Der Oboist des Königs

  • Galiani Berlin
  • Erschienen: März 2019
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Der Oboist des Königs
Der Oboist des Königs
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Carsten Jaehner
921001

Histo-Couch Rezension vonApr 2019

Ein ungewöhnliches Musikerleben

Johann Jacob Bach wächst zusammen mit seinem Bruder Sebastian auf und lernt, wie alle in der in Thüringen weit verzweigten Familie, mehrere Instrumente zu spielen, verlegt sich aber bald auf Holzblasinstrumente. Während sein jüngerer Bruder immer mehr der Orgel verfällt, will Jacob mehr vom Leben sehen. Als die Eltern früh sterben, nutzt Jacob die Gelegenheit und beginnt ein unstetes Leben.

Nachdem er sich mehr schlecht als Recht als Musiker durchgeschlagen hat, kommt er nach Leipzig und lernt dort einige zwielichtige Gestalten kennen, mit denen er sich aber anfreundet und mit denen er eine Kammer bewohnt. Nach einer unangenehmen Nacht und einiger Zeit im Gefängnis tritt der schwedische König Karl XII. persönlich an ihn heran und verpflichtet ihn als Flötisten in seinem Orchester. Doch zuerst wollen eine Schlacht in Polen und eine weitere gegen Zar Peter den Großen geschlagen werden, danach wolle er Bach in sein Hoforchester aufnehmen. Eine bewegte Zeit beginnt.

Erstaunliches Romandebüt

Olaf Schmidt hat sich für seinen ersten Roman eine ungewöhnliche Hauptfigur ausgewählt. Diese ist nicht etwa eine bekannte Persönlichkeit, in dem Fall vielleicht der Musiker und Komponist Johann Sebastian Bach, sondern vielmehr dessen drei Jahre älterer Bruder Johann Jacob Bach, dessen Biografie kürzer ist als die seines berühmten Bruders, dafür aber viel ereignisreicher.

Der Roman besteht aus vier Teilen und wird von drei „welthistorischen Intermezzi“ unterbrochen. Diese Intermezzi beschreiben das Weltgeschehen der Zeit, in das das Leben und Verhalten Jacobs eingeordnet werden muss, und ohne gewissen politische Kenntnisse wäre das für den geneigten Leser schwer nachvollziehbar, handelt es sich doch um einen Teil der Geschichte, der in deutschen Geschichtsbüchern meist ausgespart wird. Hauptprotagonist ist der schwedische König Karl XII., über dessen Leben und Wirken wohl die wenigsten deutschsprachigen Leser Bescheid wissen dürften.

Zwei Schwerpunkte

In der ersten Hälfte des Romans beschreibt der Autor spannend und launig das Lotterleben Bachs, so kann man es durchaus bezeichnen. Er zieht durch die Land und verdient mit seiner Flöte sein Geld. Hier sei auch erwähnt, dass der Titel des Buches „Der Oboist des Königs“ sich zwar natürlich auf das Instrument der Oboe bezieht, die Jacob auch spielen konnte. Gemeint ist aber eher der Spieler der Hautbois, der im Prinzip die ganze Gruppe der Holzbläser umschliesst.

Der Autor versteht es, den Leser in die Zeit zu versetzen und tut dies nicht nur durch entsprechende Beschreibungen von Natur, Reisegewohnheiten und Ritualen und Traditionen, sondern auch sprachlich. Er passt sich der Zeit an und bietet dem Leser so ein realistisches Bild der Zeit. Jacobs Bekanntschaften sind alles andere als oberflächliche Gestalten, man hat das Gefühl, hier stünden Menschen aus Fleisch und Blut vor einem. Das macht den Roman spannend und realistisch und bietet eine interessante Geschichtsstunde.

Realistische Geschichtsstunde

Ist der Roman ist der ersten Hälfte schon fast ein Schelmenroman mit einem Hauptdarsteller, der es faustdick hinter den Ohren hat, ändert sich das später. In der zweiten Hälfte, als Karl XII. Jacob als seinen persönlichen Musiker engagiert hat, geht das Buch eher weg von Jacobs Biografie als zur Weltgeschichte, erzählt anhand von Karl XII. Schlachtenplan, gewürzt mit Einsprengseln von August dem Starken, der König von Polen werden wird, und Zar Peter dem Großen, den König Karl unbedingt besiegen will. Jacob findet Freunde und soll immer wieder an Karls Reisebett musizieren. So ist er mehr Therapie als Soldat, was aber nicht das Schlechteste ist. Dennoch muss er immer mit und überlebt die eine oder andere Schlacht, auch wenn es gelegentlich knapp ist.

Schmidt beschreibt das Weltgeschehen plastisch, stellt die Kombattanten vor, auch aus der jeweils eigenen Sicht, damit man dem folgenden Geschehen folgen und es verstehen kann. Dies gerät gelegentlich etwas zu ausführlich und der Name Jacobs taucht über mehrere Seiten nicht mehr auf und man fragt sich, was denn nun aus ihm geworden ist. Doch gegen Ende des Romans, als sich Jacob entschlossen hat, dass er nach etlichen negativen Erfahrungen mit Karl die Nase voll von Schlachten und Schweden hat, fokussiert sich der Autor wieder auf Jacob, der die schwedische Armee verlässt und eines schönen Tages an die Tür seines inzwischen bekannten Bruders klopft. Doch kann man sein Leben so einfach ändern, wenn man jahrelang zu Felde gezogen ist und nun in den sicheren Hafen einer Musikerfamilie einfahren will? Schmidt findet eine schöne Lösung.

Im Anhang des Buches findet man einige Anmerkungen zu den historischen Figuren, wie es mit ihnen nach Ende des Romans weitergegangen ist. Leider war Johann Jacob Bach kein sehr langes Leben beschert. Weitere Extras bietet der 590 Seiten starke Hardcoverroman aus dem Hause Galiani Berlin leider nicht.

Fazit:

Olafs Schmidts Debütroman setzt ein Ausrufezeichen für das Genre von biografischen Romanen. Er erzählt sachlich, aber launig und präsentiert dem Leser ein hervorragendes Bild des Beginns des 18. Jahrhunderts. Seine Figuren sind voller Saft und Kraft und langweilen den Leser in keiner Zeile. Einzig die Kriegs- und Heeresbeschreibungen im zweiten Teil hätten nicht ganz so ausführlich ausfallen müssen. Der Roman ist nicht nur Musikern, sondern allen Geschichtsfreunden zu empfehlen, die sich für Schweden, August den Starken und Zar Peter den Großen interessieren. Ein erstaunliches Debüt. Weiter so!

Der Oboist des Königs

Olaf Schmidt, Galiani Berlin

Der Oboist des Königs

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