Pandolfo

  • Rowohlt
  • Erschienen: März 2019
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Pandolfo
Pandolfo
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Jörg Kijanski
851001

Histo-Couch Rezension vonApr 2019

Bildgewaltige Reise in das ausgehende Mittelalter

Der schwerreiche Händler Bernardino Bellapianta findet im Abfallhaufen des Marktplatzes einen niedergeschlagenen jungen Mann. Niemand kümmert sich um ihn und so packt der Kaufmann den Unbekannten kurzerhand auf sein Pferd, nimmt ihn mit in seinen palastartigen Bau, wo sich der Mann langsam erholt. Allein, der Schlag auf seinen Kopf löschte seine Erinnerung aus.

Michael Römling erzählt die Geschichte des „Pandolfo“, jenes Mannes, der sich an seine Vergangenheit nicht mehr erinnern kann, aus dessen Perspektive. Sie beginnt 1493 in Mailand. Pandolfo berichtet über seine Genesung, das Leben im Prachtbau des Kaufherrn sowie dessen Bruder Giancarlo. Da nun aber Pandolfo sich nicht an zurückliegende Ereignisse aus seinem eigenen Leben erinnern, geschweige denn, dass er Kenntnisse über das Leben der Brüder Bellapianta haben kann, gibt es noch einen allwissenden Erzähler, der zu gegebener Zeit Pandolfo ins Wort fällt. Pandolfo erzählt die Gegenwart, der „zweite Erzähler“ die Vergangenheit, um die losen Enden von Pandolfos Geschichte zusammenzuführen.

Ein dickes Paket voller Fragen.

So erlebt zunächst der Ich-Erzähler Pandolfo sein (neues) Leben, welches sich – wie erwähnt – im Palast des Bernardino Bellapianta abspielt. Dieser ist ebenso beliebt wie verhasst, denn vor allem die alteingesessenen, einflussreichen Mailänder Familien sind es gewohnt, dass Vermögen von Generation zu Generation weitergegeben wird. Nun kommt jemand daher, der sich seinen unglaublichen Wohlstand selbst erarbeitet hat und dies auch noch protzvoll zeigt. Dabei hatte Bernardino Bellapianta viel Glück im Leben, denn er wurde kurz nach seiner Geburt im Jahr 1440 zusammen mit Giancarlo vor einem Kloster ausgesetzt.

„Pera lag an der Einfahrt zum Goldenen Horn, nur durch den schmalen Meeresarm von Konstantinopel getrennt, eine frühere genuesische Kolonie, die einige der alten Privilegien hatte retten können, nachdem Mehmed sich Konstantinopel einverleibt hatte. Wie man sich erzählte, hatten die Kaufleute von Pera dem Sultan dafür so tief in den Hintern kriechen müssen, dass sie den Geruch ihr Leben lang nicht mehr loswurden. Aber immerhin konnten sie bleiben und weiter ihren Geschäften nachgehen. Und es war ja nicht das Geld, das stank.“

Ob es sich jedoch um Brüder handelt ist eine der vielen, offenen Fragen, die den Roman maßgeblich tragen. Wer war, wer ist Pandolfo? Warum und von wem wurde er niedergeschlagen? Warum nimmt ihn Bernardino Bellapianta bei sich auf? Hier greift ein ums andere Mal der zweite Erzähler ein, doch bis die Geheimnisse der Vergangenheit gelüftet sind, begibt sich Bernardino Bellapianta auf zahlreiche Handelsreisen.

Politische Scharaden und die große Liebe dürfen nicht fehlen

Auf seinen Reisen kommt Bernardino Bellapianta weit herum. So entsteht eine bildgewaltige Reise in das ausgehende Mittelalter. Es wird jedoch nicht nur Handel betrieben, auch politische Ereignisse und Intrigen wollen beleuchtet werden; haben sie doch für weiteren Ausgang der aktuellen Geschichte ihre Bedeutung. Der Kampf um den Titel des Herzogs von Mailand, dessen zwiespältige Haltung gegenüber dem König von Neapel, der zunehmende Einfluss der Franzosen unter König Karl und der Kampf um die Thronfolge des mächtigsten Mannes der Welt, des Sultans von Konstantinopel, bilden die wichtigen Ränkespiele ihrer Zeit. Und natürlich die Ereignisse rund um das „größte Lusthaus Europas“, den Vatikan, wo Kardinal Rodrigo Borgia auf dem Heiligen Stuhl sitzt.

„Mit wem muss ich sprechen?“

„Sie sprechen mit niemandem. Ich kenne einen der Sekretäre von Karamanli Pascha. Das ist der Großwesir, falls Sie’s nicht wissen. Der Sekretär wird Ihr Anliegen an geeigneter Stelle vortragen. Das kann aber gut und gerne zwei Monate dauern.“

„Ich habe Stoffmuster dabei.“

„Sie haben immer noch nicht verstanden, wie das läuft, oder? Nähen Sie einen Beutel aus Ihren Stoffmustern, und stecken Sie tausend Dukaten rein. Dann kommen wir weiter.“

Während einer Feier im Haus des Bernardino Bellapianta wird die Leiche des Mustafa Efendi entdeckt, den der Hausherr noch aus Konstantinopel kennt. Der Ermordete führte eine Giftampulle bei sich, doch wer sollte dessen Opfer sein? Während Pandolfo noch über dieses Rätsel sinniert, wird erneut ein Anschlag auf ihn verübt. Nun ist er fest entschlossen, seiner Vergangenheit auf die Spur zu kommen. Dabei verliebt er sich - ein zweites Mal - in Laura.

Todesfälle und Verbrechen harren ihrer Aufklärung, politische Intrigen und Schlachten ihres Ausgangs. Giancarlo, der technisch versierte Bruder von Bernardino Bellapianta, träumt derweil vom Fliegen und steht dabei in Konkurrenz zu dem türkischen Kanonengießer Batuhan. Wer baut das erste Fluggerät der Welt? Und dann wäre da noch Meister Leonardo, den Giancarlo jedoch für einen einfachen Mechaniker und Aufschneider hält.

Fazit:

Die Idee des „doppelten Erzählers“ wurde gekonnt umgesetzt, die Unterbrechungen in Pandolfos aktueller Erzählung sind so unterhaltsam wie erforderlich, um die Zusammenhänge zu verstehen. Ferner bietet das sorgfältig recherchierte Buch die politischen Hintergründe zum ausgehenden Mittelalter zwischen Italien, Frankreich und der Türkei. Dazu gesellen sich unter anderem die oben skizzierten Fragen, die fast vollzählig aufgeklärt werden. Die bei historischen Romanen nicht unüblichen Extras (Kartenausschnitte, Personenregister, Zeittafel etc.) sucht man allerdings vergeblich.

Pandolfo

Michael Römling, Rowohlt

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