Rabenfrauen

  • dtv
  • Erschienen: Januar 2016
  • 1
  • dtv, 2016, Titel: 'Rabenfrauen', Originalausgabe
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Karin Speck
941001

Histo-Couch Rezension vonJul 2016

Leise, berührend und traurig

Ruth und Christa, zwei junge Frauen im Jahre 1959, sie haben ihre Zukunft noch vor sich. Beide stehen kurz vor dem Abitur, als sie in diesem sehr warmen Sommer Erich kennenlernen. Erich gehört einer Gruppe freikirchlicher Christen an. Er bringt die Mädchen dazu, sich die Gruppe anzusehen und an ihren Sitzungen teilzunehmen. Beide ahnen nicht, welche Wendung das für ihrer beider Leben bedeuten sollte. Christa und Ruth verlieben sich beide in den jungen Mann, ohne wie sonst unter ihnen üblich, miteinander zu reden.

2010, Anne hat ihren Lebensgefährten verloren und fährt nach Grösitz, um zu trauern. Hier lernt sie Horst und Renate kennen und muss feststellen, diese beiden verbindet etwas mit ihr. Sie macht sich auf die Spuren der Vergangenheit und stößt dabei auf die Colonia Dignidad, einer Sekte, die zwar deutschen Ursprungs ist, aber in Chile beheimatet ist.

Ruth, Christa und Anne

Anja Jonuleit hat sich intensiv mit der Geschichte der Colonia Dignidad beschäftigt und hier eine Geschichte erzählt, wie zwei Freundinnen an diese Sekte geraten sind. Ruth und Christa schildert sie zunächst als Teenager der Nachkriegszeit. Sie sind unbeschwert und genießen den Sommer. Sie verlieben sich und eine verfällt dem charismatischen Erich voll und ganz.

Viele Jahre später erfährt die Tochter von Ruth, Anne, von dieser Sekte. Sie erfährt davon, wie grausam diese Menschen zu Werke gingen. Wie wenig die Familienmitglieder tun konnten, um zu helfen. Die Autorin erzählt dies in einem sehr leisen Ton. Sie schildert die Umstände sehr sachlich und genau. Es liest sich bedrückend und beängstigend, wie wenig hier Hilfe für die Menschen möglich war.

Jonuleit hat sich dafür entschieden, die Geschichte in drei unterschiedlichen Handlungssträngen zu schildern. Da ist zunächst der Erzählstrang von Ruth. Ruth schildert aus der Ich-Perspektive und rückblickend, was sie damals erlebt hat. Ihre Hilflosigkeit am Schluss ist genauso greifbar, wie ihre Gefühle Erich gegenüber. Der zweite Handlungsstrang gehört Anne. Hier erlebt der Leser zunächst eine Frau, die um ihren Lebensgefährten trauert. Aber auch eine Frau, die von einem Schicksal erfährt, welches grausamer kaum sein könnte und sofort bereit ist, helfend zur Seite zu stehen. Ihr Handlungsstrang setzt sich dadurch ein bisschen ab, dass er vom Druck her etwas dicker gestaltet ist.

Und dann erzählt auch Christa ihre Erlebnisse und diese sind wohl noch etwas intensiver als die von Ruth und Anne. Sie erzählt von ihrem Leben bei der Colonia Dignidad und ihren traumatischen Erlebnissen. Das ist traurig und berührend zu lesen, ihre Verzweiflung für den Leser zum Greifen nah. Dieser Teil ist kursiv geschrieben und hebt sich dadurch noch einmal mehr ab.

Unfassbare Geschichte

Deutlich ist zu spüren, wie intensiv die Autorin sich mit diesem Thema beschäftigt haben muss. Sie hat es so unglaublich lebhaft und authentisch umgesetzt, dass man sich als Leser automatisch fragt, kann es so was wirklich gegeben haben? So was kann doch nur der Fantasie eines Autoren entspringen. Leider nein, die schrecklichsten Geschichten schreibt eben doch das Leben. Die Geschichte, oder besser die Katastrophe der Colonia Dignidad ist keine Fiktion. Die Geschichte von Ruth, Christa und Anne entspricht der Wahrheit. Wenn hier vielleicht auch die Namen verändert wurden und die Autorin alles ein bisschen geglättet hat, damit man es lesen kann, ohne nur weinen zu müssen, so ist die Geschichte dahinter doch wahr und tatsächlich passiert.

In einem ausführlichen Nachwort geht Jonuleit noch einmal etwas genauer ins Detail und erzählt, wie sie darauf kam, Rabenfrauen zu schreiben. Auch dies ist spannend zu lesen. Rabenfrauen erzählt das Leben einer ganzen Familien in ihrer ganzen, unfassbaren Tragik. Es ist berührend, traurig und sehr bewegend. Rabenfrauen steht nur für das Schicksal einer Familie, aber doch stellvertretend für alle, die in dieser Sekte gefangen waren. Was bleibt, ist die Frage, wie konnte so etwas wie eine Sekte nur so lange Bestand haben. Warum war Hilfe nicht möglich? 

Rabenfrauen

Anja Jonuleit, dtv

Rabenfrauen

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