Das Teufelsloch

  • Droemer-Knaur
  • Erschienen: Januar 2014
  • 5
  • Droemer-Knaur, 2014, Titel: 'The Devil in the Marshalsea', Originalausgabe
Das Teufelsloch
Das Teufelsloch
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Carsten Jaehner
951001

Histo-Couch Rezension vonAug 2014

Spannendes und brutales Gefängnisleben

1727. Tom Hawkins geniesst das Leben mehr, als es ihm guttut. Zwar sollte er wie sein Vater Landpfarrer werden, liebt aber das Glücksspiel und Frauen mehr als Gott den Herrn, und so landet er fast zwangsläufig im Londoner Schuldgefängnis Marshalsea, wovor ihn nicht einmal sein bester Freund, der Geistliche Charles Buckley, seines Zeichens auch befreundet mit Sir Philip Meadows, dem Knight Marshal und somit verantwortlich für das Marshalsea.

Kurz bevor Tom Hawkins auf die Common Side geschickt wird, dem Bereich, in dem reichere Gefangene sitzen, geschieht in dem Gefängnis ein Mord. Das ist an sich nichts besonderes, erregt aber durch seine Brutalität besonderes Aufsehen, und Tom sieht dem Opfer auch noch zum Verwechseln ähnlich. Er wird von der Witwe darauf aufmerksam gemacht und bekommt über sie und den Knight Marshal und somit auch über Charles die Möglichkeit, durch das Aufklären des Mordes seine Schulden erlassen zu bekommen und somit die Freiheit wieder zu erlangen.

Tom teilt sich ein Zimmer mit Mr Fleet und bekommt ausgerechnet das Bett, in dem der Tote ermordet wurde. Fleet selbst ist ein unausstehlicher Egoist, der Spaß daran hat, alle Leute zu quälen und nach seiner Pfeife tanzen zu lassen und wird von allen nur der Teufel genannt. Keine guten Vorraussetzungen für Tom, der schnell mehr Verdächtige vorfindet, als ihm lieb sein kann. Vom brutalen Gefängnisdirektor Acton bis zum Aufseher scheint jeder ein Motiv, wenn auch nicht die Möglichkeit gehabt zu haben. Oder waren es zwei Täter? Wer mit wem? Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt, denn auch Tom würden einige Insassen und Mitarbeiter gerne schnell tot sehen...

Verdächtige in jedem Zimmer und auf jeder Buchseite

Um es vorweg zu nehmen: Antonia Hodgson ist mit ihrem Debütroman gleich ein saftiger Roman gelungen, der es durchaus in sich hat. Sie bietet dem Leser einen Einblick in das Leben im Marshalsea-Gefängnis, in dem der Aufenthalt wahrlich kein Zuckerschlecken war. Von der ersten Zeile an lässt sie keinen Zweifel aufkommen, dass man alles tun sollte, um auf keinen Fall dort hin zu müssen, denn schon beim Betreten läuft einem ein kalter Schauer über den Rücken.

Glücklicherweise beginnt der Roman mit Historischen Anmerkungen, die man unbedingt lesen sollte, wird hier doch das Gefängnis in groben Zügen vorgestellt, damit man weiß, was einen auf den nächsten knapp 480 Seiten zu erwarten hat. Das ist auch gut so, denn zu zart besaitete Leser sollten schon hier das Buch wieder beiseite legen. Alle anderen oder doch sehr wagemutige Leser sollten sich auf einiges gefasst machen.

Gefängnisleben

Die Autorin besticht durch eine gute Beobachtungsgabe und versteht es auch, dem Leser unangenehme Gerüche in die Nase zu schreiben, die man vielleicht in real besser nicht einatmen möchte. Sie beschreibt das Gefängnis mit saftigen, fleischigen Worten, die dem Leser das Blut in den Adern gefrieren lassen. Schon der erste Wärter, der Schließer Joseph Cross, weckt unangenehme Gefühle, und das ist erst der Anfang.

Tom Hawkins ist der Ich-Erzähler des Romans und durch eigenes Verschulden ist er in die Situation geraten, kein Geld mehr für seine Schulden zu haben, und diese muss er nun in Marshalsea abarbeiten. Hier sitzt man aber seine Zeit nicht in einer Zelle ab, sondern hier muss man Miete bezahlen, und wer dies nicht kann und auf der Common Side beginnt, wo die etwas betuchteren Insassen leben, der kommt auf die andere Seite der Mauer, von der bislang niemand wieder lebendig die Anstalt verlassen hat, sondern immer mit den Füßen voran wenn die Familie für die Herausgabe des Leichnams zahlen konnte. Man verpflegt sich in der Regel nicht selbst, sondern geht tagsüber in Restaurants, für die man auch bezahlen muss, das Leben in Marshalsea ist also kompliziert und permanent schwebt über einem das Damoklesschwert der Erniedrigung.

Ungewohnter Blick intensiv und abstossend

Chef in Marshalsea ist Direktor Acton, der auf brutalste Weise Erwachsene wie Kinder zusammenschlägt, wenn sie ihm oder seinem Personal nicht gehorchen. Erstaunlicherweise ist er mit einer jungen, hübschen Frau verheiratet und Vater eines noch sehr kleinen Babys, was aber an seiner Brutalität den Gefangenen gegenüber nichts ändert. Tom Hawkins kommt in einen Wohnraum mit Mr. Fleet, den niemand in Marshalsea leiden kann und denn alle meiden wie der Teufel das Weihwasser. Nicht nur, dass er undurchsichtig, unhöflich und gemein ist, der schläft nicht und sein Zimmergenosse war der Mann, der in seinem Bett ermordet wurde, was Fleet zum Verdächtigen Nr. 1 macht. Captain Roberts wurde ermordet, erfreute sich ebenfalls nicht unbedingt grösster Beliebtheit, aber seine Frau geht noch in Marshalsea ein und aus und versucht, den Mord an ihrem Mann irgendwie aufzuklären oder doch nicht?

Tom Hawkins merkt schnell, dass hier vieles im Argen liegt, und als er den inoffiziellen Auftrag bekommt, gegen seine Freilassung den Mord aufzuklären, verflucht er schon nach wenigen Momenten seine Zusage, denn er kann niemandem trauen, selbst denen nicht, die ihm sagen, dass er niemandem trauen kann. Als Opfer der brutalen Scherze seines Zimmergenossen hat er sowieso wenig zu lachen und muss versuchen, immer wachsam zu sein, nicht zu sehr aufzufallen und doch seine Nachforschungen voranzutreiben. Doch gibt es auch Personen, die eine Aufklärung verhindern wollen.

Ein besonderes Erlebnis

Antonia Hodgson hält die Spannung des Romans bis zur letzten Seite aufrecht, und man kann sich nie sicher sein, ob nicht hinter der nächsten Seite die nächste unangenehme Überraschung wartet, was das Umblättern des Romans (vergessen Sie eBooks und erstehen Sie dieses Buch in gedruckter Form!) zu einem besonderen Erlebnis macht. Dieser Roman verdient das Prädikat Historischer Thriller wie sonst kein zweiter.

Es ist schwierig, sich dem Roman zu nähern, ohne zu viel zu verraten, aber wenn sich ein brutaler Teufel in Form des Zimmernachbarn zum einzigen Freund entwickelt, den man in einem Schuldnergefängnis hat, obwohl er mit einem macht, was er will, dann kann im Rest des Gefängnisses einiges nicht in Ordnung sein. Fleet wird nicht von ungefähr der Teufel genannt, der zugegen war, als Captain Roberts ermordet wurde, aber nichts mitbekommen haben will? Steckt er mit drin? Ist er der Mörder? Alles läuft auf ihn hinaus, das gesamte Gefängnis beschuldigt ihn. Doch auch andere hätten die Fähigkeit und ein Motiv, Captain Roberts aus der Welt zu schaffen. Welches Spiel treibt seine Witwe? Wie ist der Direktor involviert? Oder haben die Wachen in die eigene Tasche gearbeitet? Oder steckt jemand völlig unerwartetes dahinter? Jedes Kapitel wirft mehr Fragen auf, als es beantwortet, und die Liste der Verdächtigen nimmt kein Ende.

Antonia Hodgson ist ein unglaublich spannender Thriller gelungen, der das Genre Historischer Roman bereichert und ihm tatsächlich einen neuen Aspekt hinzufügt. Nach dem Ende des Romans wird noch einmal der historische Hintergrund Marshalseas erörtert, hinzu kommen Beschreibungen der realen Charaktere und Begriffserklärungen. Sämtliche Anhänge vor und nach dem eigentlichen Roman sollte man sich nicht entgehen lassen. Glücklicherweise schreibt die Autorin bereits an einem Nachfolger, und sollte sie die Spannung auch nur im Ansatz halten könnten, dürfen sich die Leser auf einen weiteren spannenden Thriller freuen. Kein Schnulz, sondern hartes und brutales Gefängnisleben, gespickt mit einem packenden Inhalt und ein paar ruhigen Sequenzen, und hinter jedem Umblättern lauert eine neue Überraschung. Ein Highlight des Jahres.

Das Teufelsloch

Antonia Hodgson, Droemer-Knaur

Das Teufelsloch

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