Die Franklin-Expedition

  • Hinstorff
  • Erschienen: Januar 2015
  • 0
  • Hinstorff , 2015, Titel: 'Im Eisland: Die Franklin-Expedition', Originalausgabe
Die Franklin-Expedition
Die Franklin-Expedition
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Thies Albers
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Histo-Couch Rezension vonOkt 2015

Arktis-Expedition in Comic-Form

Im Jahr 2014 entdeckten Wissenschaftler im arktischen Norden Kanadas das Wrack des englischen Expeditionsschiffes "HMS Erebus", dies war eine Sensation, da man seit über 170 Jahren nach diesem und dem Schwesterschiff "HMS Terror" suchte. Die Geschichte, die hinter dieser Katastrophe der Franklin-Expedion steht, erzählt Kristina Gehrmann in ihrem Comic Im Eisland. Eine Geschichte über den Mythos der Nordwestpassage, große Ambitionen, grenzenlosen Optimismus, menschliche Schicksale und letztendlich gnadenlosem Scheitern in der Hölle des arktischen Eises.

Der erste Band der Trilogie Im Eisland beginnt mit einem Prolog, der knapp 25 Jahre nach Beginn der Franklin-Expedition spielt. Hier wird schnell klar, dass die glorreich gestartete Expedition auf der Suche nach einem Seeweg von Europa über Kanada nach Asien, durch die legendäre Nordwestpassage, in einer Katastrophe endete. Obwohl somit das Ende der Comic-Trilogie schon verraten worden ist, tut es der Spannung keinen Abbruch, dank der flotten und vor allem authentischen Erzählweise durch die Autorin und Zeichnerin Kristina Gehrmann.

Expedition des Jahrhunderts

Die Geschichte erzählt von den Vorbereitungen auf die Expedition des Jahrhunderts, die besser und moderner ausgerüstet werden sollte, als es je eine Polarexpedition war. Die beiden Schiffe "HMS Erebus" und "HMS Terror" haben Dampfmaschinen, eine Heizung und die Verpflegung besteht aus lange haltbaren Konservendosen. Der Glaube an den technischen Fortschritt und das britische Empire gepaart mit großer Abenteuerlust zeichnet diese Forschungsreise aus. Die Leitung hat der sehr erfahrene Sir John Franklin, im Fokus der Erzählung stehen aber der irisch-stämmige Kapitän Francis Crozier und der junge John Torrington, der als Oberheizer anheuert.

Im Mai 1845 brechen die beiden Forschungsschiffe im englischen Greentithe zu ihrer Reise ins Terra incognita auf. Von nun wird das Leben an Bord geschildert, von der schmutzigen Arbeit im Maschinenraum bis zum gemeinsamen Singen und Waschen unter Deck. Hier erweist sich Kristina Gehrmann als gute Erzählerin, die hervorragend recherchiert hat. Kleine Episoden, die den Alltag der Seeleute erzählen, lassen die Geschichte sehr lebendig erscheinen und somit auch die Figuren emotional an den Leser binden. Als im August 1845 Walfänger auf die Forschungsreisenden stoßen, ahnt noch niemand, dass dies der letzte Kontakt mit der Außenwelt ist und ab jetzt die bis heute größte Tragödie in der Erforschung der Polarregion beginnt. Die Weiterfahrt wird immer beschwerlicher und letztendlich fordert der einbrechende Winter seinen Tribut, die Überwinterung vor den Beechy-Inseln ist unausweichlich. Die Crew kämpft gegen die Trostlosigkeit an Bord an, unter anderem wird zu den Festtagen ein eigens inszeniertes Theaterstück an Bord aufgeführt. Diese fröhliche Stimmung kann aber das eigentliche Drama nicht verdrängen und so ist am 1. Januar 1846 der erste Tote zu beklagen, womit der erste Teil der Trilogie endet.

Start einer historischen Comic-Trilogie

Die Geschichte erinnert von den Zeichnungen an einen typischen Manga, dies fällt insbesondere bei den jugendlichen Charakteren mit ihren Stupsnasen und wenig ausgearbeiteten Gesichtern auf, somit sind manche Besatzungsmitglieder nur schwer voneinander zu unterscheiden. Dies ändert sich interessanterweise bei den Hauptcharakteren. Franklin und Crozier sind wieder Beweis für Gehrmanns gute Recherche und ihr künstlerisches Können. Beide Charaktere sind gut dargestellt, sowohl in Bezug auf ihr wahres Aussehen, als auch auf ihre Charaktereigenschaften,  Franklin ein eher ruhiger, väterlichen Typ und Crozier das Sinnbild des mürrischen, stoischen Kapitäns. Dank der detaillierten Zeichnungen von Häusern, Kleidung, Inneneinrichtungen und insbesondere den Schiffen wird ein atmosphärisches Bild des 19. Jahrhunderts und des Alltags auf den Schiffen wieder gegeben. Auch der Wechsel von klaren Formen, präzisen Strukturen und gleichzeitig detailverliebter, um historische Genauigkeit bemühte Darstellung der Schiffe, erinnert stark an klassische japanische Comics. Der oft nicht ausgestaltete, weiße oder nur mit Rasterfolien bearbeitete Hintergrund wirkt, bei den ganzen anderen Details manchmal ein wenig lieblos. Aber auch wenn manche Bilder etwas spartanisch oder leer wirken, geht es hierbei um die Reduzierung auf das Wesentliche, auf die Charaktere und deren Entwicklung auf dieser langen Reise ins Ungewisse. Das Seitenlayout ist dafür alles andere als eintönig. Verschachtelte Panels, ineinanderlaufende Bilder und immer unterschiedliche Panelgrößen machen eine gute Figur in diesem Comic. Ein Schwachpunkt ist das einfallslose Lettering, welches hätte schöner gestaltet werden können, der spannenden Geschichte aber keinen Abbruch tut.

Abgerundet wird dieser Band mit einem Anhang, der einige Anmerkungen zu Begriffen und Personen im Comic enthält, ein Literaturverzeichnis, Kartenausschnitte, einem Querschnitt der "HMS Terror" und einem Originalbrief von Kapitän Francis Crozier vom Juli 1854. Dies unterstreicht Gehrmanns Versuch, die Geschichte möglichst authentisch zu erzählen und eine Faszination beim Leser für die damalige Seefahrt und die Waghalsigkeit einer solchen Expedition zu wecken. Beides ist ihr mit diesem Comic geglückt.

Offene Fragen

Der erste Band weckt das Interesse am weiteren Verlauf der Reise der "HMS Erebus" und "HMS Terror". Nun will man als Leser genauer wissen, wie es zur Katastrophe kommen konnte, trotz Erfahrung und guter, technischer Ausstattung der Expedition. Warum werden am Ende die Schiffe verschollen und alle Expeditionsteilnehmer tot sein? Spannend wird in den beiden nachfolgenden Bänden sein, wie Kristina Gehrmann mit der dünner werdenden Quellenlage umgeht. Der erste Band basiert auf vielen verlässlichen Quellen, über das Scheitern, seine Gründe und welchen Dramen und Schicksale sich nach der ersten Überwinterung 1845/46 abgespielt haben, kann zum großen Teil nur gerätselt werden.

Am Ende dieses Bandes bleibt eine spannende Geschichte, um eine arktische Expedition, die in einer Tragödie endet, die im Stil eines klassischen Mangas sehr gut illustriert wurde und nicht mit historischen Details geizt. Der zweite Band Gefangen ist bereits erschienen, Band 3 Verschollen erscheint im Frühjahr 2016.

Die Franklin-Expedition

Kristina Gehrmann, Hinstorff

Die Franklin-Expedition

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