Knockout

  • Bebra
  • Erschienen: Januar 2015
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  • Bebra, 2015, Titel: 'Knockout', Originalausgabe
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Jörg Kijanski
751001

Histo-Couch Rezension vonFeb 2015

Berlin 1932. Der Anfang vom Ende ist in Sichtweite

Die Silvesternacht 1931/32 verbringt Sándor Lehmann, Hauptkommissar der Berliner Mordkommission, in der Fliegerbombe, mit deren Chefin Rosi er einst liiert war. Als Rosi den letzten, vermeintlich eingeschlafenen Gast hinaus bitten möchte, fällt dieser tot vom Stuhl. Doch zunächst gibt es für Lehmann und seine Kollegen einen wichtigen Termin, denn am Neujahrstag hat ihr Chef, der legendäre Ernst Gennat, Geburtstag und so geht es in den Spichernring, wo Promoter Ernst Zirzow ein großes Boxspektakel ankündigt. Seit längerem halten sich die Gerüchte, dass es im Spichernring nicht mit rechten Dingen zugeht. Rätselhafte Schwächeanfälle und Zusammenbrüche der Sportler sowie überraschende Siege von krassen Außenseitern lassen Manipulationen vermuten. Auch hinter den Kulissen wird mit harten Bandagen gekämpft; so gibt sich Zirzows größter Konkurrent, der Freiluft-Boxpromoter Rudi Blinker, erst gar keine Mühe, seine Abwerbeversuche von Talenten zu verbergen. Als der Boxer Paul Völkner im Ring tot zusammenbricht wird der Spichernring fast zum zweiten Zuhause für Lehmann, doch in der verschworenen Unterwelt kommt er mit seinen Ermittlungen nicht voran. Lehmanns größte Sorge sind einige Monate später jedoch nicht mehr seine auf der Stelle tretenden Nachforschungen, sondern das plötzliche Aufmarschieren der Reichswehr auf dem Alexanderplatz. Erstmals kommen ihm Zweifel an seinem Job...

Ein Wiedersehen mit den Stars der Boxszene der 1920/30er Jahre in Berlin

Der dritte Fall mit Sándor Lehmann spielt im Jahr 1932, in dem sich die rechten Kräfte mehr und mehr durchsetzen. Zunächst stirbt jedoch ein Unbekannter in der Fliegerbombe, doch in diesem Fall wird überraschend wenig ermittelt. Stattdessen wird kurz die Berliner Mordkommission und hier natürlich deren Star schlechthin, Ernst Gennat, vorgestellt. Danach geht es erst einmal für rund fünfzig Seiten in die Berliner Boxszene, um dann festzustellen, dass man in dem rätselhaften Mordfall keinen Schritt weiter gekommen ist. Der Kriminalroman (Buchcover) enthält ein bisschen wenig von dem, was einen Kriminalroman gemeinhin auszeichnet, nämlich polizeiliche Ermittlungsarbeit. Sieht man von diesem Umstand einmal ab, ist Knockout dennoch ein lesenswerter Roman, wobei man aber Interesse am Boxsport haben sollte. Wer mit Boxen partout nichts anzufangen weiß, der sollte diesen Roman eher nicht lesen.

 

"Hitlers Faustkampf erlaubt keine Finten, kein Ausweichen, kein Taktieren. Er strotzt nicht vor Kraft, sondern vor Regeln. Aber Regeln und Ringrichter und Punktesysteme machen ja gerade dem Unverfälschten den Garaus. Zwei Männer kämpfen, der Verlierer fällt um: Das ist es, worum es geht. Der Knockout ist das Ziel, nicht der Sieg nach Punkten. Ein unentschiedener Kampf hat zwei Verlierer! Beim Boxen gibt es nur eine einzige Wahrheit, und das ist die des Siegers. Die braucht keinen Ringrichter, sie erklärt sich selbst."

 

Sándor Lehmann trinkt bevorzugt einen grünen Escorial und trägt nach wie vor seine Klarinette, eingenäht in seinem Anzug, ständig bei sich. Ein ums andere Mal spielt er spontan bei einem Stück mit, so dass wie schon beim Debütroman Black Bottom Jazzfreunde (zumindest teilweise) auf ihre Kosten kommen. Besonders lesenswert ist der Plot jedoch für Freunde des Boxsports, denn hier gibt es ein Wiedersehen mit Karl Knöpnadel, Deutschlands letztem gehörlosen Boxprofi, und Johann Wilhelm Trollmann, der 1933 ganze vier Tage Deutscher Meister war, bevor ihm der Titel umgehend wieder aberkannt wurde. Zehn Jahre später wurde er in einem KZ erschossen. Boxweltmeister Max Schmeling wird selbstredend erwähnt und auch Bert Brecht erhält seinen Auftritt.

 

"Moabit war etwas wie der Blick in die eigene Unterhose, etwas peinlich, aber vertraut; etwas, was man Fremden nicht zeigen würde und womit man Freunde nicht wirklich schockieren konnte. Moabit war... Moabit."

 

Neben dem Boxsport werden die Örtlichkeiten sehr gut vorgestellt, darunter der Wedding und Moabit. Die Polizeiarbeit im Allgemeinen kommt nicht zu kurz und da die Geschichte 1932 spielt, nimmt die Entmachtung des ebenfalls legendären Bernhard Weiß, Berlins Polizeivizepräsident, eine wichtige Rolle ein. Als zeithistorischer Roman ist Knockout eine klare Empfehlung, sofern man sich insbesondere mit den erwähnten Themenschwerpunkten (Boxen, Jazz, Berliner Polizei im Allgemeinen und die politische Situation kurz vor der Machtergreifung der NSDAP) anfreunden kann.

Knockout

Martin Keune, Bebra

Knockout

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