Weinbrenners Schatten

  • Emons
  • Erschienen: Januar 2014
  • 1
  • Emons, 2014, Titel: 'Weinbrenners Schatten', Originalausgabe
Weinbrenners Schatten
Weinbrenners Schatten
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Sabine Bongenberg
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Histo-Couch Rezension vonOkt 2014

Mehr Schatten als Licht

Ruhm ist und war - unabhängig von Person und Epoche - schon immer eine vergängliche Sache. Das trifft sicherlich für die meisten zu. Nicht jeder schafft es, nach dem Stil eines Mick Jagger noch mit sechzig hüftschwenkend - aber umjubelt - auf der Bühne zu stehen. Diese Erfahrung macht auch der Architekt Friedrich Weinbrenner im Jahr 1817, als nicht nur seine ambitionierten Bauwerke nicht mehr die Beachtung finden, die seinem verwöhnten und sorgfältig gepflegten Ego entsprechen, sondern auch noch in seinem Umfeld plötzliche Todesfälle auftreten.

Historischer Kriminalroman?

Petra Reategui bietet in ihrem Roman Weinbrenners Schatten erst einmal das, was die Leser eines historischen Kriminalromans erwarten: Spektakulär tritt der erste Todesfall in Erscheinung. Der Bäcker Georg Hemmerdinger wird ertrunken aus einem Bach gefischt und sein Tod wirft nicht nur bei seinen hinterbliebenen Kindern diverse Fragen auf. Unglücklicherweise müssen sich die Leser von Weinbrenners Schatten noch länger mit ihren Fragen auseinandersetzen, tritt dieser Todesfall doch im Zuge der weiteren Erzählung vollkommen in den Hintergrund. Die Folgen des plötzlichen Dahinscheidens bleiben natürlich spürbar. Das Geld ist knapp, die Schulden, die der Familienvater hinterließ, nicht unerheblich und jeder Pfennig wird gebraucht. Dennoch - eine ernsthafte Auseinandersetzung oder möglicherweise eine Untersuchung, aus welchem Grund Hemmerdinger aus dem Leben scheiden musste, findet erst einmal nicht statt.

Lieber widmet sich die Autorin dagegen ausführlich dem Leben und dem Geltungsbedürfnis des Architekten Friedrich Weinbrenner. Der wird vom Tode des Bäckers nur am Rande berührt, hat er doch vielmehr seine eigenen Sorgen. Seine Bauwerke, die seinen strengen Konzepten und Idealen unterliegen, werden plötzlich in Frage gestellt. Besonders hervor tut sich dabei der fiese Gastwirt Hackschmitt, der sich unvermittelt über die Bauordnung und die Vorstellungen des Architekten hinweg setzen und eigenmächtige Änderungen seines durch Weinbrenner konzipierten Gasthauses durchsetzen will. Diese Problematik mag in besonderen Berufskreisen vermutlich auf Interesse stoßen, in einem Buch, das als Kriminalroman beworben wird, lockt diese Frage allerdings nicht allzu viele Leser hinter dem Ofen hervor. Ändern könnte sich das, als auch der Gastwirt, bei dem es sich um einen besonders unangenehmen Zeitgenossen handelte, ermordet aufgefunden wird. Dennoch - jemand, der andere immer nur betrogen, hintergangen, erpresst und übers Ohr gehauen hat, braucht sich auch nicht wirklich zu wundern, wenn er eines Tages dafür die Quittung erhält.

Was kratzt es eine Eiche...?

Mit diesem Mord konstruiert die Autorin das abschließende Bindeglied zur Figur des Friedrich Weinbrenner. Einer seiner Konkurrenten nutzt nämlich behände die Situation aus und beschuldigt den bisher hoch angesehenen Baumeister über anonym ausgehängte Schreiben des Mordes. Hier sei nun tatsächlich die Frage gestattet, aus welchem Grund ein prominenter, berühmter und geschätzter Bürger über anonyme Schmierereien ganz aus dem Häuschen sein sollte? Die Fantasie der Autorin sieht es dennoch hier so vor, dass der Architekt sein gesamtes Weltbild erschüttert sieht, hilfesuchend nach den Händen seiner prominenten Freunde oder dem nächstbesten Cognac greift und panisch nach der Auflösung der Untat ruft.

Unabhängig von Weinbrenners Wehklagen, seinem angekratzten Ego und den allgemeinen Problemen in seinem Haushalt wird die Lösung dann immerhin gefunden und so mancher könnte sich damit wieder an das Lied eines berühmten deutschen Liedermachers erinnert fühlen. Immerhin finden die Begabten und die Künstler zu ihrer alten Größe zurück, die Guten werden belohnt und die Verliebten fallen sich in die Arme. Dieses literarische Ende überrascht sicherlich nicht, wohl aber das praktische. Denn bei einem Buch von 332 Seiten tritt dieses Ende schon auf Seite 289 ein. Den Rest bildet dann ein Anhang, in dem die Personen, die auch vorher nicht sonderlich interessierten, noch einmal ausführlich vorgestellt werden und recht allgemein gehaltene Kochrezepte, die auf jeden Fall noch eine genauere Lektüre auf den einschlägigen Seiten des Internets empfehlen. Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht.

Warum lesen?

Diese Frage stellte sich mehrfach. Überhaupt stellte sich die Frage, welche Geschichte in diesem Buch erzählt werden sollte. Sollte der Figur des Architekten Weinbrenner Gebühr gezollt werden? Das ist mit mäßigem Erfolg gelungen. Sollte ein Kriminalfall erzählt werden? Dann wäre es wünschenswert gewesen, diesem Fall tatsächlich eine größere Bühne einzuräumen. Sollte ein Zeitgemälde über das Leben im jungen Hannover entwickelt werden? Das ist sogar wegen der interessanten Informationen zur damaligen Stadtgeschichte ansatzweise gelungen. Dennoch bleibt als Fazit: Die eierlegende Wollmilchsau hat bisher noch nie jemand gesehen und vermutlich wird sie auch immer eine Vision bleiben. 

Weinbrenners Schatten

Petra Reategui, Emons

Weinbrenners Schatten

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