Die Huren des Apothekers

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  • Erschienen: Januar 2013
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  • , 2013, Titel: 'Die Huren des Apothekers', Originalausgabe
Die Huren des Apothekers
Die Huren des Apothekers
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Annette Gloser
751001

Histo-Couch Rezension vonJan 2015

Viel Gänsehaut, viel Liebe

Luzia, ehemals Diebin, Akrobatin und in Amorbach als Hexe knapp dem Scheiterhaufen entkommen, lebt im Jahre 1608 als respektable Gattin eines hoch angesehenen jungen Adligen in Marburg. Sie hat mit Lukas ihre große Liebe gefunden und fügt sich nun gut in seine Welt mit den feinen Tischmanieren, den weichen Betten und den fleißigen Dienstboten ein. Schade allerdings, dass Lukas in einem Haus weit außerhalb von Marburg auf der Lahnhöhe lebt. Einziger Nachbar weit und breit ist der Apotheker Henslin, der ägyptische Mumien zu Pulver verarbeitet und gewinnbringend verkauft. Apothekersfrau Mechthild betreibt auf dem weiträumigen Anwesen ein Heim für unverheiratete schwangere Frauen, eine wohltätige Einrichtung, für die viele Marburger spenden. Raubeinige Knechte bewachen das Anwesen des Apothekers, verständlich, denn er ist ein reicher Mann und man lebt einsam, mitten im Wald.

Bald jedoch muss Luzia feststellen, dass die schwangeren Mädchen keineswegs alle Huren sind, wie es Frau Mechthild immer behauptet. Und sie sieht, wie schlecht die Mädchen behandelt werden. Dann aber taucht Frank auf, gelernter Henker, auf der Suche nach seiner verschwundenen Liebsten. Die Mädchen wissen nur, dass seine Bärbel eines Tages schreiend in den Wald gelaufen ist. Seitdem hat sie niemand mehr gesehen. Frau Luzia jedoch, selbst schwanger, noch immer voller Neugier und ebenso noch immer mit geschickten Fingern, will unbedingt die ägyptische Mumie sehen, die vor kurzem dem Apotheker geliefert wurde. Heimlich schleicht sie in seine Werkstatt und wird Zeugin eines grausigen Verbrechens.

Sympathische Protagonisten

Mit Die Huren des Apothekers hat Tatjana Stöckler ihrer Heldin Luzia einen weiteren Roman gewidmet. Luzia bringt vieles mit, was eine interessante Romanheldin braucht: Sie ist unkonventionell und neugierig, fällt dabei jedoch nicht aus dem Rahmen ihrer Zeit. Sie hat Vorurteile, ist jedoch bereit, sie zu überdenken und vielleicht auch ihre Haltung  zu ändern. Und sie verfügt über eine gehörige Portion Mut. Das alles macht sie sympathisch und schenkt ihr die Herzen der Leser. Aber neben Luzia gibt es in diesem HistoKrimi noch weitere interessante Protagonisten. Da ist der Henker Frank, der mit Selbstverständlichkeit seinen todbringenden Beruf ausübt und dennoch nicht der Grausamkeit verfallen ist, vielleicht der schillerndste Charakter in diesem Roman. Und da ist Elße, die nach einer Vergewaltigung schwanger wurde und nun der Willkür der Apothekersfrau Mechthild ausgeliefert ist.

Das Apothekerpärchen dagegen ist recht einseitig gestaltet. Die beiden sind böse, einfach böse, und das ist wohl doch ein wenig zu einfach. Hier hätte man sich ein wenig mehr Farbe gewünscht und nicht nur schwarz. Dennoch erzählt Tatjana Stöckler ihre Geschichte mit viel Elan und Einfallsreichtum, lässt ihre Protagonisten gänsehauttreibende Abenteuer bestehen und führt ihre Leser schwungvoll in eine regelrechte HorrorWelt.

Ein Histo-KrimiMärchen

Dieser HistoKrimi balanciert auf dem schmalen Steg zwischen historischer Realität und Märchen. Die Autorin neigt nicht dazu, Verhaltensweisen zu beschönigen. Sie schreibt sehr deutlich über die Verachtung, die einer ledigen Schwangeren entgegen schlagen konnte, über die Selbstgerechtigkeit und die Vorurteile der gutsituierten Bürger. Wie wahrscheinlich es ist, dass ein Verbrechen so wie hier geschildert tatsächlich ausgeführt wird und jahrelang unentdeckt bleibt, das muss jeder Leser für sich entscheiden.

Allerdings fällt auf, dass die Autorin es mit dem historischen Alltag nicht ganz so genau nimmt. Wir schreiben das Jahr 1608 und auf den Tischen stehen Porzellanteller, dabei hat Herr Böttger das europäische Porzellan erst genau hundert Jahre später erfunden. Chinesisches Porzellan im Haushalt eines Apothekers oder eines kleinen Adeligen? Sehr unwahrscheinlich. Auf den Tischen liegt Besteck, zu einer Zeit, als man sein Messer und seinen Löffel meist noch selbst mitbrachte und Gabeln noch immer in Italien feststeckten und es noch nicht einmal bis an den französischen Königshof geschafft hatten. Solche Kleinigkeiten stören leider beim Lesen. Allerdings ist die Geschichte um das vom Apotheker verwendete Mumienpulver und die ausgesprochen mies behandelten schwangeren Frauen so spannend, dass man trotzdem gerne weiter Seite um Seite umblättert. Jedoch wird bald deutlich, dass die Autorin bei aller Brutalität, mit der hier teilweise erzählt wird doch einen intensiven Drang zum harmonischen Ende hat. So bekommt der Roman ein etwas märchenhaftes Flair, was der Spannung allerdings keinen Abbruch tut.

Gelungene Fortsetzung

Die Huren des Apothekers ist ein Roman, mit dem man einige spannende Stunden im Lesesessel verbringen kann, einer, in dem man auch gut unterwegs weiter schmökern kann oder im Urlaub einfach abschalten. Der Burgenwelt Verlag hat das Cover der Paperback-Ausgabe liebevoll gestalten lassen, eine gute Einstimmung auf den Roman. Einige kurze Zeilen gibt es am Ende des Buches von der Autorin über einen real existenten Bösewicht, der im Roman eine wichtige Rolle spielt. Mehr braucht man als Leser eigentlich auch nicht. Dieser Roman ist eine gelungene Fortsetzung des ersten Bandes Die Hexe muß brennen, allerdings muss man den ersten Teil nicht gelesen haben um mit dem zweiten Teil zurecht zu kommen. Dennoch: Wer Luzia kennen gelernt hat, der wird sicher gerne alle ihre Abenteuer lesen wollen.

Die Huren des Apothekers

Tatjana Stöckler, -

Die Huren des Apothekers

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