Das Versprechen der Wüste
- Diana
- Erschienen: Januar 2016
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Wien 1775. Vor einigen Jahren hat Baron Karl von Tiefenthal seinen älteren Sohn Thaddäus aus gesundheitlichen Gründen enterbt und fortgeschickt. Der jüngere Bruder Gabriel stellt sich als Verschwender heraus und enttäuscht den Vater noch mehr. Karl möchte Thaddäus wieder aus der Verbannung zurückholen. Zur selben Zeit ist Joseph Lafarche mit den umfangreichen Hochzeitsvorbereitungen seiner Verlobten Marie nicht einverstanden. Die Planung dauert ihm zu lange, denn er will sie endlich zu der Seinen machen. Er folgt ihr unwillig zu den Abendveranstaltungen, zu denen Marie als Mitglied eines Musikensembles eingeladen ist. Während Joseph überlegt, wie er seine Ziele schneller erreichen kann, kommt es zu einem dramatischen Vorfall mit einer der Musikerinnen. Commissär Ferenc Korenyi spannt Joseph ohne zu zögern für die Ermittlungen ein. Tatsächlich gibt es bald eine Spur: Sie führt zur Familie von Tiefenthal ...
Vom Ehrgeiz zerfressen
Joan Seabrook hat einen Traum. Sie will die Wüste sehen. Als Ihr Bruder Daniel mit seiner Einheit im Oman stationiert ist, überredet die junge Frau ihren Verlobten Rory, mit ihr in die Wüste zu reisen, und dort eine Zeit bei einem wohlhabenden Freund der Familie zu verweilen. 1958 ist das nicht ohne Risiko, setzen doch Rebellenaufstände dem Sultanat zu. Joan verfolgt jedoch noch einen anderen Traum: Sie will die in Vergessenheit geratene Forscherin Maude Vickery kennen lernen, die zurückgezogen im Oman lebt. Joan weiß, dass Maude Anfang des 20. Jahrhunderts die Wüste durchquert hat und erhofft sich jetzt, ein halbes Jahrhundert später, Tipps von ihr. Doch Maude zeigt sich wenig zugänglich. Sie bezichtigt Joan, einzig eine reiche Touristin zu sein, die nichts in der Wüste verloren hat. Trotz dieser Kränkung ist Joan von Maude fasziniert und folgt ohne nachzudenken einer unerwarteten Einladung ins Haus der Forscherin. Maude bittet Joan, einem gefangenen Rebellen Essen und Wasser ins Gefängnis zu bringen - und einen Brief. Obwohl sich Joan der Gefahr bewusst ist, besucht sie Salim und ist von der starken Persönlichkeit sehr angetan.
Als Salim fliehen kann, schließt sich Joan ihm an - denn sie ist hinter ein dunkles Geheimnis ihres Verlobten gekommen und braucht nun Zeit, um sich darüber klar zu werden, was sie mit ihrem Leben anfangen möchte. Doch Joan erkennt, dass sie für ein Leben in der Gemeinschaft auf einem unwegsamen Berg nicht gewachsen ist. Als Salim und seine Männer durch ihre unbeabsichtigte Hilfe einige britische Soldaten als Geiseln nehmen, wird sich Joan bewusst, dass sie zu einem Spielball geworden ist. Sie bangt um das Leben der Männer, besonders aber um jenes von Charlie Elliot. Doch genau auf ihn scheinen es die Rebellen besonders abgesehen zu haben. Denn Charlie ist einer der einzigen überlebenden Söhne von Nathaniel Elliot, einst ein enger Vertrauter von Maude, den sein Ehrgeiz zum Feind seiner langjährigen Freundin werden ließ.
Ungewöhnlicher Schauplatz
Es ist ein ungewöhnlicher Schauplatz, den die Autorin Katherine Webb für ihren jüngsten Roman gewählt hat. Doch bleibt sie ihrem bisherigen Stil treu: Die Geschichte ist in der englischen Gesellschaft angesiedelt, die im fernen Oman ähnlichen Gepflogenheit unterworfen ist, wie in England selber. Sehr schön zeigt Katherine Webb die Diskrepanz der englischen Einwanderer zur heimischen Bevölkerung auf, auch wenn sich dies eher als Nebenschauplatz präsentiert. Mit viel Feingefühl arbeitet die Autorin die verschiedenen Interessen der jeweiligen Bevölkerung heraus. Ein ideales Mittel dafür ist die verwöhnte Joan, die mit vielen Träumen in den Oman reist und von der Realität zunächst überrumpelt ist. Die Begegnung der jungen Engländerin mit Salim lässt sie die Dinge plötzlich aus einer anderen Sicht sehen und sie beginnt zu verstehen, weshalb sich die Rebellen gegen den Sultan und die ihn unterstützenden Engländer stellen. Durch die Augen von Joan bekommen die Leser einen Eindruck von den Hintergründen, die durchaus zum Nachdenken anregen.
Keine Sympathieträger
Sehr eigenwillig ist die Gestaltung der Charaktere. Keine vermag es, sich zu einem echten Sympathieträger zu entwickeln. Joan wirkt in vielem naiv und unbedarft, vor allem aber spiegelt sie die das verwöhnte Mädchen aus guter Gesellschaft wieder, dem 1958 noch bei weitem nicht alle Türen offen stehen. Maude ist eine verbitterte alte Lady, deren Boshaftigkeit seltsame Blüten treibt selbst dann, als man erkennt, was Maude zu dieser harten Frau gemacht hat, kann man für sie nur wenig Sympathie empfinden. Auch mit Maudes Gegenspieler Nathaniel Elliot ist es schwer, sich verbunden zu fühlen. Zunächst scheint er ein sehr empfindsamer Mensch, doch bald erweist er sich als Mensch, der notfalls über Leichen geht. Weder Daniel noch Charlie oder Salim sind als Figuren stark genug, um die Geschichte zu tragen. Doch je länger sich die Leser mit dem Schicksal von Maude und Joan auseinandersetzen, desto verständlicher wird die Figurenzeichnung. Und schließlich muss sich der Leser mit einer gewissen Überraschung eingestehen, dass gerade dieser Verzicht auf eine "gute" Heldin den Roman zu etwas besonderem macht.
Schöne Abwechslung
Sprachlich bleibt Katherine ihrem bisherigen Stil treu. Sie wechselt zwar den Schauplatz, nicht aber den Aufbau ihrer Geschichte. Erneut siedelt sie sie auf zwei Zeitebenen an, lässt einen Menschen in der Gegenwart das Schicksal eines anderen Menschen aus längst vergangenen Tagen ergründen. Webb-Fans kommen also auch bei diesem Roman voll auf ihre Kosten. Und wer sich die Mühe nimmt, sich mit der ganzen Geschichte über den Unterhaltungswert hinaus auseinander zu setzen, wird bald erkennen, dass er einen feinen und lesenswerten Roman in Händen hält.
Katherine Webb, Diana
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