Noble Gesellschaft

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2017
  • 3
  • Aufbau, 2017, Titel: 'Noble Gesellschaft', Originalausgabe
Noble Gesellschaft
Noble Gesellschaft
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Jörg Kijanski
651001

Histo-Couch Rezension vonJan 2017

Kniffliger Fall mit kleineren Schwächen

Oktober 1925. Filmstar Carl von Bäumer langweilt sich auf einem Galadinner für Kriegsblinde, was vor allem an seiner nervigen Tischnachbarin liegt. Zudem kommt es zu einem unfreiwilligen Wiedersehen mit Max von Volkmann, der aber immerhin eine interessante Geschichte zu erzählen weiß. Esther, die frühere Geliebte des Gastgebers Baron von Rosskopf, verschwand einst unter ungeklärten Umständen. Dann ließ der Baron nach einer Doppelgängerin suchen und fand diese in Lotti, die nun ihrerseits seit einigen Tagen verschwunden ist. Carl von Bäumer wird neugierig angesichts der Wiederholung des Ereignisses. Nur zwei Tage später dann ein Freitod: Ausgerechnet von Volkmann soll sich erschossen haben, nachdem er wenige Stunden zuvor noch eine Theaterkarte für den nächsten Abend erwarb.

 

"Ich meine, dass der sich überhaupt erschossen hat. Solche Leute erschießen sich nicht! Du erschießt dich, ich erschieße mich, sogar dein Bruder Willi könnte sich an einem sensiblen Tag erschießen, aber der Typ nicht! Der ist viel zu selbstgefällig, da erschießen sich vorher die anderen."

 

Kommissar Paul Genzer legt den Fall schnell zu den Akten, zumal Reichspräsident von Hindenburg den Polizeipräsidenten persönlich darum bat, dass Verfahren einzustellen. Nur so könne das Andenken an seinen Patensohn von Volkmann, ein Fliegerass des Weltkrieges, gewahrt bleiben. Schon bald gibt es weitere Morde und Selbstmorde und so dringen Carl von Bäumer und Paul Genzer einmal mehr in die Gesellschaft ein. Schnell zeigt sich, dass auch der Unterweltboss Muskel-Adolf seine Finger im Spiel hat...

Vier Freunde und ihr Geheimnis

Bereits der Prolog lässt erahnen, dass die Lösung des Falles oder besser gesagt der Fälle in der Vergangenheit zu finden ist. Vor dem Krieg verschwand Esther und es wird schnell klar, dass vier Schulfreunde daran ihren Anteil hatten. Doch bis zur Aufklärung des undurchsichtigen Falles dauert es knapp dreihundert Seiten. Bis dahin ist hohe Konzentration gefragt, allein das vorausgehende Personenregister umfasst knapp drei Seiten. Es kommt zu Beziehungsstress, zu undurchsichtigen und unerwiderten Liebschaften und nicht selten schwebt wie ein Damoklesschwert über allem der Unzuchtparagraph, der Homosexualität unter Strafe stellt. Ein Problem unter dem auch das Liebespaar von Bäumer/Genzer zu leiden hat.

 

"Es war die Zeit, zu der all die Gretas in Berlin ihre Bubiköpfe aufbürsteten, ihre Kniekehlen rougierten und schnell drei Aspirin in den Kaffee warfen dann drückten die Pumps weniger und der Schwips war billig. Es war auch die Zeit, zu der all die Georgies bereits den zweiten Kunden bedient hatten, zu der die Olgas in staubgesichtigen Horden zur Schicht in die aufragenden Fabriken verschwanden, und die Zeit, zu der all jene, die den Leierkastenmann um seinen Reichtum beneideten, sich in Hausfluren und Gartenlauben ein Nest aus Zeitungspapier bauten."

 

Wurde im ersten Roman der Serie (Feine Leute) noch x-fach erwähnt, dass Carl von Bäumer der schönste Mann der Ufa sei, so findet man diesen Hinweis nun gleich auf dem Buchrücken in beachtlicher Schriftgröße. Offenbar hat es der Autorin im aktuellen Fall aber das Fliegerass von Volkmann angetan, denn auch wenn man gleich auf Anhieb verstanden hat, dass von Volkmann ein Fliegerass war, so wird dieser Begriff noch dutzendfach wiederholt. Statt damit die Nerven der Leser zu strapazieren hätte die Autorin besser mehr Zeit darauf verwendet, die damalige Zeit ein wenig näher zu beleuchten, denn dass der Roman im Jahr 1925 spielt wird nur an wenigen Stellen und dort äußerst dezent dargestellt. Kriegserlebnisse sind noch nicht überwunden, die Ringvereine beherrschen die Unterwelt, der Stummfilm begeistert die Massen und der legendäre Gennat - tritt nicht persönlich in Erscheinung - ist der Chef der Berliner Kripo. Auch nicht schön ist der Satz "Paul Genzer, seines Zeichens vielbeschäftigter Kriminalkommissar, saß hinter seinem Büroschreibtisch und öffnete Post." Gleichwohl scheint die Autorin ganz verzückt davon gewesen zu sein, denn so beginnt ein neuer Abschnitt auf Seite 243; und ein weiterer Abschnitt wortgleich (!) auf Seite 252.

Alles in allem ist Noble Gesellschaft ein verzwickter Fall, bei dem eher Carl von Bäumer ermittelt als der eigentlich zuständige Paul Genzer und so überrascht es kaum, dass der schönste ... den Fall aufklärt. Bis dahin gibt es ein Wiedersehen mit einigen bekannten Nebenfiguren, deren Privatleben sich natürlich ebenfalls weiterentwickelt. 

Noble Gesellschaft

Joan Weng, Aufbau

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