Ein fremder Feind

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2013
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  • Aufbau, 2013, Titel: 'Ein fremder Feind', Originalausgabe
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Jörg Kijanski
751001

Histo-Couch Rezension vonSep 2014

Packender Mix aus Fiktion und Fakten

Bevor es kurz zum Inhalt und anschließend zu einer Bewertung geht, ist ein wichtiger Hinweis erforderlich. Ein fremder Feind ist die kongeniale Fortsetzung von Unter Mördern, so dass eine Rezension dieses Romans nicht möglich ist, ohne in wichtigen Punkten inhaltlich auf den Vorgänger einzugehen. Es empfiehlt sich hier besonders, zunächst Unter Mördern und anschließend diese Bewertung zu lesen.

Anfang 1940. Richard Krauss ist erneut unterwegs, um die wichtigsten Vertreter des Naziregimes zu ermorden, da er seinen bisherigen Auftrag des MI5, Hitler zu ermorden, nicht umsetzen konnte. Als er kurz davor ist, Herman Göring zu töten, sieht er zu seinem Entsetzen, dass sich der zweite Mann des Staates in Begleitung seiner Nichte Oda befindet. Oda und Krauss trennten sich erst vor einigen Monaten, da Oda den jungen Philipp, Hitlers Sohn, außer Landes in Sicherheit bringen sollte. Bevor Krauss seine Mission fortsetzen kann, muss er zunächst Oda befreien und klären, wie es um Philipp steht. Währenddessen lernt Göring Heinrich Hansen kennen, der ihm Pläne zur Eroberung der Guayana-Gebiete in Südamerika vorlegt und damit den Gewinn enormer Bodenschätze in Aussicht stellt. Hansen hat längere Zeit im Urwald gelebt und kennt sich daher mit zahlreichen Giften des Urwaldes aus, die auch als Wahrheitsdrogen angewendet werden können. Hansen soll zunächst sein Können beweisen und Oda den Aufenthaltsort von Philipp entlocken. Es beginnt ein gnadenlos-blutiger Kampf zwischen zwei ebenso skrupellosen wie perfekten Mördern&

Dies ist - sehr kurz gefasst - der Plot, um den es geht. Bis dieser allerdings zum Tragen kommt, sind wir schon auf Seite 189. Wie das? Zunächst begleitet Hansen seinen früheren Schulkameraden und Forscher Otto Schulz-Kampfhenkel auf eine Expedition an den Rio Jary, einen Nebenfluss des Amazonas. Der Forscher will Land und Ureinwohner kennen lernen und bei dieser monatelangen Reise (1935-1937) lernt Hansen sein blutiges Killerhandwerk zu perfektionieren. Parallel dazu lesen wir den Genesungsprozess von Krauss, der nach einer wilden Schießerei mit mehreren Schussverletzungen im Wannsee landete (Finale von Unter Mördern) und von dem jüdischen Arzt Samuel Weinberg mühsam zusammengeflickt wird (1939).

 

"Lassen Sie mich sterben", murmelte Krauss.

"Das werde ich nicht tun. Das verbietet mir mein Berufsethos. Außerdem sollen Sie ein hohes Tier bei der Gestapo getötet haben. Dafür verdienen Sie meinen Respekt. Drittens gibt es Menschen, die unbedingt wollten, dass Sie überleben."

 

Interessant an Ein fremder Feind ist die Mischung aus Fiktion und wahren Begebenheiten. So hat es die angesprochene Expedition und den Forscher Schulz-Kampfhenkel gegeben, während beispielsweise der (fiktive) Arzt Weinberg nur exemplarisch darstellen soll, mit welchen Schikanen jüdische Ärzte Ende der 1930er Jahre zu kämpfen hatten, sofern sie überhaupt noch arbeiten durften. Es ist also ein spannendes Spiel nach dem Motto Was wäre gewesen wenn oder So hätte es sein können, wobei natürlich die Grundannahme (Hitlers Sohn) etwas arg übertrieben erscheint.

 

"Tausendfünfhundert Jahre jüdischer Verfolgung, aber was in diesem Land mit den Juden passiert, ist unfassbar. Und niemand in Europa unternimmt etwas dagegen. Sie schauen zu, als ginge es sie nichts an. Die Engländer, die Franzosen, die Schweizer, unsere Nachbarn halten allesamt still. Hauptsache, die Geschäfte mit den Deutschen laufen gut. Es ist unglaublich. Es muss erst ein Krieg ausbrechen, um sie daran zu erinnern, was für ein Mensch dieser Adolf Hitler ist. Wenn er denn ein Mensch ist, was ich stark bezweifle."

 

Der Schreibstil des Autors ist gefällig, mitunter einen Tick zu langatmig (das oben erwähnte Intro hätte durchaus deutlich weniger als knapp 190 Seiten betragen können) und in wiederkehrende Handlungsschablonen gepresst. Die Protagonisten und deren Denken werden ausführlich erläutert, ihre charakterlichen Widersprüche, ihr Hass, ihre Selbstvorwürfe und ihre sehr begrenzt vorhandenen Gefühle dargestellt. Dann folgt die nächste Gewaltorgie zumeist in Form von wilden Schießereien und Verfolgungsjagden und zwischen diesen beiden Sequenzen erleben wir immer wieder einen mit seinem Schicksal hadernden Feldmarschall in den Wirren der ersten Kriegsmonate. Der Feldzug gegen Polen war gelungen, doch Hitler will mehr, allein die deutsche Luftwaffe ist noch nicht für den Fall Gelb (Angriff auf Frankreich) vorbereitet. Dumm, dass Göring gleichzeitig Chef der Luftwaffe ist.

Wer kurzweilige, actionreiche Unterhaltung mit teilweise realem Hintergrund sucht, ohne die zu extremer Gewalt und Selbstjustiz neigenden Gegenspieler bewundern zu möchten (mitunter kommt man sich vor wie in einem Ego-Shooter mit wechselnder Perspektive zwischen Gut und Böse), der findet hier womöglich geeignetes Lesefutter.

Ein fremder Feind

Jörg Isringhaus, Aufbau

Ein fremder Feind

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