Die Jasminschwestern

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2014
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  • Ullstein, 2014, Titel: 'Die Jasminschwestern', Originalausgabe
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Rita Dell'Agnese
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Histo-Couch Rezension vonMai 2014

Generationengeschichte mit Tiefgang

Mit ihrem Roman "Die Jasminschwestern" bedient die Autorin Corina Bomann ein Genre, das sich großer Beliebtheit erfreut: Das sukzessive Aufdecken eines alten Familiengeheimnisses. Die Autorin greift dafür auf vier Generationen von Frauen zurück. In den Mittelpunkt der Gegenwartsgeschichte stellt sie die erfolgreiche Modefotografin Melanie. Diese steht vor der Heirat mit dem Journalisten Robert. Als Robert bei einem Unfall schwer verletzt wird und ins Koma fällt, quält sich Melanie so sehr, dass sie Zuflucht bei ihrer Urgroßmutter Hanna sucht, die mit Melanies Großmutter Marie ein Museum betreibt. Hanna will Melanie auf andere Gedanken bringen und bittet sie, den Dachboden nach alten Kleidern zu durchforsten. Dabei stößt Melanie auf ein altes Bild, das zwei vietnamesische Mädchen zeigt. Auf Nachfrage von Melanie erzählt Hanna, was es mit dem Bild auf sich hat. Und sie entführt dabei nicht nur ihre Urenkelin, sondern auch die Leser ins Jahr 1927, als das Schicksal die beiden Mädchen Hoa Nhai und Than zusammenführt. In den politischen Wirren wird Hoa Nhais Vater getötet und die bisher im Wohlstand lebende Familie muss sich völlig neu definieren. Als Hoa Nhai und Than – die als zweite Tochter in der Familie aufgenommen wird – vor einer arrangierten Heirat fliehen, geraten sie Mädchenhändlern in Fänge. Die beiden Mädchen werden getrennt und das Schicksal verschlägt Hoa Nhai zunächst nach Hamburg und später nach Berlin. Dabei erlebt die junge Vietnamesin viel Schlimmes, immer wieder aber auch unerwartet Freundschaft und Hilfsbereitschaft. Nach und nach offenbart sich die ganze Geschichte und Melanie erkennt, dass es sich lohnt, für sein Glück zu kämpfen.

Temporeich erzählt

Corina Bomann wird dem Genre mit ihrem Romankonzept absolut gerecht. Die Begründung, weshalb sich Melanie mit der Vergangenheit auseinander setzt, ist schlüssig und die Geschichte wird in einem angenehmen Tempo erzählt. Allerdings wird man sich schon nach kurzer Zeit fragen, weshalb die Autorin den Zeitenmix gewählt hat und sich nicht auf einen klaren, historischen Roman konzentriert. Der Gegenwarts-Part ist zwar nett konzipiert, fällt aber gegenüber dem absolut tiefgründigen und atmosphärisch dichten Teil der Vergangenheit etwas ab. Schnell wird nämlich klar, dass nicht Melanie die tragende Figur des Romans ist, sondern ihre Großmutter Hanna. Die betagte, wenn auch noch erstaunlich robuste Vietnamesin hat ihre Urenkelin dazu auserkoren, das über Jahrzehnte sorgsam gehütete Geheimnis zu lüften. Hanna entpuppt sich dabei als starke Persönlichkeit, die in ihrem langen Leben einige große Schicksalsschläge zu bewältigen hatte und dabei mehr als einmal beinahe zerbrochen wäre. Das macht die Figur so vertraut und sympathisch: Sie kann sich zwar immer wieder aus einer prekären Situation retten, doch ist es meist ein Zusammenspiel verschiedener glücklicher Faktoren, die das überhaupt möglich machen.

Geschicktes Spiel mit den Charakteren

Corina Bomann versteht es sehr geschickt, immer wieder Figuren ins Spiel zu bringen, deren Rolle nicht ganz definiert ist. So etwa den Gärtner im Hause von Urgroßmutter und Großmutter, der als Charakter einiges Potenzial hat. Dann aber auch die verschiedenen Menschen, die im Laufe des Romans den Lebensweg von Hanna kreuzen. Nahezu alle von ihnen werden von der Autorin facettenreich und spannend gestaltet. Das beschränkt sich keineswegs nur auf die "Gutmenschen" – hier ist allerdings auch einer der kleinen Kritikpunkte an der Geschichte zu finden: Die Figuren sind sehr klar in "gut" und "böse" gegliedert – Zwischentöne sind nur wenig auszumachen. Doch mag man dies angesichts des an sich überzeugenden Konzepts durchaus verzeihen.

Ist die Geschichte von Hoa Nhai sehr detailliert erzählt, bleibt leider Thans Schicksal mehr oder weniger im dunkeln – deren Erleben wird zum Schluss nur noch sozusagen im Schnelldurchgang kurz erläutert. Dies ist bedauerlich, hat doch Corina Bomann eine so gute Basis gelegt, dass auch Thans Leben die Leserschaft hätte fesseln können.

Viel Neues erfahren

Das Setting des Romans – Vietnam, Hamburg, Berlin, Paris – bietet genügend Potenzial, um den Lesern eine teilweise kaum bekannte Welt näher zu bringen. Corina Bomann gelingt es ausgezeichnet, die Zusammenhänge der Kolonialpolitik und die gesellschaftlichen Entwicklungen sowie die Vorbehalte gegenüber Fremdländischen im Europa der Vorkriegsjahre aufzuzeigen. Sie tut dies auf eine unaufdringliche Art und findet gerade dadurch viel Nachhall.

Mit Die Jasminschwestern hat Corina Bomann einen solide aufgestellten und gut erzählten Roman vorgelegt, bei dem alle Komponenten stimmen. Auch wenn dem einen oder anderen Leser die vielen Schicksalsschläge, die die einzelnen Charaktere erleiden, etwas zu üppig ausfallen könnten, so stimmt doch das Gesamtkonzept und lässt die Leser spannende Unterhaltung genießen.

Die Jasminschwestern

Corina Bomann, Ullstein

Die Jasminschwestern

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