Good Morning, Mr. Mendelssohn

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2017
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  • dtv, 2017, Titel: 'Good Morning, Mr. Mendelssohn', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonMär 2017

Ein zu kurzes Musikerleben

Felix Mendelssohn kommt am 3. Februar 1809 in Hamburg zur Welt und ist das zweite von vier Kindern der wohlhabenden bürgerlichen jüdischen Familie Mendelssohn. Sein Großvater war der Philosoph Moses Mendelssohn, der allerdings 23 Jahre vor Felix' Geburt starb. Seine Eltern Abraham und Lea zogen von Berlin nach Hamburg und brachten zunächst Felix' ältere Schwester Fanny zur Welt, eher er selbst vier Jahre später kam, es folgten noch zwei weitere Geschwister, Rebecca und Paul.

Schon bald zeigt sich das musikalische Talent bei Fanny und Felix, und beide lernen schnell, Fanny als weibliche Musikerin muss jedoch stets hinten anstehen, obwohl sie älter und nicht minder begabt ist. Schnell komponieren auch beide, doch hier scheint Felix' Talent eher zu liegen. 1827 schafft er in Berlin, wo er inzwischen studiert, seine erste anerkennenswerte Tat, die ihn gleich überall berühmt macht: Er führt zunächst Teile, später komplett die Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach auf, die damals als unaufführbar galt und der Komponist Bach weitgehend unbekannt.

So beginnt Mendelssohns Siegeszug durch Europa, durch das er auf einer zweijährigen Studienreise geschickt wird. Am wohlsten fühlt er sich dabei in England, wo er ernsthaft überlegt, sesshaft zu werden. Doch die Familie beordert ihn zurück, und so geht ein Leben weiter, das eigentlich nur aus Erfolgen zu bestehen scheint wenn da nicht eine Erbkrankheit wäre, die durch ihre Schlaganfälle schon viele Vorfahren zu früh abberufen hat. Und auch Felix soll nur 38 Jahre alt werden...

Interessante Romanbiografie

Rosemarie Marschner erzählt in ihrer Romanbiografie Good Morning, Mr. Mendelssohn das Leben des Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy nach, was nicht nur für Musiker interessant sein dürfte. Sie entwirft ein gutes Bild der Zeit, die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Man hat sich gerade von Napoleon erholt und entwickelt wieder so etwas wie eine eigene Identität. Die Familie Mendelssohn ist zwar jüdisch, erzieht ihre Kinder aber im christlichen Glauben und konvertiert tatsächlich im Jahr 1822. Dieser Aspekt nimmt leider zu wenig Raum in dem Roman ein, bedeutet er doch einen gewaltigen Einschnitt in jede Familie.

Ohne die Biografie hier in ihren zahlreichen Facetten nacherzählen zu wollen, gibt es doch in Mendelssohns Leben einige bemerkenswerte Aspekte. Da ist zum einen Felix' Beziehung zu seiner älteren Schwester Fanny, die auch komponiert, ihre Kompositionen aber nicht veröffentlichen darf, da sich dies für eine Frau nicht schickt. Auch Felix übernimmt die Meinung seiner Eltern und trifft damit seine Schwester mehr, als er sich eingestehen mag. Wie sich das ganze am Ende löst, ist eine schöne Geschichte und bestimmt mehr als nur eine Anekdote, von denen es in diesem Buch zahlreiche gibt.

Guter Einblick in die Zeit

Die Würze in jeder Biografie sind nicht nur Zahlen und Fakten, sondern eben Anekdoten und kleine Geschichtchen, und die Autorin spart auch nicht daran. Zudem geben sich viele Persönlichkeiten der Zeit die Klinke in die Hand, wie auch nicht, wo Mendelssohn bald eine junge und begehrte Berühmtheit wurde. Zelter, Goethe, Schumann, Paganini, Liszt, Wagner, alles was zu dieser Zeit Rang und Namen in gewissen Kreisen hatte, alle die Herren tauchen auf und geben somit der Erzählung etwas sehr weltmännisches.

Nachdem Mendelssohn bei seinem ersten England-Aufenthalt Feuer für das Land und seine Kultur gefangen hat, begibt er sich dort fröhlich durch die Straßen und wird tatsächlich von einfachen Menschen angesprochen, wir der Titel des Buches zu bestätigen weiß. Wie die Geschichte zu berichten weiß, feierte er in England große Erfolge, etwa mit seinem Oratorium "Paulus" oder mit seiner Musik zu Shakespeares "Sommernachtstraum". Das Publikum liebte ihn, der liebte das England, doch leider wird sich sein Lebensmittelpunkt zwischen den Königen von Preußen und Sachsen, in Berlin und in Leipzig abspielen. Jammern auf hohem Niveau, aber man muß die Majestäten zufrieden stellen, seinen vertraglichen Verpflichtungen nachkommen und daneben noch eine Familie gründen und aufziehen, und immer wieder melden sich die Geschwister und es gilt, Familienzusammenhalt zu demonstrieren.

Großfamilie Mendelssohn

Ein beeindruckendes Bild der Zeit, das die Autorin hier am Beispiel einer gut situierten Familie zeichnet. Leider hat sie vor allem zu Beginn des Romans, als Felix noch ein Kind ist, auch eine sehr einfache, fast Kindersprache gewählt, die jeder Drittklässler verstehen würde. Da ist sie belehrend und lehrerhaft, erklärt jeden kleinen Krümel, so dass man als Leser fast meint, es mit einem Kindersachbuch zu tun zu haben. Das ist schade, denn es dauert eine Weile, bis sich das legt, wobei sie es bis zum Schluß nicht ganz abstellen kann. Ihre Erzählkunst schöpft die Autorin dann aus, wenn es gilt, Konzerte und Musik in Worte zu fassen, wie Felix nervös vor dem Publikum steht, den von ihm erfundenen Dirigierstab hebt und Chor und Orchester zu Höchstleistungen animiert. Musik in Worten zu beschreiben ist eigentlich viel schwieriger, als einfache Handlungen zu erzählen, bei Frau Marschner mag man fast geneigt sein, es umgedreht zu sehen.

Wer übrigens Mendelssohns Wohnhaus in Berlin besichtigen möchte, kann dies tun und das Gebäude des heutigen Bundesrats besuchen. Man mag kaum glauben, dass dort die Familie Mendelssohn lebte und ihre Hauskonzerte abhielt. Man mag ebenso kaum glauben, dass Mendelssohns Musik wegen seiner jüdischen Herkunft in gewissen Zeiten verboten und verpönt war. Gut, dass er das nicht erleben musste.

Fast zu einfache Sprache

Insgesamt gelingt Rosemarie eine Musikerbiografie, die exzellent ein Bild der Zeit zeichnet und die Lust darauf macht, in das eine oder andere Konzert zu gehen oder sich den einen oder anderen Tonträger zuzulegen. Mendelssohn gehört ungerechtfertigterweise nicht in die "erste Garde" an deutschen Komponisten, aber Beiträge wie dieser mögen dazu beitragen, sie ins rechte Licht zu rücken. Wermutstropfen ist die zu Beginn zu einfache Sprache, die an ein Sachbuch für die ganz kleinen erinnert, was sich erst mit der Zeit legt, wenn auch nicht ganz. Ein Buch für Musikliebhaber und solche, die es werden wollen. Als Einstieg in das Genre eignet sich die Romanbiografie auf jeden Fall.

Außer einem Nachwort verzichtet der dtv-Verlag auf jede Beigabe. Eine kleine Zeittafel wäre angenehm gewesen oder auch ein Stammbaum der Familie. Aber auch so ist Good Morning, Mr. Mendelssohn zu empfehlen.

Good Morning, Mr. Mendelssohn

Rosemarie Marschner, dtv

Good Morning, Mr. Mendelssohn

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