Um Reich und Krone

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2018
  • 2
  • Rowohlt, 2017, Titel: 'The Last Tudor', Originalausgabe
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Annette Gloser
941001

Histo-Couch Rezension vonSep 2018

Ein tödliches Erbe

England, 1553: Selten findet man wohl Schwestern, die unterschiedlicher sind als die Töchter der Familie Grey. Jane, die Älteste, gilt als Gelehrte und theologisches Licht am Himmel der Reformation. Katherine, die zweite Schwester, kümmert sich nicht um Gelehrsamkeit. Sie liebt das süße Leben, sehnt sich nach Tanz, schönen Kleidern und einem Ehemann, der sie auf Händen trägt. Die kleinwüchsige Mary dagegen nimmt niemand so richtig wahr, denn über die Kleinen schaut man gern hinweg. Doch wenn Mary auch klein ist, so ist sie doch klug und auf ihre ganz eigene Art schön. Und sie hat früh gelernt, sich zu behaupten. Diese drei Mädchen stehen in der Reihe der Tudor-Thronfolger gleich hinter den Töchtern Heinrichs VIII., denn sie sind die Enkelinnen seiner Schwester Mary und im Gegensatz zu Heinrichs Nichte Margaret Douglas in England geboren. Jane wird von Heinrichs Sohn Eduard VI. sogar noch vor seine ältere Schwester Mary in die Thronfolge eingesetzt. Als Jane nach seinem Tod zur Königin ausgerufen wird, geraten die drei Schwestern in einen erbarmungslosen Strudel aus Machtgier, Thronansprüchen und persönlichen Abneigungen, aus dem es für sie kein Entrinnen mehr gibt.

Drei Schwestern, drei Charaktere

In Um Reich und Krone bleibt Philippa Gregory ihrem Prinzip treu, die Hauptfiguren  selbst ihre Geschichte erzählen zu lassen. Die Handlung beginnt mit Jane, wird von Katherine fortgesetzt und von Mary beendet. Dabei entwickeln sich im Verlauf des Romans nicht nur der Charakter und der Lebenslauf der GreySchwestern, sondern es entsteht auch ein psychologisch sehr genaues Bild der ungleichen Halbschwestern Mary und Elisabeth, die nacheinander auf dem englischen Thron sitzen und ihn mit jedem zur Verfügung stehenden Mittel verteidigen. Der Autorin gelingt es, sich sehr intensiv in die drei so verschiedenen Charaktere der jungen Frauen einzufühlen, selbst ihre Sprache unterschiedlich zu gestalten, und doch das gemeinsame Schicksal der Schwestern darzustellen. Allerdings treten auch einige andere Damen in Erscheinung, deren Schicksal dem der GreySchwestern nicht unähnlich ist. Im Roman wird immer von Cousinen gesprochen, allerdings sind diese Frauen, die da miteinander verwandt sind, nicht Cousinen wie wir es heute verstehen. Aber zwischen ihnen besteht eine Familienbindung. Sie alle entstammen in direkter Linie der TudorFamilie und haben berechtigte Thronansprüche. Nicht nur Mary, Katherine und Jane kommen dabei in Konflikt mit den Siegerinnen in diesem Kampf um den Thron. Und sie alle bezahlen die hohe Geburt bitter. Mit ihrem Lebensglück, mit dem Verlust des Lebens, mit dem Leben ihrer Kinder oder der Ehemänner. Und so fällt das Weiterlesen oft schwer, denn es folgt Schicksalsschlag auf Schicksalsschlag, Ungerechtigkeit auf Ungerechtigkeit, und es gibt einige sehr traurige, tief berührende Szenen, die von der Autorin mit viel Sensibilität geschildert werden.

Ein Panorama der Boshaftigkeiten

Der Blick auf die Politik erfolgt hier durch die Augen dreier junger Frauen. Für den Leser wird deutlich, warum Jane lieber den Weg auf das Schafott wählt als ihrem Glauben abzuschwören. Man spürt Katherines Leichtlebigkeit und kann mit der lebensklugen Mary fühlen, die letztendlich doch ihrem Herzen folgt und für ihr Glück kämpft. Durch diese Augen sieht man jedoch auch die Königinnen Mary und Elisabeth und dabei hat man einen entlarvenden Blick auf die Persönlichkeit dieser beiden Damen. Dabei stehen eben nicht politische Verdienste im Vordergrund sondern menschliche Qualitäten und da fällt vor allem bei Elisabeth die Bilanz ausgesprochen negativ aus. Das Leben der GreySchwestern spiegelt ein Panorama von Boshaftigkeiten wider, entstanden aus dem Gerangel um den Thron, aus Eifersucht und Machtmissbrauch. Man darf davon ausgehen, dass Philippa Gregory auch diesen Roman akribisch recherchiert hat. Darauf deuten viele detaillierte Schilderungen. Und auch wenn es sich um eine fiktionale Darstellung handelt, so vermittelt die Autorin ihren Lesern eine große Nähe zu den Protagonistinnen und das Gefühl, dass alles genau so gewesen sein könnte.

Abschied von den Tudors?

In ihrem Nachwort schreibt Philippa Gregory, dass Um Reich und Krone wahrscheinlich der letzte Roman ist, den sie über die Tudor-Frauen geschrieben hat, denn sie wolle sich jetzt anderen Projekten zuwenden. Natürlich ist es verständlich, dass man als Schriftstellerin auch andere Ideen und Pläne hat. Dennoch: Philippa Gregorys Romane über die TudorFrauen sind eine enorme Bereicherung der historischen Romanwelt! Kaum jemand hat so gerecht und mit so viel Fingerspitzengefühl jeder einzelnen Frau ihren gebührenden Platz gegeben, hat sie in das Licht der Öffentlichkeit gestellt und ihr die Möglichkeit gegeben, ihre Geschichte aus ganz eigener Sicht zu erzählen. Wahrscheinlich braucht man als Autorin auch einfach eine Atempause von so viel Leid und Tragik. Und doch bleibt da die Hoffnung, dass Philippa Gregory doch noch einmal in diese Zeit und zu dieser Familie zurückkehrt. Aber erst einmal: Vielen Dank, Mrs. Gregory, für diese grandiose RomanReihe! Jedes einzelne dieser Bücher kann man uneingeschränkt weiter empfehlen.

Um Reich und Krone

Philippa Gregory, Rowohlt

Um Reich und Krone

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