Der blaue Liebesknoten

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2014
  • 1
  • Gmeiner, 2014, Titel: 'Der blaue Liebesknoten', Originalausgabe
Der blaue Liebesknoten
Der blaue Liebesknoten
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Eva Schuster
741001

Histo-Couch Rezension vonAug 2014

Das Wiener Hannerl in der Giftküche

Wien 1384: Die ehemalige Dirne und jetzige Klosterköchin Johanna Maipelt hat schlechte Laune. Eigentlich ist ihre Spezialität das Einlegen von allerlei Köstlichkeiten in Essig. Nachdem ihr nun aber der gesamte Wein weg getrunken wurde, der dafür nötig ist, steht sie mit leeren Händen da. Ihre Flüche und Wutausbrüche sind regelmäßig über den ganzen Klosterhof zu hören, was Meisterin Susanna einige Sorge bereitet - ganz zu schweigen von den vielen Männern, die in letzter Zeit in der Klosterküche ein und aus gingen und die das Kloster in Verruf bringen könnten.

Um Johanna etwas zu mäßigen und auch die anderen Büßerinnen zur Demut zu bringen, verordnet Meisterin Susanna ihnen regelmäßigen Theologieunterricht. Den Unterricht erteilt der Mönch Wenzeslaus von Wittingau aus Böhmen, der von seinem Abt nach Wien entsandt wurde. Der junge, sanftmütige Mann muss sich erst an seine neue Wirkungsstätte gewöhnen, doch dann fühlt er sich wohl bei den Büßerinnen.

Umso größer ist der Schock, als der junge Mönch kurze Zeit später tot in der Klosterküche liegt - ganz offenkundig starb er durch Gift. Bald darauf wird ein Giftanschlag auf ein Mitglied der Herzogsfamilie verübt. Der Verdacht fällt auf Johanna. Sie wird festgenommen, eingesperrt und als Giftmischerin droht ihr als Strafe, bei lebendigem Leib begraben zu werden ...

Sittenbild des mittelalterlichen Wien

Ihren ersten Auftritt hatte die resolute Klosterköchin mit der Dirnenvergangenheit in Das gelbe Hurentuch, wo sie in Morde und Intrigen verwickelt wurde. Erneut wird Hannerl in mörderische Angelegenheiten verstrickt - doch ist sie diesmal gleich die Hauptverdächtige, der als vermeintliche Giftmischerin ein grausamer Tod droht. Johanna zeichnen die gleichen Eigenschaften aus, die sie schon im ersten Band sympathisch machten: Sie mag zwar etwas ruppig und eigensinnig sein, trägt das Herz aber auf dem rechten Fleck, auch wenn sie sich nur ungern Sentimentalitäten eingesteht. Für humorvolle Momente sorgen ihre zahlreichen derben Kommentare sowie die ewigen Avancen des zahnlosen Hausknechts Barthel, der - zum Unverständnis aller anderen Beteiligten inklusive ihr selbst - hoffnungslos für sein Hannerl schwärmt.

Johanna Maipelt ist zwar eine fiktive Figur, doch in die Handlung fließen zahlreiche historische Personen und Umstände ein, etwa der römisch-deutsche König Wenzel von Luxemburg und der österreichische Herzog Albrecht III. Den brisanten geschichtlichen Hintergrund bildet die Wenzelsbibel, die zweitälteste deutsche Bibelübersetzung vor Luther, die für ihre auffallenden Illustrationen berühmt ist. Dabei gelingt es gut, dieses authentische Geschehen mit den fiktiven Ereignissen um Johanna Maipelt zu verquicken. Neben Johanna gibt es noch weitere Figuren, die für die Handlung wichtig sind. Erfreulich ist dabei vor allem die Rolle, die der scheinbar stummen Küchenhilfe Yrmel zukommt. Bislang hielt sie sich im Verborgenen, doch nun ist es für sie an der Zeit, aus ihrem stillen Dasein herauszutreten. Dabei zeigt sie nicht nur relevanten Einsatz bei der Klärung des Falls, sondern gewinnt auch als Charakter ein interessantes und vielschichtiges Profil.

Bei allem derben Humor ist das Werk auch nicht frei von ernsten Zügen. Johanna zeigt mehr und mehr melancholische Anwandlungen, vermisst sie doch Gretlin, die sie einst wie eine Tochter im Kloster behütete und die nun ihr Glück in Italien gefunden hat.

Der kriminalistische Teil des Buches wird von langer Hand vorbereitet; erst weit in der zweiten Hälfte kommt es zum Mordfall. Der Untertitel Hannerl ermittelt darf nicht darüber hinweg täuschen, dass es sich bei Johanna Maipelt mitnichten um eine Miss Marple des Mittelalters handelt. Der Fokus des Werks liegt vielmehr auf dem bunten Sittengemälde Wiens sowie dem Schmieden politischer Ränke als auf einer detektivischen Mördersuche.

Kleine Mankos

Zu den kleinen Schwächen des Romans gehört der etwas zu gemächliche Einstieg. Ausführlich wird die Figur Johanna Maipelt vorgestellt und der Leser lernt ihre eigenwillige Art näher kennen. Das wäre an sich hilfreich für den unbefleckten Leser, der den Vorgängerband Das gelbe Hurentuch nicht gelesen hat. Allerdings werden gleich zu Beginn auch wichtige Ereignisse aus dem ersten Band vorweggenommen, die den Lesespaß verderben würde, wenn man das Buch danach noch lesen möchte. Daher scheint sich Der blaue Liebesknoten an Leser zu richten, die bereits mit den früheren Geschehnissen vertraut sind - diese Leser aber benötigen wiederum keine ausgiebige Einführung zur Protagonistin. So hätte ein etwas straffer gefasster Einstieg sicher nicht geschadet.

Gewöhnungsbedürftig sind die vielen Dialoge im Dialekt. Es ist der Autorin ganz offenbar ein Anliegen, das mittelalterliche Wien so authentisch wie möglich darzustellen. Für manch einen Leser mag es allerdings eine gewisse Überwindung darstellen, sich durch die Wiener Mundart zu arbeiten. Hin und wieder werden einige besonders schwer verständliche Sätze in einer Fußnote ins Hochdeutsche übersetzt, allerdings gibt es auch vereinzelt Worte wie Bisgurn, die ohne Übersetzung bleiben und aus dem Kontext erschlossen werden müssen.

Zur authentischen Darstellung gehört auch das reichliche Fluchen, dessen sich vor allem die streitbare Johanna ausgiebig bedient. Gewiss macht es die Klosterköchin grundsätzlich sympathisch, wenn sie kein Blatt vor den Mund nimmt und ihren Gefühlen freien Lauf lässt. Allerdings nehmen Hannerls Launen zeitweise überhand und sind nicht nur für ihre Mitmenschen, sondern auch für den Leser eine Herausforderung. Wenn Johanna beispielsweise ohne Unterlass herum schreit, dass Spuckefäden über ihr Kinn rannen, liest sich das reichlich übertrieben. Die teils übertriebene Darstellung betrifft nicht nur solche Wutanfälle Hannerls, sondern auch andere Formulierungen - etwa wenn Johanna vor Freude jemandem mit voller Kraft entgegen hüpft, was beinah schon groteske Vorstellungen kreiert.

Unterm Strich erwartet den Leser ein unterhaltsamer Ausflug ins mittelalterliche Wien, der die Geschichte um die Klosterköchin Johanna trotz kleiner Schwächen überzeugend fortsetzt. 

Der blaue Liebesknoten

Anna Fuchs, Gmeiner

Der blaue Liebesknoten

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