Das Mädchen mit dem kalten Herzen

  • Lübbe
  • Erschienen: Januar 2015
  • 2
  • Lübbe, 2012, Titel: 'Las Eternas', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
761001

Histo-Couch Rezension vonJan 2015

Etwas zu viel Horror-Szenario

Der Venezianische Spielwarenhersteller Mario Corsini ist entsetzt. Ausgerechnet in seiner unmittelbaren Nachbarschaft hat sich der geheimnisvolle Gian Carlo Montalbano mit seiner Tochter niedergelassen. Montalbanos Spielwaren sind erstaunlich. Sie wirken so lebendig, wie es Corsinis Spielwaren nie fertig bringen sind doch der Technik im Jahr 1908 noch enge Grenzen gesteckt. Neugierig auf das Geheimnis seines Konkurrenten macht Mario Corsini einen Antrittsbesuch bei Montalbano und ist sofort von dessen Tochter Silvana fasziniert. Die junge Frau allerdings wirkt unnahbar und ist Montalbanos Puppen nicht unähnlich. Je mehr sich Mario mit Silvana und ihrer spitzen Zunge auseinandersetzt, desto stärker verfällt er ihr. Mitten in seinem Werben um die junge Frau kehrt jedoch Gina in Marios Leben zurück seine Ehefrau, die ihn einst verlassen hatte und ihm damit das Herz brach. Begleitet wird Gina von ihrer kleinen, hübschen Tochter Marina. Mario gerät in ein Dilemma, denn Gina macht keinen Hehl aus ihrer Absicht, ihren Ehemann wieder für sich zu gewinnen.

Düstere Bilder

Schon das Cover kündet es an: Der Roman von Victoria Álvarez ist ein Werk mit vielen dunklen Bildern. Die Autorin steigt bereits mit einem düsteren Szenario ein. Sie entführt die Leserinnen und Leser in ein Hospiz, in dem ein kleines Mädchen als letztes Opfer einer Cholera-Epidemie von Totengräbern abgeholt werden soll. Diese bedrückende Atmosphäre legt sich wie ein Schleier über die weiteren Geschehnisse. Auch der Szenenwechsel zu den Brüdern Andrea und Mario Corsini bringt kaum Entspannung. Die beiden jungen Männer müssen mit ihrem Spielwarengeschäft ums Überleben kämpfen. Entsprechend gedämpft ist die Stimmung im Hause Corsini. Dass Andrea mit der Nachbarstochter eine Affäre begonnen hat, macht die Situation nicht besser. Denn Mario befürchtet, das Wohlwollen des Nachbarn zu verlieren, der den früh verwaisten Jungen fast wie ein Vater zur Seite gestanden hatte. Mit diesen Bildern macht Victoria Álvarez deutlich, dass sie ihr Publikum nicht in eine lichtere Umgebung entlassen möchte. Die dunkle Stimmung kommt auch beim ersten Besuch Marios im Geschäft seines Konkurrenten zum Ausdruck: Das Szenario, das die Autorin beschreibt, wirkt bedrückend. Hier kommt allerdings die Stärke der spanischen Autorin zum Ausdruck. Sie versteht es meisterhaft, Stimmungen zu erzeugen und die einmal gezeichneten Bilder über längere Strecken hinweg aufrecht zu erhalten.

Interessante Charaktere

Vielschichtig kommen die verschiedenen Charaktere daher. Victoria Álvarez gibt ihren Figuren Konturen und lässt sie dadurch eine starke Persönlichkeit entwickeln. Dies tut dem Roman durchaus gut. Besonders Mario, der zunächst etwas naiv und unbeholfen wirkt, vermag sich zu einer Figur entwickeln, die dem Leser ans Herz wächst. Ähnliches gilt für seinen jüngeren Bruder Andrea, dem man seine amourösen Eskapaden verzeihen mag und den man fast als einzige nahezu unbeschwerte Persönlichkeit in diesem Roman empfinden kann. Hier wird auch deutlich, dass sich die Geschichte weniger für Fans des historischen Romans als für Leserinnen und Leser von Romanen mit Horror-Szenen eignet. Die dunkle Atmosphäre wirkt bedrückend und lähmend, die sich abzeichnende Entwicklung in vielerlei Hinsicht als absurd und konstruiert. Daran vermag auch die Liebesgeschichte zwischen Mario und Silvana sie wirkt stellenweise wie eine scharfzüngige Untote nichts ändern.

Fiktion vor historischer Kulisse

Viel an Historie packt die Autorin tatsächlich nicht in ihren Roman hinein. Zwar entleiht sie sich einzelne Elemente aus der Geschichte und baut sie geschickt in ihre Geschichte ein, doch wird der Leser nur wenig über die gesellschaftliche Situation und Entwicklung im Venedig des beginnenden 20. Jahrhunderts erfahren. Darüber sollte sich im Klaren sein, wer zu diesem Roman greift. Ebenso wie darüber, dass die Autorin ein Faible für Absurditäten und Albträume zu haben scheint, das sie mit Vergnügen umsetzt und dem sie stellenweise so viel Raum gibt, dass es den Verlauf der Geschichte stark beeinflusst und alle anderen Bereiche in den Hintergrund schiebt. Wer Geschichten mit gruseligen Komponenten mag, wird mit diesem Roman bestens bedient sein. Victoria Álvarez schöpft in dieser Beziehung aus dem Vollen.

Das Mädchen mit dem kalten Herzen

Victoria Álvarez, Lübbe

Das Mädchen mit dem kalten Herzen

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