Eine brillante Masche

  • Grafit
  • Erschienen: Januar 2014
  • 1
  • Grafit, 2014, Titel: 'Eine brillante Masche', Originalausgabe
Eine brillante Masche
Eine brillante Masche
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Annette Gloser
831001

Histo-Couch Rezension vonOkt 2014

Darauf können Sie einen lassen!

Im August 1950 beginnt vor dem Landgericht Arnsberg der Prozeß gegen Johann Bos, alias Baron Joachim von Hohenfeld, alias Hans Hoffmann, alias Heinz Forst, alias Hans Bayer, alias Mampe (Erbe der bekannten Likörfabrik). Das Gericht sieht sich mit einer schier unglaublichen Menge von Straftaten konfrontiert. Betrug und  Diebstahl waren die Haupterwerbsquellen von Johann Bos. Nun soll der Prozeß gegen den vielleicht größten Betrüger der Nachkriegszeit geführt werden, einen Mann, der wie ein Chamäleon in die unterschiedlichsten Rollen schlüpfte und dessen Opfer meist die Angehörigen ehemaliger Nazifunktionäre waren. Mit dem Versprechen, den Inhaftierten die Freiheit oder zumindest Hafterleichterungen zu verschaffen, ergaunerte Bos von deren liebenden Ehefrauen Geld und Schmuck im Wert von mehreren Hunderttausend Mark.

Eigentlich ist Bos ja geständig, pauschal gibt er alles zu, was ihm die Anklage vorwirft. Die Richter allerdings haben noch eine Menge Fragen und es zeigt sich, daß Bos ein recht selektives Gedächtnis hat: ständig vergisst er, wo die Beute versteckt ist. Und in seinem Selbstverständnis ist der begnadete Lügner eigentlich ein ganz armes Würstchen, permanent verführt und unter Druck gesetzt von ominösen Unbekannten, Opfer seiner Tablettensucht, Opfer seiner Tabaksucht. Und doch sieht er sich auch als eine Art Nachkriegs- Robin Hood, der den Reichen nahm um den Armen zu geben. Wobei er mit den Armen meist sich selbst meint.

Vor dem Hintergrund des Prozesses erzählt Jan Zweyer die Geschichte eines Ganoven, der wohl nur in dieser Nachkriegszeit im chaotischen Deutschland so groß heraus kommen konnte und der mit seiner eher zwanglosen Wortwahl die Richter in die Verzweiflung, das Publikum jedoch in mühsam unterdrückte Heiterkeit treibt.

Gut erfunden

Jan Zweyer hat mit Eine brillante Masche keine Romanbiographie geschrieben. Dazu fanden sich zu wenig Quellen, die Auskunft über Jan Bos gegeben hätten. Dennoch entsteht vor den Augen des Lesers ein sehr greifbares Bild des Mannes, der lange Jahre in vielen Städten Deutschlands gesucht wurde. Zwar handelt es sich dabei um eine eher fiktive Persönlichkeit, aber zusammen mit der sehr realistischen Schilderung des Lebens nach dem großen Krieg wird die Geschichte ausgesprochen glaubhaft. Außerdem ist Jan Zweyer zumindest in den Zeitungsarchiven fündig geworden und konnte hier auf einige Fakten zurück greifen. Und in diesem Fall gilt tatsächlich der alte Spruch: Wenn es nicht wahr ist, so ist es doch gut erfunden. Denn hier hat man als Leser jede Menge Spaß. So trist die Zeit sein mag, in der Johann Bos seine Betrügereien durchzog, Jan Zweyer hat seinem Bos eine Persönlichkeit à la Hauptmann von Köpenick verpasst. Was da vor dem Landgericht Arnsberg abläuft, das kann einem schon gelegentlich die Tränen in die Augen treiben. Allerdings mehr die Lachtränen, denn das Mitgefühl mit den beklauten Nazi-Gattinnen hält sich in überschaubaren Grenzen.

Um ehrlich zu sein: Johann Bos ist niemand, dem man auf die Schulter klopfen möchte. Aber seine Art zu reden, seine Versuche, sich aus allen Vorwürfen irgendwie heraus zu winden, seine amourösen Eskapaden, das alles lässt die meisten Leser wohl nur fassungslos mit dem Kopf schütteln.

Gleichzeitig wird jedoch auch deutlich, unter welchen Bedingungen die Menschen damals lebten, vor welchen schier unüberwindbaren Hürden die Behörden standen und wie wenig in dem zerstörten Land eigentlich noch funktionierte. Der Leser bekommt ein sehr klares Gefühl dafür, warum ein Betrüger wie Johann Bos sich so lange dem Zugriff der Polizei entziehen konnte. Jan Zweyer beschreibt diese Zustände keineswegs ausschweifend, aber gerade diese Zurückhaltung transportiert ein scharfes Bild.

Lesespaß garantiert

Der Autor nutzt den Rahmen der Hauptverhandlung für die Darstellung der Geschichte von Johann Bos. Allerdings sind es nicht nur Dialoge zwischen Richter und Angeklagtem. Jan Zweyer baut Rückblenden ein, in denen bestimmte Gegebenheiten erzählt werden. Für die Leser ist das kein Problem, denn solche Rückblenden werden meist mit einem Erzählen Sie mal... des vorsitzenden Richters eingeleitet, so daß man sofort erkennt, woran man hier beim Lesen ist. Dabei wurde insbesondere Johann Bos mit einer Sprache ausgestattet, die seine Persönlichkeit deutlich charakterisiert und geeignet ist, beim Leser die bereits erwähnten Heiterkeitseffekte hervor zu rufen. Einer seiner Lieblingssätze: Worauf Sie einen lassen können!. Bos begegnet vielen Menschen, allerdings im Regelfall nur kurz. Und so ist es ganz natürlich, daß die meisten von ihnen in diesem Roman keine Tiefe erlangen können. Sie bleiben so, wie sie es auch für Johannes Bos waren: Vorbeihuschende Schatten, nur dazu geeignet, sie um möglicherweise vorhandene Wertsachen zu erleichtern.

Die schnörkellose Erzählung nimmt ihre Leser mit. Es gibt keinen großen Spannungsbogen vom Anfang bis zum Ende, denn das Ende kennt der Leser ja schon. So sind es eher viele kleine solcher Bögen, zum Teil ineinander übergehende, die das Buch spannend und interessant machen. Es liest sich flott weg und man hat Spaß dabei. Allerdings stellt sich dem Leser auch die Frage, wie er das, was Bos getan hat, für sich selbst wertet.

Ein Stück deutscher Geschichte

Jan Zweyer schreibt seit Jahren Krimis, die im Umfeld der Ruhrpott-Kohlegruben spielen. Auch diesmal ist er weitgehend in seiner Wohlfühlzone geblieben und hat sie nur für wenige Kapitel verlassen. Seine enge Verbundenheit mit seiner Heimat und seine genaue Kenntnis von Orten und deren Geschichte wirkt sich ausgesprochen positiv auf den Roman aus. Eine brillante Masche ist ein Buch für viele Lebenslagen mit berufsverkehrstauglichem Format. Der Grafit-Verlag hat ein Cover dafür gefunden, das die Leser gut auf den Roman einstimmt und Jan Zweyer hat einige Nachbemerkungen angefügt, die Auskunft über Entstehungsgeschichte und Wahrheitsgehalt des Romans geben. Alles in Allem ein guter Griff, nicht nur, wenn man auf der Suche nach Weihnachtsgeschenken ist. Und ein guter Griff auch dann, wenn man nicht in Nordrhein-Westfalen beheimatet und an Lokalgeschichte interessiert ist. Denn der Roman bietet einen sehr offenen Blick auf Nachkriegsdeutschland bis 1950 und damit auf ein wichtiges Stück unserer Geschichte.

Eine brillante Masche

Jan Zweyer, Grafit

Eine brillante Masche

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