Im Sog der dunklen Mächte

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 1995
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  • Rowohlt, 1990, Titel: 'The pale criminal', Originalausgabe
Im Sog der dunklen Mächte
Im Sog der dunklen Mächte
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Christina Wohlgemuth
891001

Histo-Couch Rezension vonAug 2014

Okkultismus und Serienmörder im Dritten Reich

Berin, 1938. Es ist das letzte Jahr vor dem Zweiten Weltkrieg. Und wer Deutschland aufmerksam beobachtet, sieht schon jetzt die Zeichen für die kommende Katastrophe: die Aggressionen gegen die jüdische Bevölkerung mehren sich, und nach der Wiederbewaffnung des Rheinlands und der Rückkehr des Saargebiets und Österreichs ins Deutsche Reich ruht Hitlers Blick nun auf dem Sudetenland. Während die Herrschenden Europas versuchen, den unabwendbaren Krieg doch noch zu verhindern, hat auch Bernie Gunther einen neuen Fall. Doch der wird schnell zur Nebensache, als Bernie zurück in seinen alten Job gerufen wird: Reinhard Heydrich und Arthur Nebe wollen sich die Fähigkeiten des ehemaligen Kriminalers zu Nutze machen, denn ein Serienmörder geht um in Berlin. Und als wäre das nicht schon erschreckend genug, rührt Gunther dabei an eine Verschwörung, die ihre Wurzeln auch innerhalb der SS geschlagen hat ...

Zweiter Krimi um den Noir-Ermittler Bernie Gunther

Nach seinen Erfahrungen im Jahr 1936 hat Bernie Gunther von den Nazis eigentlich endgültig die Nase voll. Die Nächte in der Berliner Gestapo-Zentrale haben seinen ohnehin schon bestehenden Widerwillen gegen die neuen Machthaber nur verstärkt. Daher ermittelt Bernie zunächst gerne in einem Fall von Erpressung, der ihm angetragen wird. Doch ehe er den Fall abschließend lösen kann, funkt ihm die SS dazwischen. Die neuen Chefs der Deutschen Polizei, Heydrich und Nebe, fordern Bernie auf, zur Kripo zurückzukehren. In dem Bewusstsein, dass diese Leute ein Nein nicht akzeptieren, fügt sich Bernie - auch um zu verhindern, dass der Serienmörder, der in Berlin mit Vorliebe BdM-Mädchen umbringt, weitere Opfer fordert.

Bernie Gunther, der in vielerlei Hinsicht dem klassischen Privatermittler der Noir-Phase entspricht - Alkohol, ein gespanntes Verhältnis zum anderen Geschlecht, Unbestechlichkeit - wird in seinem neuen Fall noch tiefer in Nazi-Machenschaften verstrickt. Da ihm die neuen Machthaber zutiefst zuwider sind, fühlt sich Bernie Gunther merklich unwohl in seiner neuen Rolle - und wächst doch in sie hinein. Mit einem guten Gespür für Charakterzeichnung folgt der Leser einer Figur, die weder klassischer Nazi noch mutiger Widerstandskämpfer ist - und erhascht dadurch einen spannenden Blick ins Polizeisystem der Nazizeit.

Leicht zu lesen, ohne trivial zu sein

Wie schon in Feuer in Berlin lassen sich die Erlebnisse von Bernhard Gunther schnell und zügig lesen. Das geht nicht etwa auf Kosten des Anspruchs, auch wenn weder Feuer in Berlin noch der Nachfolgeband den Anspruch erheben können, hohe Literatur zu sein. Letzten Endes ist das auch nicht Absicht des Autors - er will unterhalten. Und das gelingt auf der ganzen Linie. Schwächelte der erste Band noch hin und wieder aufgrund einiger Längen im Plot, jagt der Leser in diesem Band von Szene zu Szene. Gleichzeitig lässt sich der Autor die erforderliche Zeit, die Stimmung in Nazideutschland einzufangen, ohne dabei zu sehr der Moral zu verfallen.

Historisch ist der Krimi in großen Teilen korrekt - einige kleine Unsauberkeiten sind wohl der Tatsache geschuldet, dass es sich um einen Roman handelt. Auch die Tatsache, dass die Granden der Nazi-Riege hier als Romanfiguren auftreten, zwingt zwangsläufig dazu, einige Umstände der Romanhandlung unterzuordnen. Auch Puristen dürfte dies jedoch nicht weiter stören, da Kerr dennoch durch die Darstellung dieser dunklen Epoche beeindrucken kann und auch Randthemen wie den Okkultismus innerhalb der SS spannend und interessant aufbereitet.

Ein spannender Krimi, der Lust auf ein Wiedersehen macht

Kerr erweist sich erneut als Autor, der es einerseits versteht, historischen Stoff spannend, korrekt und interessant aufzuarbeiten, gleichzeitig aber nicht die Krimihandlung vernachlässigt. Während sich viele Kollegen zu einseitig gewichten, gelingt es Kerr, die richtige Balance zu verhindern und einen historischen Krimi zu servieren, der diese Bezeichnung auch verdient - und der Lust auf ein Wiedersehen mit Bernie Gunther macht.

Im Sog der dunklen Mächte

Philip Kerr, Rowohlt

Im Sog der dunklen Mächte

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