Tullius, mit ihren Anhängern im Stadtrat über die Geschicke der Bürger, wobei Lucius seine Position als Stadtoberhaupt skrupellos zur eigenen Bereicherung ausnutzt.

Zur Sklavin gemacht, als Besitz verkauft

Cincias Leben ändert sich dramatisch, als ihre Familie in dessen dunkle Machenschaften verstrickt wird. Cincias Vater wird in den Ruin getrieben, damit der kleine Hof enteignet werden kann und flieht in die Berge. Zurück bleiben Cincia und Amma, die ihre Freiheit verlieren. Auf Entscheid von Lucius werden sie zu Sklavinnen erklärt, damit er Amma für seinen eigenen Gutshof ersteigern kann, da sie besonderes Können in der Käsefertigung besitzt.

Besonders Titus, der Sohn des Käsehändlers setzt sich für die beliebten Frauen ein, um ihnen ein Schicksal in Unfreiheit zu ersparen. Seine Unterstützung für Cincia bezahlt er mit einem Gladiatorenkampf gegen einen Handlager von Lucius, den er am Verkaufstag in der Arena aber für sich entscheidet. Tullius, der nach langem Zögern, seine Machtstellung behaupten will, stellt sich bei der Versteigerung offen gegen seinen Widersacher, indem er Mutter und Tochter für seinen Haushalt erwirbt.

Kampf um politische Macht und habgieriger Betrug

Lucius sieht nach der doppelten Niederlage seine Führungsposition bedroht. Sein Sohn Linus beginnt rücksichtslos und brutal mit Gleichgesinnten, die bröckelnde Gefolgschaft der Anhänger seines Vaters durch Angst und Bedrohung mit gezielten Übergriffen zu sichern. Unterstützt wird er dabei von seinem Cousin Romilius aus Rom, der jedoch wiederum seine eigenen Interessen verfolgt. Zwei weitere Ankömmlinge aus Rom nehmen Anteil an den Geschehnissen in Aguntum.

Adnamatus, der Erbe der regionalen Erzbergwerke, schlüpft in die Rolle eines lächerlichen Gecks, um inkognito dem Verdacht nachzugehen, dass Lucius, als Verwalter seiner Minen, beträchtliche Gewinnsummen unterschlägt. Crispinus, ein in Ehren aus dem aktiven Gardedienst entlassener Soldat, übernimmt die Aufsicht der Sicherung der Handelswege der Region.  Als laiankischer Häuptlingssohn Votticus musste er vor Jahrzehnten seine Heimat verlassen und wird nun bei seiner Rückkehr mit der eigenen Vergangenheit konfrontiert.

Loyalität, Lebengefahr und Liebe

Cincia, die sich mit ihrer Rolle als Besitztum nur schwer abfinden kann - auch wenn sie dankbar für ihren Platz im Haus von Tullius ist - verfolgt ebenfalls die selbstsüchtigen Ambitionen und verbrecherischen Taten von Lucius und seiner Gefolgschaft. Obwohl der Standesunterschied sie trennt, wächst die Zuneigung von Cincia und Titus, als Gleichgesinnte im Widerstand gegen die feindliche Seite. Die Situation verschärft sich, nachdem es bei einem erneuten nächtlichen Überfall zu einem ersten Todesfall kommt. Zu diesem Zeitpunkt macht Anamatus einen Inspektionsbesuch seiner Bergwerke, während Cincia mit ihrer Herrin und deren Familie auf Pilgerreise geht. Auf erschreckende Weise zeigt sich dabei die Lebensgefahr, in der Lucius Gegner schweben. Und die junge Cincia sieht sich plötzlich in der Verantwortung durch ihr selbstloses und mutiges Vorgehen den Verlauf der Ereignisse zu bestimmen und damit auch ihr eigenes Schicksal zu entscheiden...

Unter ihrem Pseudonym Iny Lorentz nimmt das im Histo-Sektor fest verankerte Autorenpaar, Iny Klocke und Elmar Wohlrath, die Leser*innen in ihrem Roman diesmal mit in die Zeit des römischen Reichs. Dabei rankt sich die Geschichte des Mädchens von Agunt um zwei Fundstücke aus der österreichischen Ausgrabungsstätte der ehemals römischen Stadt Aguntum. Zum einen um die Entlassungsurkunde eines kaiserlichen Offiziers, mehr noch aber um das Relief des Grabs eines reichen Römers, auf dem eine junge Sklavin ungewöhnlich hervorgehoben wird.

Solider Plot mit polarisierenden Charakteren

Zu dieser Sklavin wird im Buch die siebzehnjährige Cincia. Gut mit der römischen Kultur und Zeit vertraut, gelingt es Lorentz das Schicksal der jungen Keltin in eine Szenerie einzubetten, die den Alltag in der römischen Provinz abseits vom Zentrum Rom lebendig macht. Unverschuldet gerät Cincia vor dieser Kulisse in die Machtspiele der römischen Besatzer ihrer Heimat. Der Verlust ihrer persönlichen Freiheit zieht sich als Thema durch die Geschichte und macht sie in der Rolle der Sklavin, die sich nicht aufgibt und ihre Individualität erhält, gleichzeitig aber loyal zu ihrer Herrschaft steht, zur sympathischen Protagonistin, die die Handlung des Romans trägt.

Spannungsreich verknüpft sich ihr eigenes Los mit dem Geschehen. Römisch-romantisch wird es dabei durch die zunehmend vertraute Beziehung zu dem verständnisvollen Titus. Im krassen Gegensatz dazu steht der unsägliche Lucius und sein durchweg unsympathisches Umfeld. Hier fällt die Gut-Böse-Malerei der Geschichte stellenweise etwas einseitig aus. Wirklich unschön ist der Ton in den Dialogen von Lucius Sohn und seinen willigen Gehilfen. Mit dem zotigen Sprachstil rutscht der Roman bisweilen in den Bereich des Trivialen ab. Das Lorentz es besser kann, zeigen die vertrauten, respektvollen Gespräche zwischen den Mitgliedern, der sich gegen den machtbesessenen Bürgermeister, über gesellschaftliche Stellung hinaus bildenden Allianz. Eine Vielzahl von Erzählsträngen zu den ausgefeilten Nebenfiguren bereichert dabei die Haupthandlung, ohne überfrachtend zu wirken.

Fazit

Iny Lorentz stellt einmal mehr eine starke Frauenpersönlichkeit in den Mittelpunkt ihres Romans. Gewissenhaft recherchiert, geschichtlich korrekt, dabei ohne nennenswerte Überraschungen, aber dennoch mit den richtigen Ingredienzien für eine gute Geschichte. „Das Mädchen von Agunt“ ist mit geübter Routine geschriebene, verlässliche Histo-Unterhaltung.

Das Mädchen von Agunt

Iny Lorentz, Droemer-Knaur

Das Mädchen von Agunt

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