Giganten

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  • Erschienen: Januar 2015
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  • , 2015, Titel: 'Giganten', Originalausgabe
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Carsten Jaehner
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Histo-Couch Rezension vonJun 2015

Duell zweier unsympathischer Giganten

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts nimmt die technische Entwicklung ihren Lauf. Alles wird größer, höher, schneller, weiter, die Eisenbahn wird erfunden, die Elektrizität, Stahlgiessereien und transatlantische Unterseekabel. Es ist die Zeit, als auf Weltausstellungen die neuesten Erfindungen präsentiert wurden und niemand ahnen konnte, wie innovativ diese sein würden.

In dieser Zeit wachsen die Brüder Bartholdi auf, deren Vater sich wegen gefallener Eisenbahnaktien selbst getötet hat. Sie kommen in ein Internat, wo sie einen jungen Sonderling kennen lernen, mit dem sie sich später anfreunden. Dieser heisst Gustave Bönickhausen dit Eiffel, ein Franzose mit deutschen Vorfahren. Gemeinsam mit Charles und dessen jüngeren Bruder Frédéric Bartholdi interessiert er sich für Architektur, Zeichnen und den Erfolg, den man damit haben kann.

Doch zeigt sich bald, wie unterschiedlich die drei Charaktere sind. Charles als der ältere macht nichts aus seinen Fähigkleiten und geniesst das Leben, hat aber nie Geld. Frédéric sieht sich mehr als Künstler, malt gerne und gut und möchte seine Entwürfe als Statuen verwirklichen. Gustave sieht mehr Stahlkonstruktionen als sein Metier und weiss, dass alle Welt Schienen und Balken braucht und sammelt so ungeahnte Reichtümer an. So entwickeln sich vor allem Frédéric und Gustave zu Giganten ihrer Arbeit, und dennoch hassen sie sich bis aufs Blut. Der Grund ist wie immer eine Frau&

Cherchez la femme ...

Claude Cueni setzt mit seinem spannenden Roman Giganten zwei grossen Architekten des 19. Jahrhunderts ein Denkmal, wobei es für beide im Grunde genommen wenig schmeichelhaft ist. Sowohl Eiffel als auch Frédéric Bartholdi sind nicht unbedingt sympathische Charaktere, vor allem Eiffel ist menschlich schwer zu ertragen. Da sich Cueni in seinen Beschreibungen aber sowohl auf Eiffels Tagebücher als auch auf Biografen und sogar Familienmitglieder stützt, die sich in dieser Hinsicht einig sind, bleibt Eiffel von seinem Charakter her ein Unsympath.

Auch Frédéric hat nicht nur sympathsiche Charakterzüge, sondern auch gelegentlich den einen oder anderen herrischen und cholerischen Anfall. Dass es unfähig ist, seinem Schwarm Angélique seine Liebe zu gestehen, passt da ins Bild. Und auch, dass Gustave sie ihm letztlich wegnimmt, da er mehr Geld hat und Angélique als zukünftige Mutter seiner gewünschten fünf Kinder eine sinnvolle Aufgabe hat, bestätigt beider Charakterzüge. Gustave liebt Angélique nicht, und sie ihn eigentlich auch nicht, aber er gibt ihr Sicherheit, und fast verzweifelt Frédéric daran. Dies ist der Ausgangspunkt für eine lebenslange Rivalität und einen Hass aufeinander, der sich immer wieder zeigt, da Bartholdi und Eiffel sich immer wieder begegnen und zum Teil auch miteinander arbeiten müssen.

Freiheitsstatue und Eiffelturm

Gerade bei der Konstruktion der Statue für New York, die wir heute als Freiheitsstatue kennen, einem Geschenk Frankreichs an die USA zum 100jährigen Geburtstag des Landes liefert Bartholdi die Hülle und Eiffel die Eisenkonstruktion darunter. Der Name Bartholdi ist heute den wenigsten bekannt, der Name Eiffel schon. Auch dies zeigt am Ende die Entwicklung der Charaktere.

Eine verkrachte Existenz ist Charles Bartholdi, der ältere Bruder von Frédéric und völlig unfähig, sein Leben in vernünftige Bahnen zu lenken. Von Anfang an weniger talentiert und mehr am Leben an sich interessiert, nimmt er sich schnell die ehemalige Geliebte seines Vaters, Marie-Luce, zu seiner eigenen Geliebten und führt mit ihr ein mehr oder weniger akzeptables Leben, immer wieder von Geldsorgen geplagt und letztlich zum Scheitern verurteilt. So fallen die beiden letztlich auch auf den Goldrausch in Alaska rein, den Ruhm und Reichtum im Auge, die Realität nicht sehend. Ein Lebensplan, der nicht aufgehen kann.

Innovationen

Diese drei Biografien verknüpft Cueni zu einem temporeichen Roman über die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, in der der technische Fortschritt in all seinen Facetten zutage tritt und man ihm gar nicht entgehen kann. Die Geschwindigkeit, in der es technische Neuerungen ans Tageslicht schaffen, ist atemberaubend und nichts scheint mehr unmöglich. Auch die Idee des Ingenieurs Maurice Koechlin, einen Stahlturm an den Eingang des Weltausstellungsgeländes in Paris zu bauen, der mit 300 Metern der höchste Turm der Welt werden soll, scheint zunächst unmöglich, doch Eiffel kauft die Rechte daran und konstruiert den Turm, der ihn letztlich weltberühmt machen wird. Ein Mann mit Visionen und den finanziellen Mitteln dazu, beruflich geachtet und bewundert, der sich am Ende selbst im Weg stehen wird. Wie tragisch, beruflich ein Genie und menschlich eine verachtenswerte Kreatur. Und das leider nicht nur im Roman, sondern auch in Wirklichkeit.

Cueni nimmt den Leser mit auf eine Reise durch eine spannende Zeit und lässt demnach auch viele Prominente der Zeit mit den Protagonisten in Berührung kommen, die aber alles nachgewiesen sind. Zu ihnen zählen, Ferdinand de Lesseps, selber erst strahlender Held der Franzosen, durch den Suezkanal berühmt geworden und durch den Panamakanal kläglich gescheitert, Jules Verne, Victor Hugo, Allan Pinkerton, Louis Vuitton und vielen weiteren Größen Frankreichs dieser Zeit mehr. Man tummelt sich auf Weltausstellungen und besucht sich gegenseitig, ein munteres Stelldichein der Prominenz und ein Vergnügen für den faszinierten Leser.

Lohnenswert

Daneben erfährt man vieles über Lotterien, Weltausstellungen, Konstruktionen, Erfindungen und Innovationen aus einer schillernden Zeit, die damals so manchen Mund hat offen stehen lassen und die man sich heute nicht mehr vorstellen kann. Claude Cueni schafft es, diese Atmosphäre dem Leser weiter zu vermitteln und beschreibt eine spannende Zeit mit spannenden Menschen und vielen Fakten, die so manches Leserhirn erhellen dürfte.

Der Roman ist leicht zu lesen und hat im Anhang einen Glossar und ein sehr ausführliches Personenverzeichnis mit kurzen Biografien zu bieten, zudem bietet der Roman aus dem schweizerischen Wörterseh-Verlag ein beeindruckendes Buchcover, das den Leser sofort ins Geschehen holt.

Insgesamt ist Giganten ein gelungener Roman mit einem äusserst passenden Titel, der viel erklärt, von dem man nicht wusste, dass man dazu Fragen hat, der zudem hervorragend unterhält und spannend ist. Was will das Leserherz von historischen Romanen mehr?

Giganten

Claude Cueni, -

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