Das Fürstenlied

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2015
  • 1
  • Gmeiner, 2015, Titel: 'Das Fürstenlied', Originalausgabe
Das Fürstenlied
Das Fürstenlied
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Jörg Kijanski
751001

Histo-Couch Rezension vonAug 2015

Ein junger Heißsporn ermittelt im ausgehenden 16. Jahrhundert

Im Braunschweiger Land im Oktober des Jahres 1579. In einer Burgruine bei Niedernfrede wird die grausam zugerichtete Leiche einer einfachen Frau gefunden. Ihre Finger sind seltsam angeordnet, ihre Füße liegen überkreuz. Als nur zwei Tage später ein Ackerhofbesitzer ebenfalls tot aufgefunden wird, fühlt sich Untervogt Friedrich Kasten überfordert und bittet um Amtshilfe seitens der Herzogresidenz in Wolfenbüttel. Diese entsendet den gealterten Assessor des Rechts, Walter zu Hohenstede, und den ebenso jungen wie unerfahrenen Juristen Konrad von Velten, um die Untersuchungen voranzutreiben. Schnell erkennt Konrad, dass beide Morde nach dem gleichen Muster verliefen und somit nur ein Mörder sein Unwesen treibt. Doch zu Hohenstede bremst seinen eifrigen Assistenten mehrfach aus, mahnt zu Vorsicht und Zurückhaltung. Nachdem weitere Morde geschehen gelingt es Konrad mit Hilfe seines einflussreichen Onkels, mehr und mehr die Ermittlungen an sich zu ziehen. Als er sich jedoch in ein blindes Mädchen verliebt, droht er kurzzeitig den Überblick zu verlieren und verkennt dabei die Gefahr, in die er sich selber begibt. Derweil sieht sich seine Mutter Agnes in Wolfenbüttel als Leiterin einer reinen Mädchenschule zunehmend Anfeindungen ausgesetzt...

Hexenverbrennung, Intrigen, Gier und Niedertracht

Liest man vor Beginn des Romans die Inhaltsangabe im Innenteil des Buches, stellt man sich im Nachhinein die Frage, was den Verlag dazu bewegt hat, diese derart umfangreich zu gestalten. Leider wird so zumindest ein bisschen der Spannung genommen, wenngleich die Autorin Susanne Gantert dennoch einige überraschende  Wendungen parat hat. 1565 fand ein Hexenprozess statt, dem sieben Frauen zum Opfer fielen. Da die Leichen seltsam inszeniert aufgefunden werden, erkennt Konrad, dass die Finger der Ermordeten jeweils zu einer Schwur- und einer Meineidhand zusammengelegt wurden. In Kombination mit den überkreuz angeordneten Füßen kann dies nur bedeuten, dass die Betroffenen zu Lebzeiten einst ein falsches Zeugnis abgelegt haben müssen, womit alsbald der Zusammenhang zu der im Prolog beschriebenen Hexenverbrennung erkennbar wird. Folglich befindet sich jemand nach vierzehn Jahren auf einem Rachefeldzug, doch wer mit welchem Motiv und vor allem warum erst jetzt?

 

"Manchmal liegt die Lösung direkt vor unseren Augen und wir sehen sie nicht. Ich bin durch einen Eid gebunden, der die Kinder von [...] schützen soll. Doch seht Euch um und rechnet aus. Kommt Ihr auf ein Ergebnis, so geht damit behutsam um, dass Ihr nicht Leben zerstört, wo es zu blühen beginnt."

 

Der sympathische Protagonist mit zunächst nicht gänzlich geklärtem Familienhintergrund käme sicher schneller in seinen Ermittlungen voran, würde ihn sein Vorgesetzter nicht permanent mit einer Mischung aus Unentschlossenheit und Dummheit im Wege stehen. So können in aller Ruhe weitere Morde geschehen, bis sich nach und nach die Zusammenhänge abzeichnen. Bis dahin begibt sich Konrad wiederholt in Gefahr, verliebt sich in ein blindes Mädchen und am Ende gerät sogar seine gesamte Familie in Gefahr. Hinzu kommt die herzogliche Familie, in der vor allem der erst fünfzehnjährige Erbprinz Heinrich Julius von Braunschweig-Wolfenbüttel negativ auffällt, hat er doch offenbar eine Vorliebe für die Hexenverfolgung, die seine Eltern erfolgreich schon für beendet erklärten.

Während Konrad in Niederfreden und anderen ähnlich klangvollen Dörfern ermittelt, leidet seine Mutter Agnes in Wolfenbüttel unter einer zunehmenden Hetze. Statt in ihrer Mädchenschule die ihr anvertrauten Kinder auf die künftigen ehelichen Pflichten vorzubereiten, vergeude sie wertvolle Zeit mit Mathematik und anderem unnützem Zeug. Bald ist von Teufelswerk die Rede, was durch unbedachte Äußerungen des Erbprinzen zusätzlich angestachelt wird. Dabei erhält man einen durchaus interessanten Einblick in die damaligen Versuche, Elementarschulen für alle Kinder verpflichtend einzuführen. In der Stadt funktioniert dies recht ordentlich, doch spätestens auf dem Land kann und will sich die arme Bevölkerung das Schulgeld nicht leisten, zudem verliert dabei eine wichtige Arbeitskraft wertvolle Zeit und an geeignetem Lehrpersonal fehlt es außerdem.

Interessant sind ebenfalls die Entwicklungen am Hofe des Herzogs sowie die kirchliche Entwicklung im 16. Jahrhundert, über die die Autorin fundiert zu berichten weiss. Wer anlässlich der im Prolog erwähnten Hexenverbrennung zum Thema Hexenverfolgung tiefer gehende Informationen erwartet, wird nur bedingt erfreut sein. Zwar werden der Aberglaube der damaligen Zeit und die Konsequenzen unbedachten Denunziantentums anschaulich dargestellt, doch fehlt ein bisschen die letzte Konsequenz wie beispielsweise bei der Darstellung einer peinlichen Befragung. Hier bleibt die Autorin an der Oberfläche und möchte ihre Leserschaft offenbar nicht mit einer näheren Schilderung der grauenhaften Foltermethoden quälen. Ein weitaus größerer Wermutstropfen ist allerdings, dass es nur sehr bedingt gelingt, einen in die damalige Zeit zu versetzen. Hierzu hätte man vor allem die Lebensverhältnisse der Menschen aufzeigen müssen. Wie sahen Häuser und Räume von innen aus, welche Kleider wurden getragen, was gegessen und getrunken? Eigentlich recht einfach möchte man meinen, doch leider weitgehend Fehlanzeige. So bleibt eine durchaus spannende, mitunter etwas zu konstruierte Geschichte.

Das Fürstenlied

Susanne Gantert, Gmeiner

Das Fürstenlied

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