Eine Liebe zwischen den Fronten

  • Lübbe
  • Erschienen: Juni 2020
  • 8
Eine Liebe zwischen den Fronten
Eine Liebe zwischen den Fronten
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Birgit Stöckel
771001

Histo-Couch Rezension vonAug 2020

Die Schrecken des Deutsch-Französischen Krieges

Der Beginn des Deutsch-Französische Krieges von 1870/71, der sich in vielerlei Hinsicht von vorangegangen militärischen Auseinandersetzungen unterschied und den Nährboden für die „Erbfeindschaft“ zwischen Franzosen und Deutschen legte, jährt sich 2020 zum 150. Mal. Grund genug für die Autorin Maria W. Peter, sich in ihrem Roman „Eine Liebe zwischen den Fronten“ mit diesem Thema zu befassen.

Die im Klappentext beschriebene Liebe zwischen dem preußischen Arzt Paul von Gerlau und der Französin Madeleine Tellier ist tatsächlich einer der Schwerpunkte der Geschichte und sozusagen der rote Faden. Doch Maria W. Peter verwebt gekonnt eine Vielzahl an Themen miteinander. Man erlebt als Leser den Krieg sowohl aus preußischer als auch französischer Sicht. In einer eindringlichen, klaren Sprache ohne unnötige Grausamkeiten werden die Beschlagnahmungen von Lebensmitteln, Wohnungen und Gebäuden durch das preußische Militär ebenso geschildert wie die unhaltbaren Zustände in Metz und seinen Lazaretten während der Belagerung. Doch auch die Politik kommt nicht zu kurz. In Paris wird nach der Gefangennahme Kaiser Napoléons III. die Zweite Republik ausgerufen, während der Pariser Kommune erheben sich radikal-republikanische und linksgerichtete Kräfte und auch die Gründung des Deutschen Kaiserreichs in Versailles wird geschildert. Gerade der letzte Punkt löst beim Lesen durchaus Beklemmungen aus, denn man ahnt, welche unglaubliche Demütigung die Proklamation gerade in Versailles, dem Herzstück der französischen Monarchie, für das französische Volk bedeutete und wie sehr das die „Erbfeindschaft“ befeuert hat. Schließlich hat auch das Schicksal von Soldaten aus den französischen Kolonien, die für die verhassten Besatzer auf französischem Boden kämpfen mussten, seinen Platz.

Viele interessante Themen und leichte Schwächen in der Figurenzeichnung

Dadurch, dass die Ereignisse aus so vielen verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet werden, entsteht ein umfassender und informativer Einblick in die damaligen Geschehnisse. Allerdings ist die Vielzahl an Themen auch ein bisschen Fluch und nicht nur Segen. Einige Aspekte können dadurch nicht so vertieft werden, wie es ihnen zusteht, insbesondere die Bildung der Pariser Kommune und das Schicksal der aus den Kolonien stammenden Figuren. Auch wenn es den Umfang dieses Romans sicher gesprengt hätte, hätte man doch gerne noch mehr dazu gelesen. Immerhin entschädigt das wirklich grandiose Nachwort der Autorin etwas dafür, denn dort werden Zusammenhänge und Folgen dieses Krieges und der politischen Entwicklungen ausführlich erläutert.

Wie oben bereits erwähnt, ist die schwierige Liebe zwischen Madeleine und Paul der rote Faden und oft auch die Triebfeder des Romans. Beide sind sehr sympathische Protagonisten, denen man gerne durch die Geschichte folgt. Allerdings fehlen ihnen Ecken und Kanten. Beide sind weltoffen, tolerant und kümmern sich bis zur Selbstaufgabe um andere - Paul in preußischen Feldlazaretten, Madeleine in den Stadtlazaretten im belagerten Metz. Man bekommt direkt den Eindruck, keiner von beiden sei zu einem bösen Gedanken oder einer schlechten Tat fähig. Das tut, wie gesagt, der Sympathie keinen Abbruch, lässt die beiden aber doch allzu glatt und eindimensional erscheinen. Viel interessanter ist da Madeleines Bruder Clément, der sich, vom Hass auf alles Preußische getrieben, zunächst den Freischärlern, den Franc-Tireurs, anschließt und dann in Paris die entscheidenden politischen Veränderungen miterlebt. Doch trotz aller Leidenschaft und Wut besitzt er tief verwurzelte moralische Grundsätze, die es ihm nicht erlauben, sich seiner Wut und seinem Hass vollständig hinzugeben. Diese Zerissenheit und dieses Getriebensein, die es ihm unmöglich machen, seinen Platz in dieser Welt zu finden, machen ihn zu dem gelungensten Charakter des ganzen Buchs. Dann sind da noch Karim ben Aziz, der als Soldat im algerischen Regiment Tirrailleurs Algérien dient, und seine Schwester Djamila, Dienstmädchen der Familie Tellier. Insbesondere Karim dient eigentlich nur dazu, die Geschichte der algerischen Soldaten zu transportieren, bleibt zu blass und wenig fassbar, um als Figur zu bestehen.

Abgerundet wird das Buch neben dem schon erwähnten Nachwort noch durch ein Glossar, eine Personen- und Zeittafel sowie Reisetipps zu den Schauplätzen und Empfehlungen zur weiterführenden Lektüre.

Fazit:

„Eine Liebe zwischen den Fronten“ ist eindrücklich, informativ und lesenswert. Dass einige der Themen nicht vertieft werden konnten und die Figurenzeichnung des Öfteren etwas blass oder eindimensional geschehen ist, ist zwar schade, schmälert den Lesegenuss zum Glück aber nicht nachhaltig.

Eine Liebe zwischen den Fronten

Maria W. Peter, Lübbe

Eine Liebe zwischen den Fronten

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