Im Hause Longbourn

  • Knaus
  • Erschienen: Januar 2014
  • 2
  • Knaus, 2013, Titel: 'Longbourn', Originalausgabe
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Bettina Weiß
861001

Histo-Couch Rezension vonSep 2014

Ergänzung zu Jane Austen

Eine Geschichte hinter der weltberühmten Geschichte von Jane Austen: Stolz und Vorurteil aus Sicht der Hausangestellten. Sie sind immer da, sie kennen jede Befindlichkeit der Herrschaft und werden doch nicht wahrgenommen: Die Dienstboten in den wohlhabenden Häusern der feinen Gesellschaft.

Ein Leben zwischen Waschtrögen, Küche und Stall

Das Leben außerhalb der feinen Salons und der herrschaftlichen Zimmer ist hart: Der Waschtag bedeutet für die Bediensteten rissige, blutige Hände und Arbeit bis zur körperlichen Erschöpfung. Steht eine Einladung der Töchter des Hauses zu einer Abendgesellschaft an, so sind die Haare der Damen einzudrehen, was häufig mit Verbrennungen durch die Brennschere für die Zofen einhergeht oder aber es sind kurzfristige Besorgungen mit einem kilometerlangen Fußmarsch gefordert. Sind die Herrschaften auf dem Weg zur Gesellschaft, so werden sie natürlich gefahren und der Kutscher hat in Kälte und Regen bis zum Ende der Veranstaltung auszuharren. Die Hausangestellten haben auf die Rückkehr der Familie zu warten und die Herrschaft mit Tee und Gebäck zu versorgen.

Von all diesen Aufgaben erzählt der Roman aus dem Umkreis der Familie Bennet. Diesmal jedoch stehen die Hausangestellten im Mittelpunkt. Das Haushälterehepaar Mr. und Mrs. Hill, die eine besondere Stellung im Haus haben, weil Mrs. Hill ein spezielles Verhältnis zu Mr. Bennet unterhält. Das Hausmädchen Polly, die kaum dem Kindergartenalter entwachsen scheint, und schließlich die junge Hausangestellte Sarah, die eigentliche Hauptperson des Romans. Sie und ihre Wünsche, mehr aus ihrem Leben zu machen und die scheinbar gottgegebenen Grenzen zu sprengen, stehen im Fokus der Geschehnisse. Zudem wird James in den Haushalt aufgenommen, der als Hausdiener und Pferdeknecht still und leise seine Arbeit verrichtet. Denn ihn umgibt ein Geheimnis von großer Sprengkraft, das den gesamten Haushalt von Longbourn zerstören könnte.

Die Hausangestellten der Familie Bennet

Die Handlung von Stolz und Vorurteil bildet nur den äußeren Handlungsrahmen des Romans. Diese Geschichte von Jo Baker ist keine Fortsetzung, sondern eine Ergänzung des Romans von Jane Austen. Im Mittelpunkt steht die Hausangestellte Sarah, die sich ihrer untergeordneten und fremdbestimmten Stellung sehr bewusst ist und damit hadert. Sie strebt nach Höherem, in dem sie sich ein selbständiges Lebens in eigener Verantwortung wünscht und dieses auch in die Hand nimmt. Den Gegenpart bildet James, der in seiner Lebensgeschichte erzählt, dass ein solches Leben auch für Männer ohne gesellschaftliche Stellung kaum möglich ist, wenn sie als einfache Soldaten dienen und dem Wohlwollen der Offiziere unterworfen sind.

Dramatische Ereignisse ohne gesellschaftliche Grenzen

Der Roman zieht seine Spannung und den Reiz aus dem Zusammentreffen der bekannten Geschehnisse um die Familie Bennet und den Lebensgeschichten der Hausangestellten. Diese stehen den kleinen und großen Dramen im Leben der Herrschaft in nichts nach und sind nur allzu oft von diesen hervorgerufen. Die Diener sind in diesem Roman nicht nur die gesichtslosen dienstbaren Geister, sondern Menschen aus Fleisch und Blut, mit eigenen Gedanken und Plänen für ihr Dasein. Mit Freuden und Trauer, Zielen und Wünschen für das eigene Leben. Daraus entseht eine stille, aber dennoch packende Handlung, die den Leser in seinen Bann zieht. 

Keine Kopie, sondern eigenständiger Stil

Positiv aufgefallen ist, dass die Autorin nicht versucht, den unnachahmlichen Stil von Jane Austen zu kopieren, sondern einen ganz eigenen, aber sehr passenden Ton findet, um ihre Geschichte zu erzählen. Abgerundet wird der positive Eindruck durch das Cover, das gut gewählt ist und in die Geschehnisse einführt. Der Roman besteht aus 19 Kapiteln, die jeweils mit einen Zitat aus Stolz und Vorurteil überschrieben sind und somit immer wieder Erinnerungen wachrufen und eine stimmige Verbindung zum Handlungsrahmen schaffen.

Insgesamt ein stiller, dennoch sehr reizvoller Roman, der die Lebenssituation der Dienstboten vergangener Tage zeigt und damit ein vergessenes Kapitel von Stolz und Vorurteil in den Mittelpunkt rückt. 

Im Hause Longbourn

Jo Baker, Knaus

Im Hause Longbourn

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