Der Raub der Stephanskrone

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2015
  • 2
  • Ullstein, 2015, Titel: 'Der Raub der Stephanskrone', Originalausgabe
Der Raub der Stephanskrone
Der Raub der Stephanskrone
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Yvonne Schulze
621001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2015

Ein Klappentext, der mehr verspricht, als der Roman halten kann

Im Jahr 1437 kommt die junge ungarische Witwe Helene Szekeles mit ihrem kleinen Sohn nach Wien in das Haus des Domprobstes Andreas Plank, um mit dessen Sekretär Johann Kottanner eine arrangierte Ehe einzugehen und Kinderfrau am herzoglichen Hof zu werden. Helene, die bereits eine unglückliche Ehe hinter sich hat, ist alles andere als begeistert. Doch der Wille einer Frau zählt nichts in dieser Zeit, sie hat sich zu fügen. Fügen muss sich auch Johann Kottanner, der auf Befehl seines Dienstherrn die Ehe mit Helene eingehen soll. Plank erhofft sich, durch Helenes Dienst bei Hofe Einfluss auf die Herzogin nehmen zu können. Helene steigt bald zur Kammerfrau und Vertrauten der Herzogin und späteren Königin Elisabeth auf und ihr Leben bewegt sich fortan zwischen Hofburg und heimischem Herd und in diesem Rahmen bewegt sich zum Großteil auch die Handlung dieses Buches.

Moment mal! Stand im Klappentext nicht etwas ganz anderes? War da nicht von einer gefährlichen Reise Helenes die Rede? Und von einer Königskrone, die geraubt und bis aufs Blut verteidigt werden muss? Wurde dem Leser nicht ein großes Abenteuer versprochen? Jeder Leser, der mit dieser Erwartungshaltung zu diesem Buch greift, muss sich bis Seite 347 gedulden, um dann auf wenigen Seiten in einer arg konstruierten und im Zeitraffer erzählten Kurzfassung den titelgebenden Raub der Stephanskrone zu erleben. Im Vergleich dazu wird an anderer Stelle des Romans auf fast genauso vielen Seiten sehr detailfreudig Helenes Niederkunft beschrieben, so dass sich der Leser zeitweise in einem der einschlägigen Hebammenromane zu befinden glaubt.

Während der Raub der ungarischen Stephanskrone durch Helene Kottanner historisch belegt ist, weiß man allerdings heute kaum, wie sie das im Detail bewerkstelligt hat, so dass die Autorin hier ihrer Fantasie freien Lauf lassen konnte. Wenig ist über die reale Helene Kottanner und ihre geheime Mission bekannt. Hinweise geben lediglich Helenes eigene Aufzeichnungen, bei denen Historiker aber vermuten, dass sie geschönt und ausgeschmückt wurden und somit als aussagefähiges Quellenmaterial eher ausscheiden.   

Interessante Protagonistin, schwache Nebencharaktere

Bei den Figuren in diesem Roman handelt es sich zwar zum Großteil um historisch belegte Personen, sie bleiben aber letztendlich nur Abziehbilder ihrer realen Vorbilder. Besonders deutlich wird das bei Königin Elisabeth. Die Tochter von Kaiser Sigismund und Gattin des Herzogs und späteren Königs Albrecht II. von Habsburg galt als eine energische und kluge Frau, die auch politisch aktiv war. Beate Maly zeichnet diese bemerkenswerte Frau jedoch als Spätpubertierende, deren Stimmungen zwischen Trotz, Hysterie und Sentimentalität schwanken und die Romanfigur Elisabeth insgesamt als ziemlich unreifes Wesen erscheinen lassen. 

Die fiktive Helene ist definitiv die stärkste Figur dieses Romans - jedenfalls in der ersten Hälfte. Sie ist kein unbedarftes Mädchen vom Lande, das in die große Stadt kommt, sondern sie ist eine verwitwete, durch die Ehe mit einem gewalttätigen Gatten traumatisierte junge Frau. So ist es mehr als verständlich, dass sie ihrem zweiten, wiederum aufgezwungenen Ehemann Johann mit Ablehnung und Misstrauen entgegentritt. Helene ist gerade in der ersten Hälfte des Romans nicht unbedingt eine Sympathieträgerin, ihre Sperrigkeit bewirkt eher das Gegenteil. Das macht sie als Figur aber umso interessanter, weil es der Leser hier zur Abwechslung mal nicht mit einer jener genretypischen unfehlbaren Heldinnen zu tun bekommt, sondern mit einer jungen Frau, die vom Leben gezeichnet ist und durchaus auch negative Charaktereigenschaften hat. Der gutmütige und stets verständnisvolle Johann dagegen ist auf Dauer langweilig und verblasst neben Helene. Doch je mehr sich Johann und Helene im Laufe der Handlung annähern, umso mehr verliert auch Helene ihre Ecken und Kanten und wird immer mehr zum klassischen Typ der starken Frau vor historischer Kulisse samt Heiligenschein.

Der Raub der Stephanskrone ist leichter Lesestoff ohne wirklichen Tiefgang für den Durchschnittsleser, der Wert auf unkomplizierte und in erster Linie unterhaltende Histo-Schmöker legt, deren Handlung man problemlos folgen kann und die keine Ansprüche an den Leser stellen. Dazu trägt hier auch bei, dass sich die in die Handlung eingestreuten historischen Fakten in Grenzen halten und quasi nur am Rande eine Rolle spielen und bei denen sich die Autorin bewusst auch so manche Freiheit erlaubt hat, denn sie möchte nach eigener Aussage den Leser vorrangig unterhalten, wobei historische Korrektheit ihrer Meinung nach eher störend wäre. So lässt sie ihre Akteure dann auch über Straßen und Plätze laufen, die es im spätmittelalterlichen Wien gar nicht gab und die eher dem heutigen Stadtbild Wiens entsprechen. Sie verwendet   konsequent heutige Straßennamen, obwohl diese teilweise erst Jahrhunderte später entstanden sind. Eine genauere Beschreibung der damaligen Hofburg vermeidet die Autorin vorsichtshalber gleich ganz. Hier hätte man gerade von einer Autorin, die ihre eigene Heimatstadt als Setting für ihren Roman wählt, etwas mehr Sorgfalt erwarten dürfen, aber der historisch interessierte Leser, der auf solche Details Wert legt, gehört - wie schon erwähnt - nicht zur Zielgruppe der Autorin. 

Schlussendlich bleibt zu sagen, dass hier mal wieder ein vielversprechendes Thema an einer enttäuschenden Umsetzung scheitert, vom völlig irreführenden Klappentext ganz zu schweigen. 

Der Raub der Stephanskrone

Beate Maly, Ullstein

Der Raub der Stephanskrone

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